Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
den Bau oder die Ausstattung der Kirchen zu erhalten. Die päpstliche Bulle wurde am 5. Ja-
nuar 1479 ausgefertigt und jedem der Ablaß gewährt, der nach dem Empfang der Sakramente
und der Verrichtung von bestimmten Gebeten vor 7 Altären im Münster so viel „zuo volbringen
den chor und witrung (Weiterung) der kilchen (Kirche), merung (von) kelch, buocher und
anderer zierd, sovil als ein yeder fuor sin person ein Wochen gewonlich verzert, in den stock“
geben würde12. Da die Ablaßgewinnung sich nur auf die Dauer eines Jahres erstreckte und der
gewünschte finanzielle Erfolg nicht den Erwartungen entsprach, wurde um einen zweiten päpst-
lichen Gnadenerlaß gebeten, der am 15. Oktober 1479 erfolgte und für drei Jahre Gültigkeit
hatte. Diesmal verkündete man die Gewinnung des Ablasses nicht nur innerhalb, sondern auch
außerhalb der Konstanzer Diözese, so daß viel Volk nach Freiburg kam. Von seiten der Stadt
waren alle Vorbereitungen getroffen, um den Pilgern während ihres Aufenthaltes behilflich zu
sein. Dies war das einzige Mal, daß man zu außergewöhnlichen Mitteln griff, um den Münster-
bau und seine Innenausstattung zu vollenden.

Im allgemeinen halfen sich jedoch die Freiburger selbst. So hatte u. a. Herzog Konrad in der
Gründungsurkunde der Stadt bestimmt, „daß die von keinem Erben angesprochene Hinter-
lassenschaft eines Stadtbürgers nach Ablauf eines Jahres in drei Teile zerlegt und davon der
erste zum Seelenheil des Verstorbenen, der zweite zum (Aus-) Bau der Stadt oder zum Schmuck
des Gotteshauses verwendet werde, während der dritte dem Stadtherren zufallen solle“13.
Außer den schon oben erwähnten vermögensbildenden Werten wurde die Bevölkerung vom
Bürgermeister und Rat der Stadt ständig angehalten, ihr Scherflein beizusteuern. So bestimmte
eine Verordnung von 1322, daß die Einnahmen der im Münster aufgestellten Opferstöcke allein
„an den pou unserer frouwen münster“ fielen14. An jedem Samstag nach dem Salve und an
den Abenden vor den Feiertagen war es Sitte, daß das gläubige Volk „vor unserer lieben Frauen
Stock“, so nannte man eine Opferbüchse im Münster, vom Sigristen „bestrichen“, d. h. ein
Kreuz zum Kusse gereicht wurde15. Es war auch uralter Brauch, an hohen Fest- und allen Sonn-
tagen im Münster für den Bau Unsrer Lieben Frau zu sammeln. Diesen Ehrendienst vollzogen
jeweils drei Herren; Mitglieder des Adels, der Zünfte, der Münstergeistlichkeit, die Münster-
pfleger, die Stadtschreiber oder Mitglieder der Gesellschaft zum Gauch. Einer von ihnen trug
dabei eine silbergetriebene, z. T. vergoldete Reliquienmonstranz, die „Bitt“ (Nr. 4). In dem
Statut, vom Rat der Stadt verordnet, „Wer mit der großen bitt von altem harkoment und
gewanheyt uff die hohe Vest gangen ist und sol“16, war genau festgelegt, an welchem Tage die
Mitglieder der Gesellschaften den Bittdienst zu tun hatten.

Einzigartig war die Gepflogenheit, beim Requiem im Münster auf die Totenbahre vor dem
Altar das beste Gewand des Verstorbenen zu legen, das dann dem Münster verfiel. Man nannte
dies den „Fall“17. Da Stoffe, wie Seide, Samt oder Brokat, im Mittelalter sehr wertvoll waren,
brachte ein eventueller Verkauf guten Gewinn, wenn der Stoff nicht zu einem Meßgewand
verarbeitet wurde. So hatte der Freiburger Ritter Johannes Schnewlin in seinem Testament

13
 
Annotationen