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von den Pflegern im Beisein des Schaffners vorgenommen werden mußte. Vielleicht hebt diese
Aufgabe erst an, nachdem die Verordnung herausgegeben war; denn das älteste Inventar des
Münsterschatzes geht in die gleiche Zeit zurück, in der die Ratsverordnungen im Anniversar-
Buch eingetragen wurden.

Trotz der hohen Verantwortung, die das Amt ihnen auferlegte, das verbunden war mit Arbeit
und Mühe in Erfüllung ihres Eides „Unser Lieben Frauen das Beste zu tun“, war es eine schöne
und ehrenvolle Tätigkeit. Ihr vornehmstes Tun galt dem Bau und seiner Innenausstattung. Alle
Kultgeräte oder Altäre, die zu jener Zeit in Auftrag gegeben wurden, tragen die Namen der
jeweiligen Pfleger. So malte Hans Baidung Grien die damaligen Pfleger Sebastian von Blumen-
egg, Egidius Has, Ulrich Wirtner und den Schaffner Nicolaus Schefer auf der rückseitigen
Predella des Hochaltars in lebensvollen Porträts zur Mutter Gottes gewandt, da sie Baidung den
Auftrag für den Hochaltar gegeben haben40. Die Goldschmiede fertigten auf ihre Veranlassung
Monstranzen, Reliquiare und dgl. und gravierten am Fuß die Namen der Auftraggeber ein, eine
Sitte, die sich bis ins 18. Jahrhundert erhalten hat, nur daß anstelle der Namen hier die Wappen
der Pfleger und des Schaffners in Email-Medaillons angeheftet sind.

DIE SCHATZKAMMER

Leider wird in den ersten Inventaren nicht gesagt, wo die Schatzkammer, das „gewelb“, sich
befand. Wir sind daher nur auf eine Vermutung angewiesen, deren Wahrscheinlichkeit aber
bekräftigt wird durch die Dreizahl der Schlösser an der Türe, die zu der Kammer führte, durch
eine Anweisung an die Sigristen und durch die Tatsache, daß ab 1414 die wichtigsten Urkunden
der Stadt „in einem schindellädly“ in dem Gewölb „zum Hähnen in unser lieben frowen Mün-
ster“41 aus Sicherheitsgründen verwahrt wurden. Bekannt ist, daß die Urkunden des Stadt-
archivs in späteren Zeiten in einem Raum im südlichen Hahnenturm gelagert waren, der aller
Wahrscheinlichkeit nach die ursprüngliche Schatzkammer ist. Durch eine heute hochgelegene,
eisenbeschlagene, schmale Tür an der Südwand des romanischen Chores, deren drei Schlösser
in den Sandstein der Wand eingelassen und mit eisernen Ketten und einer Schließe mit der Türe
verbunden sind (Abb. 17), gelangt man über eine enge Wendeltreppe in einen im Grundriß
fast quadratischen Raum. Die Treppe fuhrt an ihm vorbei. Von zwei eisernen Türen ist er ver-
schlossen. Das Licht fällt durch Fenster an der West- und Ostseite. In die Ecken gestellte Rund-
dienste mit Blattkapitellen tragen die kräftigen Rippen der Kreuzwölbung42. Daß dieser archi-
tektonisch schöne Raum das „gewelb“ gewesen ist, mag auch aus der Anordnung „Der sigersten
gelübt“ verständlich werden, die beauftragt waren, „sie sollen dem custos das heiltum uf und ab

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