Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Selbstlosigkeit sich mühten, den Bau Unsrer Lieben Frau zu erhalten, menschliche und geistliche
Not zu lindern und das Vermögen vor dem Zugriff anderer zu retten. Ihre Hilferufe an die Stadt
verhallten, da hier die gleiche Not herrschte. Um wenigstens das Notwendigste für den Bau
und den Gottesdienst im Münster tun zu können, sah sich Gering gezwungen, die eine oder
andere Kostbarkeit aus der Schatzkammer zu verkaufen. Schon 1633 waren einige Kelche ein-
geschmolzen worden, um zusätzliche Mittel für die „Glockengelder“ zu erzielen. 1636 wurden
nach den Aufzeichnungen Gerings eine goldene Kette „unser frauen zierd“ und ein Kristall-
pokal, den Balthasar Decken vor 50 Jahren der Kirche verehrt hatte, verkauft. In den beiden
folgenden Jahren war er wiederum gezwungen, Edelsteine, einen blauen Saphir, einen Diaman-
ten und einen vergoldeten Deckelpokal zu veräußern92. Der Schwester des schwedischen
Stadtkommandanten, Oberst Friedrich Ludwig Canoffski von Langendorf, verkaufte die
Pflegschaft 1641 einen Rosenkranz mit 75 Amethystperlen, einen Bisamknopf und silbernen
Bollen für zwei Gulden und zehn Batzen. Die aus den Verkäufen erzielten Gelder wurden für
das Münster verwandt93.

Beträchtlicher sind die Werte, die der Münsterprokurator auf Bitten der Stadt ins „gemeine
Gut“ lieferte, d. h. der Stadtkasse im Kaufhaus übergab. In einem Brief Gerings an die
Herren des Stadtrates vom 13. Januar 1640 bemüht er sich um eine Wiedergutmachung der
der Stadt überlassenen Gelder, Kultgeräte und Schmuckstücke94. So hatte die Stadt im Laufe
der acht Kriegsjahre allein an Bargeld 10 400 fl erhalten, aus der Schatzkammer des Münsters
aber „ein zierlich Elaboriert vergullt rauch Schüff, sambt dem Löffell“, vier Kelche, einen
silbervergoldeten Becher, vier silberne Meßkännchen, einen silbervergoldeten Weihwasser-
kessel, einen vergoldeten Kristallpokal, außerdem „allerhand“ Silbergeschirr, dazu vier silberne
Lichtstöcke und eine „nach hießigem Münster formierte Monstrantz“. Unter den abgelieferten
Arbeiten befand sich auch wertvoller Goldschmuck, Ringe, Armbänder, Halsketten und der-
gleichen mehr, ferner ein Kleinod mit einer großen Perle, etlichen Edelsteinen und einer Gemme,
ein Geschmeide mit einer „Justitia“, von Rubinen, Smaragden und einem Diamant gefaßt,
ein Schmuckstück in Gestalt eines Pelikans mit elf Diamanten, 15 Rubinen und mehreren Perlen
versetzt, um nur das Wichtigste anzuführen. Am 3. November und 16. Dezember 1638 waren
zudem „Zwo silberine Archen, darahnn viel gossenne vergüllte Bilder . . . seindt vonn sehr
kunstreich gemachten Arbeith“ ins Kaufhaus gekommen. Diese zwei „Archen“ waren teils
getriebene, teils gegossene Reliquienschreine mit einem Silbergewicht von 52 Mark, also rund
26 Pfund. Für diese abgegebenen Kunstwerke erhebt Gering eine Forderung von insgesamt
4247 fl und 52 kr. Zunächst weigerte sich der Rat, die hohe Summe anzuerkennen, da der Schaff-
ner nicht den Material-, sondern den Kunstwert eingesetzt hatte. Ein Goldschmied wurde daher
mit einer Schätzung beauftragt. Zwar verschloß die Stadt sich nicht den vorgetragenen Tat-
sachen, doch bleibt ungewiß, ob sie jemals die Schulden bezahlt hat, da ihre finanziellen Verhält-
nisse ebenso traurig wie die der Münsterfabrik waren.

3 Münsterschatz

33
 
Annotationen