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aus dem Münster allhier durch die hochwürdigen Closterfrauen auf dem Graben . . . auf das
herrlichste eingefasst und den 17en Septembris als an dessen Festtag das erste Mal mit einer
öffentlichen Prozession in der Stadt herumgetragen worden. Man sagt, es sollen 40 000 Perlen
und 20 000 Granaten, dann 8 Pfund reines Gold dazu verbraucht worden sein ohne andre
Steine, die gut, und denen Fingeringen.“101 Es war das Werk des Münsterschaffners Franz
Xaver Keller, der die Bohrer und Ballierer um Granaten „als eine milde Steuer“ zur Zier des
Stadtpatrons gebeten hatte. „Ein und andre Steine aber sind von einigen gnädigen Fräulein darzu
beigetragen worden gratis.“ Die Reliquien fügte man einem Skelett ein, das reich mit durch-
brochener Goldstickerei überzogen und mit Perlen und Granaten geziert ist. Der Oberkörper
lehnt sich auf zwei goldgestickte Kissen, die Finger-Knöchel schmücken Ringe. Dieses Reliquiar
wird auch heute noch in der Fronleichnamsprozession mitgeführt. Die Silberbüste und auch der
kleine Schrein sind verloren, wahrscheinlich zu anderen Kultgeräten verarbeitet worden.

Erst am Neujahrstag 1652 übergab Pater Schächtelin den Zünften die aus Rom mitgebrachten
Reliquien102. Auf Wunsch des Stifters ließen sie von Freiburger Bildschnitzern Büsten ihrer
neuen Patrone anfertigen, die in Silber und Gold gefaßte, getriebene Silberbüsten vortäuschten.
Die Partikel wurden auf der Vorderseite der hölzernen Sockel, „zierlich gefaßt“, von einer Glas-
scheibe bedeckt, so daß sie zu sehen waren. Schon in der Fronleichnamsprozession desselben
Jahres führten die Zünfte ihre neuen Patrone mit. Die meisten Büsten wurden seit der Mitte des
18. Jahrhunderts durch die breisgauischen Bildhauer Franz Xaver Flauser, Matthias Faller,
Christian Wenzinger und Joseph Hör erneuert103. Auch die Reliquie des hl. Flavius - vom Blut
des Märtyrers getränkte Erde -, die der Priesterschaft des Münsters übergeben war, muß ur-
sprünglich in einem Holzbildwerk gefaßt gewesen sein, denn 1725 werden „die Zwölf Zunft
Heiligen, sambt der Hern Priester Ihrigen St. Flavius“ unter den Heiltümern und nicht unter dem
„Silber geschmeydt“ aufgeführt104. Ende der dreißiger Jahre des 18. Jahrhunderts ließen die
Priester des Münsters von dem Augsburger Goldschmied Franz Christoph Mäderl eine silberne
Halbfigur des Heiligen treiben105. Sie zeigt ihn in liturgischem Gewand mit Schultertuch, Albe
und Casel. Die leichte Drehung des Körpers wird durch den Schwung des sperrigen Meß-
gewandes betont. Der ausdrucksvolle, bärtige, schlanke Kopf ist in weichen, fließenden Formen
gehalten bei einer sehr empfindsamen Behandlung der Oberfläche. Die schönen, gegossenen
Hände halten Palme und Kelch. Die aus vergoldetem Kupfer gearbeitete Casel ziert auf der Vor-
der- und Rückseite ein breites, ausgestanztes Silberkreuz mit Ranken- und Akanthuswerk,
während der Rand von einer schmalen, aufgelegten Silberborte eingefaßt ist. Mäderl, einer der
hervorragendsten Meister seines Faches, hat für die Konstanzer Diözese zahlreiche Kultgeräte
und Figuren gearbeitet, so auch das schöne Silberkreuz, das „die Große Lateinische Kongrega-
tion“ der Freiburger Bürger um 1740 erwarb (Nr. 40). Die Figur des hl. Flavius ist eine frühe
Arbeit des Meisters, der 1765 in Augsburg starb. Heute tragen die Zimmerleute den einstigen
Patron der Priesterschaft in der Fronleichnamsprozession durch die Straßen der Stadt.

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