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— 44 —

Diese Blätter sind ein beredtes Zeugnis dafür, dafs der
schaffende Dichtergeist beiden gemeinsam war, wenn auch
Dorothy nur selten die dichterische Form fand. Wie
ein Kommentar zu des Bruders Gedichten muten sie uns
häufig- an, wüfsten wir nicht, dafs gerade im Gegenteil
Dorothy es war, aus deren unmittelbar anschaulichen
Berichten der Dichtergenius Anregung schöpfte. So lesen
wir unter dem 15. April 1S02: „Am Nachmittag brachen
wir von Eusmere auf. Der Wind war heftig und wir
glaubten umkehren zu müssen, der See sehr stürmisch.
Als wir in die Wälder unterhalb Gowbarrow-Park kamen,
sahen wir ein paar Narzissen dicht am Wasser stehen.
Wir glaubten, der See habe den Samen ans Land ge-
schwemmt und auf diese Weise sei die kleine Kolonie
entstanden. Doch je näher wir kamen, um so mehr sahen
wir. Endlich unter den Zweigen der Bäume angelangt
sahen wir, dafs sie einen langen Gürtel am Ufer bildeten.
Nie sah ich Narzissen so schön; sie wuchsen unter den
moosigen Steinen um sie und über ihnen; einige ruhten
ihr Köpfchen auf den Steinen wie auf Kissen aus, als
wären sie müde. Die übrigen taumelten, hüpften und
tanzten; es schien, als lachten sie wirklich mit dem
Winde, der über den See blies. Sie sahen so lustig aus,
so glänzend und wechselnd." Diesen Spaziergang hatte
AVordsworth mit der Schwester gemacht und genossen;
doch erst zwei Jahre später entstand das Gedicht, das
diese lebhaft-anmutige Schilderung zur Grundlage hat.1

So waren ihre Tagebücher dem Bruder in Wahrheit
das, was uns Bettina in ihrem Briefwechsel Goethes mit
einem Kinde in romantischer Selbstüberschätzung von

1) Nr. XXVIII.
 
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