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— 79 —

Gegenstand dieser Dichtung. Auch die klassizistische Poesie,
die bis zur Mitte des Jahrhunderts geherrscht hatte, räumte
selbstverständlich ihren menschlichen Personen den ersten
Platz ein. Die ganze Maschinerie von Sylphen und Feeen,
die sie gern in Bewegung setzt, ist ihr nur ein anmutig
lustiges Rankenwerk. Doch derjenige „Mensch", welcher
sich jetzt immer stärker in den Vordergrund drängte, war
ein ganz anderer geworden, als der feine, raffiniert aus-
gebildete Weltmann Popes. Dieser Dichter und seine
Schule kennen nur einen Typus des englischen Volkes:
den zur Gesellschaft gehörenden, wohlerzogenen Gentle-
man, der in dem gepflegten Park von Windsor mit
Wonne die Einsamkeit geniefst, von den eigenen hohen
Gedanken und den Geistern der Männer begleitet, die
gleich ihm hier schon lustwandelten, den aber doch das
Gefühl beruhigt, dafs das Schlofs nicht zu weit entfernt
ist und dafs die Strahlen der von dort aus weithin leuch-
tenden Sonne ihn noch im tiefen Schatten der mächtigen
Platanen erreichen. Wenn seine Augen sich am Grün
sattgesehen, dann erfreut ihn der helle Kerzenschimmer
im Saale und die Konversation mit geistreichen Männern
und schönen Frauen, mit denen er eine Sprache redet,
die nur hier verstanden wird, und die der breiten Masse
des Volkes verschlossen ist, jenen Verbannten, Halbwilden,
auf die man nur einen verächtlichen oder scheuen Seiten-
blick wirft. Leicht entdeckt das „schnelle Poetenauge'1
die Schwächen dieser feinen Gesellschaftskreise und weifs
sie bald scherzhaft, bald bitter zu geifseln.

Doch schon während der Herrschaft von Popes Dich-
tung begann ein fremder Geist sich in der Litteratur zu
regen. Die Schriften der englischen Aufklärungsphilo-
sophen hatten zuerst in Frankreich den Anstofs zu einer
 
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