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auch aufserhalb der heimischen Insel in andern Ländern
die Naturschönheit zu geniefsen, spiegelte sich dies neue
Leben alsbald auch in der Dichtung wieder.

Das erste "Werk, das diesen Empfindungen Ausdruck
gab, waren Thomsons Jahreszeiten, wovon er schon 1730,
also noch zu Lebzeiten Popes, den Sommer veröffentlichte.
Thomson hatte aus seiner Heimat Schottland den Trieb
zu einer liebevolleren Naturbetrachtung mitgebracht, wie
sie in der bescheidenen Dichtung jenes Volkes nie ganz
ausgestorben war. Die hohe Verehrung und Bewunderung
der Zeitgenossen, der weite Einflufs, den er auf andere
Länder, zumal auf Deutschland, gewann, beweisen genug-
sam, dafs Thomson das aussprach, was alle Gemüter
damals tief bewegte: die Freude an der sichtbaren AVeit.
Thomson ist ein Spaziergänger, der mit offnem Auge in
Wald und Feld sich ergeht, der sich am Blühen der
Blumen erfreut, den stolzen Schwänen auf dem Wasser
nachschaut, den Sonnenuntergang und die Sternenpracht
bewundert und an alles gern höhere Betrachtungen an-
knüpft. Auch ihm ist die wirkliche Welt um ihn, die
Natur, nur eine Offenbarung des Schöpfers; und auch für
seine Dichtung gilt etwas das Urteil, das D. F. Straufs
über seinen deutschen Dichtergenossen Brockes fällt: seine
Werke seien ein gereimter physiko- theologischer Beweis
des Daseins Gottes. Doch ist ihm diese Natur nicht wie
Bope ein toter Begriff, sondern ein farbenprächtiges,
formenreiches Gebilde. Gewifs zeigt seine Beschreibung
noch mehr peinliche äufsere Treue als inneres Leben;
doch der Blick, einmal hingelenkt auf die Natur, sollte
bald auch tiefer in sie eindringen.

Ein eigentümliches Übergangsstadium zeigt eine Gruppe
v°n Dichtern, die in ihrem Empfinden zwar schon ent-

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