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schieden auf diesem neu errungenen Boden stehen, aber
diesen neuen Inhalt noch in die alten Schläuche der
klassizistischen Form giefsen: Gray, Collins und die
beiden "Wartons. Noch wählen sie am liebsten Elegien,
Episteln und Oden mit Strophe, Antistrophe und Chor;
noch hängt ihnen viel von der gekünstelten Diktion des
Alexanderfestes an; doch welch andre Empfindung spricht
aus Grays Ode an den Frühling, wenn er die Muse bittet,
mit ihm zu sitzen und zu denken:

„Wo dicht dej' Eiche Zweige sieh erstrecken
Zu breiten braunen Schatten,
Wo dicht bewachsne Buchen überdecken
Der Lichtung grüne Matten",

als wenn Pope in der Ode an die Einsamkeit den Mann
preist, der auf eignem Grund und Boden zufrieden lebt:

„Ihm bringt die Herde Milch und warmes Kleid, ■
Ihm füllt sein Feld mit Korn die Scheuer,
Der Baum giebt Schatten ihm zur Sommerszeit
Im Winter Feuer."

Gewifs hat auch Gray sein Bestes geleistet, wo er
sich von den gekünstelten Formen entfernt, so in seiner
berühmten Elegie auf einem Dorfkirchhof, die noch heute
zu den populärsten Dichtungen Englands gehört. Indessen
werden wir bei ihm und seinen Genossen nie das Gefühl
los, uns einer komponierten Landschaft gegenüber zu
sehen; wir sehen in diesen Naturgemälden mehr das Ge-
mälde als die Natur. Man braucht nur alle diese Gedichte
mit Grays Briefen und Tagebüchern zu vergleichen, um
zu wissen, woran es jenen noch fehlte. Hier sprudelt
uns der ursprüngliche Quell der unmittelbaren Anschauung
entgegen, die uns an seinen Wanderungen wie an einem
eigenen Erlebnis teilnehmen läfst. Ist Gray doch auch
 
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