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Grimm, Herman
Michelangelo: sein Leben in Geschichte und Kultur seiner Zeit, der Blütezeit der Kunst in Florenz und Rom — Berlin: Safari-Verlag, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.71912#0053
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Das Ende Savonarolas

vor Schritt den Qualen folgt, die Savonarola zu erdulden hatte. Der Papst verlangte ihn nach
Rom, bequemte sich jedoch, einen Kommissar zu schicken. Savonarola ward gefoltert; es wird
genau berichtet, auf welche Weise; die Kräfte verließen ihn unter den Händen seiner Peiniger,
denn er war eine zarte kränkliche Natur; kaum losgelassen widerrief er alles. In diesem Zu-
stande noch verfaßte er rührende Schriften. Die Tortur wiederholte sich zu verschiedenen
Malen. Nardi, der in seinen Angaben sehr gewissenhaft ist, versicherte, er habe aus den besten
Quellen gehört, daß die Akten gleich beim Niederschreiben gefälscht seien. Der Kommissar
des Papstes gestand später gleichgültig offen ein, Savonarola sei ohne Schuld gewesen und
der Prozeß erfunden, den die Florentiner nur ihrer Rechtfertigung wegen hätten drucken
lassen. Savonarola wurde zum Tode verurteilt und am 23. Mai 1498, am Himmelfahrtstage,
das Urteil vollzogen.
Auf dem Platze vor dem Palaste der Regierung war der Scheiterhaufen errichtet. Aus seiner Savonarolas
Mitte ragte ein hoher Pfahl mit drei Armen, die sich nach verschiedenen Seiten ausstreckten. T°d
Als die drei Männer über eine Art fliegende Brücke zu diesem Galgen hinschritten, steckte
der florentinische Pöbel spitze Pflöcke von unten auf zwischen den Brettern des Ganges hin-
durch, in die sie mit ihren nackten Füßen hineintraten. Savonarolas letzte Worte waren Trost
für seine Genossen, die mit ihm duldeten. Da hingen sie nun alle drei und die Flammen schlugen
zu ihnen auf. Ein mächtiger Windstoß trieb diese noch einmal zur Seite; einen Moment lang
glaubten die Piagnonen, ein Wunder werde sich ereignen. Doch schon hatte sie das Feuer
wieder verhüllt, und bald stürzten sie mit dem brennenden Gerüste in die Glut nieder. Ihre Asche
wurde von der alten Brücke herab in den Arno geschüttet. Welche Gedanken müssen Savo-
narolas Seele bewegt haben, als das Volk, das er jahrelang gespornt oder gezügelt hatte, das
er so völlig mit seinen Lippen beherrschte, stumpf und teilnahmlos umherstand.
Wo liegt nun das, das über die Verehrung, die der Mann einflößt, dennoch einen trüben Fiesole
Schatten wirft? Ich will ihn mit einem anderen Mönche von San Marco vergleichen, der lange
vor ihm lebte und der das Kloster nicht weniger berühmt gemacht hat als er. Die Wände seiner
Gänge, seiner Kapellen, niedriger, dunkler Zellen sogar, sind bedeckt von den Malereien
Fiesoles, eines von den Nachahmern Giottos, dessen Werke, erfüllt von reizender Reinheit der
Empfindung und verklärt durch eine Art süßer, in sich selbst beschlossener Begeisterung, zu den
merkwürdigsten und ergreifendsten Denkmalen einer Künstlerseele gehören.
Seine Arbeiten sind in der Tat beinahe nicht zu zählen; in gleichmäßiger sanfter Schwärmerei
scheint er ohne Aufhören seine Träume dargestellt zu haben. Die Gestalten tragen etwas
Ätherisches an sich. Er malt Mönche, die am Kreuze niedersinkend, mit zitternder Inbrunst
seinen Stamm umarmen, er malt Scharen von Engeln, die aneinandergedrängt die Luft durch-
schweben, als wären sie alle ein langgestrecktes Gewölk, dessen Anblick uns mit Sehnsucht
erfüllt. Es waltet ein so unmittelbares Verhältnis zwischen dem, was er darstellen wollte,
und dem, was er zu malen vermochte, und zugleich war das, was er wollte, stets so einfach und
verständlich, daß seine Bilder aufjeden einen unmittelbaren, unvergeßlichen Eindruck machen
und so manche Naturen in dieselbe Begeisterung zu versetzen fähig sind, in der sie selbst
geschaffen zu sein scheinen.
Vergleichen wir den Geist seiner Gemälde mit dem der Predigten Savonarolas, die dieser Savonarola als
inmitten der Klosterhallen hielt, von deren Wänden die Werke Fiesoles niederschauten, so Martirer
empfinden wir am schärfsten, was Fiesole besaß und was Savonarola fehlte, was ihn bei seinen
Gegnern so furchtbar verhaßt machte. Ein heiliger Eifer für das Gute, Wahre, Sittliche, Große
entflammte sein Herz, aber daß ohne die Schönheit das Gute nicht gut, das Wahre nicht wahr, das

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