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Grimm, Herman
Michelangelo: sein Leben in Geschichte und Kultur seiner Zeit, der Blütezeit der Kunst in Florenz und Rom — Berlin: Safari-Verlag, 1941

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https://doi.org/10.11588/diglit.71912#0054
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Michelangelos erste Jahre in Rom
Heilige selbst nicht heilig sei, das entging ihm. So wurde er, das weichste Gemüt, unversöhnlich
und zwang seine Gegner es auch zu sein, und so vernichtete er sich. Er vergaß, daß das, was
die Menschen am meisten zwingt und bildet, nicht der bewußte Gehorsam, der heftig unter-
drückte Hang zum Bösen, das gewaltsam sich selbst leitende Beharren auf einer scharf gezogenen
Linie ist, die zu Gott leiten soll, sondern daß das unbewußte Aufnehmen eines freundlichen
Beispiels, das leise Nachgeben, wenn das Gute und Schöne mit lockender Stimme redet, und
das schmetterlingsartige Fortflattern, dem Göttlichen dennoch immer zugewandt, die Mächte
eigentlich sind, die die Menschheit geheimnisvoll aber sicher weiterführen. Und so haben
Fiesoles sanfte stumme Bilder mehr getan als Savonarolas Donner, die beinahe spurlos verhallten.
Der Gedanke drängt sich uns auf, daß sein Leiden und sein Tod auf den schaffenden Künstler-
geist Michelangelos nicht ohne Einwirkung geblieben sei.
Im November 1498 ging er nach Carrara, um den Marmor für die Pieta selbst zu holen.
An Ort und Stelle dort scheint er die erste Arbeit getan zu haben und im April mit dem Blocke
nach Rom zurückgekommen zu sein. Nur ein Jahr war für die Ausführung bedungen worden,
über zwei Jahre jedoch sehen wir Michelangelo vom Beginn der Arbeit an in Rom noch bleiben;
ohne Zweifel, weil die Vollendung seines Werkes ihn dort festhielt.


Skizze (1508). London, Brit. Museum

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