GRABRAUB
Ein interessantes Phänomen bei Reihengräberfried-
höfen ist der Grabraub. In unterschiedlicher Intensi-
tät ausgeübt, ist er überall in der östlichen und
westlichen Reihengräberzivilisation verbreitet, wo-
bei allerdings kleinräumig z.T. erhebliche Unter-
schiede bestehen.
Auf Grund seiner weiten Verbreitung erregte der
Grabraub schon vielfach die Aufmerksamkeit der
Forschung. Dabei standen die Fragen nach der In-
tention und der Duldung des Grabraubs im Mittel-
punkt. Da die bisherigen Ansätze erst jüngst von H.
Roth1 und J. Schneider2 zusammengefaßt wurden,
muß an dieser Stelle vorerst nicht näher darauf
eingegangen werden. Dies soll erst später beim Ver-
gleich mit den Unterthürheimer Befunden erfolgen.
Mehr im Hintergrund stand bislang der archäologi-
sche Befund, sofern sich nicht etwa deutlich Raub-
schächte abzeichneten. Zwar wurde das Zurücklas-
sen bestimmter Gegenstände bemerkt3, aber eine
Untersuchung der Techniken des Grabraubs in Zu-
sammenhang mit seiner Intention fehlt bisher noch
weitgehend. Anhand der umfangreichen Befunde
aus Unterthürheim soll daher der Versuch gemacht
werden, durch eine Untersuchung der Phänomene
einer Klärung der Fragen zum Grabraub näher zu
kommen.
Von den insgesamt 219 interpretierbaren Grabgru-
ben waren 157 (71,7%) höchstwahrscheinlich ge-
stört. Dabei überwiegt etwas der Anteil der Frauen-
gräber. Während ihr Anteil an der Gesamtbevölke-
rung 39,5% betrug, sind 43,4% aller gestörten, be-
stimmbaren Skelette solche von Frauen. Für eine
weiterreichende Interpretation ist dieser Unter-
schied — besonders angesichts des Ausgrabungsstan-
des — aber ohne Belang.
In der Grabtiefe zeichnet sich keine Bevorzugung
tieferer oder flacherer Gräber ab. So sind von den
acht Gräbern, die mehr als 2 m eingetieft sind,
jeweils vier gestört bzw. ungestört. Dagegen sind
zwar die meisten der flachen Gräber gestört, zum
Teil mag dies an unbeabsichtigten, nachträglichen
Veränderungen durch Bodenbearbeitungen, Nach-
bestattungen oder Tiere liegen. Ungestört ist aber
z. B. das sehr flache Grab 184. Auch eine Bevorzu-
gung reicherer Gräber ist nicht eindeutig festzustel-
len. So blieb Grab 201 ebenso ungestört wie die
beigabenlosen Gräber 192 und 186.
Räumlich sind die beraubten Gräber über das ge-
samte Gräberfeld verteilt, ungestörte Gräber kon-
zentrieren sich aber in einem kleinen Teil des westli-
chen Friedhofareals.
METHODEN DER BERAUBUNG
Die Untersuchung der Methoden stützt sich im we-
sentlichen auf die Beobachtung der Lage der einzel-
nen Skeletteile und Beigaben sowie der Richtung
ihrer wahrscheinlichen Verlagerung. Raubschächte
in den Grabgruben konnten nicht festgestellt wer-
den. Danach kommen in Unterthürheim drei Haupt-
arten der Beraubung vor: Die Beraubung mit einem
Haken, Teil- und Komplettöffnung des Grabes.
Die Beraubung mit einem Haken4 (Taf. 111,1) äu-
ßert sich im Befund durch eine immer wiederkeh-
rende, gleichartige Lage von Skeletteilen und Beiga-
ben. Alle nicht in situ verbliebenen Gegenstände
1) Roth, Grabfrevel 53 ff.
2) Schneider, Deersheim 125 ff.
3) Roth a. a. O. (Anm. 1) 67 ff. — U. Koch, Grabräuber als Zeugen frühen Christentums. Arch. Nachr. Baden 11, 1973,
22 ff.
4) Eine Darstellung der Methode nach einem bronzezeitlichen Befund bei: H. Thrane, Beispiele für Grabraub aus der
Bronzezeit Dänemarks. Zum Grabfrevel in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Abhandl. Akad. Wiss., Phil.-Hist. Kl.
3, 113. Göttingen (1978) 9 ff. Abb. 5.
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Ein interessantes Phänomen bei Reihengräberfried-
höfen ist der Grabraub. In unterschiedlicher Intensi-
tät ausgeübt, ist er überall in der östlichen und
westlichen Reihengräberzivilisation verbreitet, wo-
bei allerdings kleinräumig z.T. erhebliche Unter-
schiede bestehen.
Auf Grund seiner weiten Verbreitung erregte der
Grabraub schon vielfach die Aufmerksamkeit der
Forschung. Dabei standen die Fragen nach der In-
tention und der Duldung des Grabraubs im Mittel-
punkt. Da die bisherigen Ansätze erst jüngst von H.
Roth1 und J. Schneider2 zusammengefaßt wurden,
muß an dieser Stelle vorerst nicht näher darauf
eingegangen werden. Dies soll erst später beim Ver-
gleich mit den Unterthürheimer Befunden erfolgen.
Mehr im Hintergrund stand bislang der archäologi-
sche Befund, sofern sich nicht etwa deutlich Raub-
schächte abzeichneten. Zwar wurde das Zurücklas-
sen bestimmter Gegenstände bemerkt3, aber eine
Untersuchung der Techniken des Grabraubs in Zu-
sammenhang mit seiner Intention fehlt bisher noch
weitgehend. Anhand der umfangreichen Befunde
aus Unterthürheim soll daher der Versuch gemacht
werden, durch eine Untersuchung der Phänomene
einer Klärung der Fragen zum Grabraub näher zu
kommen.
Von den insgesamt 219 interpretierbaren Grabgru-
ben waren 157 (71,7%) höchstwahrscheinlich ge-
stört. Dabei überwiegt etwas der Anteil der Frauen-
gräber. Während ihr Anteil an der Gesamtbevölke-
rung 39,5% betrug, sind 43,4% aller gestörten, be-
stimmbaren Skelette solche von Frauen. Für eine
weiterreichende Interpretation ist dieser Unter-
schied — besonders angesichts des Ausgrabungsstan-
des — aber ohne Belang.
In der Grabtiefe zeichnet sich keine Bevorzugung
tieferer oder flacherer Gräber ab. So sind von den
acht Gräbern, die mehr als 2 m eingetieft sind,
jeweils vier gestört bzw. ungestört. Dagegen sind
zwar die meisten der flachen Gräber gestört, zum
Teil mag dies an unbeabsichtigten, nachträglichen
Veränderungen durch Bodenbearbeitungen, Nach-
bestattungen oder Tiere liegen. Ungestört ist aber
z. B. das sehr flache Grab 184. Auch eine Bevorzu-
gung reicherer Gräber ist nicht eindeutig festzustel-
len. So blieb Grab 201 ebenso ungestört wie die
beigabenlosen Gräber 192 und 186.
Räumlich sind die beraubten Gräber über das ge-
samte Gräberfeld verteilt, ungestörte Gräber kon-
zentrieren sich aber in einem kleinen Teil des westli-
chen Friedhofareals.
METHODEN DER BERAUBUNG
Die Untersuchung der Methoden stützt sich im we-
sentlichen auf die Beobachtung der Lage der einzel-
nen Skeletteile und Beigaben sowie der Richtung
ihrer wahrscheinlichen Verlagerung. Raubschächte
in den Grabgruben konnten nicht festgestellt wer-
den. Danach kommen in Unterthürheim drei Haupt-
arten der Beraubung vor: Die Beraubung mit einem
Haken, Teil- und Komplettöffnung des Grabes.
Die Beraubung mit einem Haken4 (Taf. 111,1) äu-
ßert sich im Befund durch eine immer wiederkeh-
rende, gleichartige Lage von Skeletteilen und Beiga-
ben. Alle nicht in situ verbliebenen Gegenstände
1) Roth, Grabfrevel 53 ff.
2) Schneider, Deersheim 125 ff.
3) Roth a. a. O. (Anm. 1) 67 ff. — U. Koch, Grabräuber als Zeugen frühen Christentums. Arch. Nachr. Baden 11, 1973,
22 ff.
4) Eine Darstellung der Methode nach einem bronzezeitlichen Befund bei: H. Thrane, Beispiele für Grabraub aus der
Bronzezeit Dänemarks. Zum Grabfrevel in vor- und frühgeschichtlicher Zeit. Abhandl. Akad. Wiss., Phil.-Hist. Kl.
3, 113. Göttingen (1978) 9 ff. Abb. 5.
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