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ERGEBNISSE ZUR BESIEDLUNGSGESCHICHTE

Ein genauer Abriß der Besiedlungsgeschichte des
Gebiets zwischen Iller und Lech im 6. und 7. Jahr-
hundert1 kann an dieser Stelle nicht geboten werden.
Trotzdem seien hier einige Bemerkungen zur Sied-
lungs- und Wirtschaftsweise im frühen Mittelalter
erlaubt.
Die politische Situation des Iller-Lech-Gebiets im 5.
und 6. Jahrhundert ist äußerst unklar. Die organi-
sierte Grenzsicherung des Donau-Iller-Rhein-Limes
endet 401 n. Chr. mit dem Abzug der Truppen des
Stilicho nach Italien. Nur sporadisch scheinen römi-
sche Truppen noch später in Raetien eingegriffen zu
haben2. Um 400 nennt die Notitia Dignitatum noch
eine Reihe befestigter Siedlungen an der Donau-
grenze. In der Vita Severini sind dagegen nur noch
die im Osten gelegenen Orte erwähnt3, der Bereich
zwischen Iller und Lech scheint — wie auch das
Fehlen entsprechender Bodenfunde andeutet —
nicht mehr einer effektiven römischen Administra-
tion unterstanden zu haben.
Trotzdem kann nicht von einem siedlungsleeren
Raum gesprochen werden. Auf die Kontinuität bei
den Ortsnamen wies bereits H.-J. Kellner4 hin, bei
den Flußnamen J. Schnetz5. Somit wird man eine

wenn auch geringe Fortdauer der Besiedlung anneh-
men müssen. Dahingestellt sei, ob es sich dabei um
eine romanische Restbevölkerung oder um germani-
sche Föderaten handelte.
Örtliche Kontinuität ist durch die Verehrung der
heiligen Afra vor allem für Augsburg belegt. Trotz
des Fehlens einer wirksamen Verwaltung bestand
noch lange ein Rechtsanspruch des Römischen Rei-
ches auf das raetische Gebiet6, der auch unter Theo-
derich noch aufrechterhalten wurde. Unklar ist al-
lerdings, ob dieser Rechtsanspruch auch eine prakti-
sche Auswirkung auf die Bevölkerung hatte, d. h.
ob der Anspruch durchsetzbar war oder nicht.
Eine Neubesiedlung unseres Arbeitsgebietes ist erst
506 in den Quellen erwähnt, als Theoderich die
„Alamanniae generalitas" in Raetien aufnahm7, wo-
bei es sich am ehesten um flüchtige Gruppen nach
einem mißlungenen Aufstand gegen die fränkische
Oberhoheit gehandelt haben wird8. Bereits 536/7
aber wird das Gebiet von Witigis formell an die
Franken abgetreten.
Die Verteilung der Reihengräberfunde9 (Abb. 24)
ist recht uneinheitlich, zeigt aber doch klare, inter-
pretierbare Züge. Außer acht bleiben muß leider

1) Der gesamte Raum sollte ursprünglich von T. Voigt, Bonn bearbeitet werden, der aber dieses Vorhaben kürzlich
aufgeben mußte. Aus Zeitgründen konnte daher das Fundmaterial bislang nur aus der Literatur aufgenommen
werden. Dabei macht sich vor allem der unzureichende Abbildungsteil bei Franken, Iller und Lech bemerkbar. Eine
Aufschlüsselung der Fundpunkte nach chronologischen Gesichtspunkten war somit ebenso unmöglich wie eine
genauere lokale Feinkartierung der Fundstellen auch in Bezug auf römische und mittelalterliche Besiedlung.

2) J. Garbsch, Der spätrömische Donau-Iller-Rhein-Limes. Kl. Sehr. Kenntnis röm. Besetzungsgesch. Südwestdeutsch-
land 6. Stuttgart (1970) 5 ff., bes. lüf.

3) R. Christlein, Das spätrömische Kastell Boiotro zu Passau-Innstadt. Von der Spätantike zum frühen Mittelalter.
Vorträge u. Forsch. 25. Sigmaringen (1979) 91 ff. Abb. 1.

4) H.-J. Kellner, Die Römer in Bayern. München (1971) 196.

5) J. Schnetz, Die Flußnamen des Bayerischen Schwabens in ihrer Bedeutung für die Namenkunde, Geschichte und
Landschaftsforschung. Veröffentl. Schwäb. Forschgem. Komm. Bayer. Landesgesch. 1. Augsburg (1950).

6) K. Reindel, Staat und Herrschaft in Raetien und Noricum im 5. und 6. Jahrhundert. Verhandl. Hist. Ver. Oberpfalz
106, 1966, 28.

7) K. F. Stroheker, Die Alamannen und das spätrömische Reich. Die Alemannen in der Frühzeit. Veröffentl. Alemann.
Inst. Freiburg/Br. Bühl/Baden (1974) 25.

8) L. Schmidt, Die Westgermanen. München (1940/1970) 282 f.

9) Franken, Iller und Lech 68. Dabei ist zu bemerken, daß die Numerierung der Fundorte auf M. Frankens Karte nicht
mit der dort untenanstehenden Liste übereinstimmt. Nr. 12 entfällt, ab hier ist die Numerierung jeweils um eine Stelle
verschoben (d. h. Nr. 13 auf der Karte entspricht Nr. 12 der Liste). — Neu aufgenommen wurden folgende Fundorte:
Aislingen: Bayer. Vorgeschbl. 21, 1956, 317. — Aitrang: Bayer. Vorgeschbl. 37, 1972, 200. — Bellenberg: Zeitschr.

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