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DIE KULTURELLE BEDEUTUNG

DES HANDWERKS IN BRESLAU


am besten klar, wenn man die so überaus reichhaltige Sammlung von Innungskleinodien
in den Kunstsammlungen der Stadt Breslau betrachtet. Neben einer Unmenge von
zinnernem Tafelgerät — von der prächtigsten gotischen Schleifkanne bis zum schlichten,
einfachen kleinen Becher — finden wir ein gutes Dutzend prachtvoll erhaltener und in
ihrer Qualität ganz ausgezeichneter Emailhumpen, ein halbes Hundert alter Laden mit
reichen Einlegearbeiten und feinstem plastischen Schmuck. Aber vor allpm das noch vor-
handene Silbergerät bietet uns einen Eindruck von der Freude des Breslauer Handwerkers
an künstlerisch bedeutsamen Werken seiner Mitmeister, nicht minder jedoch auch von
der Qualität der ausnahmslos von Breslauer Meistern geschaffenen Arbeiten, die zum
Besten gehören, das diese Meister ersonnen und gearbeitet haben. Fast zwei Dutzend
Willkommen und Becher, ferner nicht weniger als ein halbes Hundert von massiven
silbernen Sargschilden mit reichster Treibarbeit und Vergoldung, das dürfte schon ein
Besitz sein, der sich in den deutschen Museen suchen läßt. Dabei war früher aber das
silberne Tafel- und Trinkgerät in noch viel größeren Mengen vorhanden als jetzt. Ver-
schleiß und Verkauf haben manche Innung oder Gesellenbruderschaft vor langen Jahr-
zehnten schon um ihre Kostbarkeiten gebracht. Allein von den Breslauer Bäckergesellen
lassen sich in deren Stammbuch nicht weniger als 27 silberne, zum Teil vergoldete Pokale
und Becher mit weit über 400 Anhängeschildchen nachweisen, ein Schatz, der 1815 ver-
kauft und eingeschmolzen wurde. Dies war nur der Silberschatz einer einzigen Bruder-
schaft, allerdings vielleicht der reichsten in Breslau.
Der Handwerksmeister früherer Jahrzehnte wußte, auch wenn er, wie z. B. die Nahrungs-
mittelhandwerker, selbst nicht künstlerisch tätig war, die Arbeiten der Goldschmiede
seiner Vaterstadt zu schätzen, und es war ihm selbstverständlich, solche Dinge nicht nur
in seiner Innung, sondern auch in seinem Hause sein eigen zu nennen. Diese Haltung
bewahrten die alten Meister nicht nur in wirtschaftlich guten und glücklichen Zeiten. Die
Innungen der schlesischen Hauptstadt haben gerade in Jahrzehnten der Not und Be-
drängnis sich die besten Sargschilde von den ersten Goldschmieden herstellen lassen: In
den letzten Jahren des Dreißigjährigen Krieges werden die bisher üblichen gestickten oder
gemalten Sargschilde durch massiv silberne ersetzt. Dieser Wertschätzung der Breslauer
Goldschmiede in ihrer Heimatstadt entspricht auch der Ruf, den Breslau als Schule für
dieses Handwerk im übrigen Reiche gehabt haben muß. Groß ist nicht nur die Zahl der
Gesellen, die nach Breslau zuwanderten und hier sich als Meister niederließen, sondern
auch die der Gesellen, die sich als Ziel ihrer Wanderschaft Breslau setzten und mehrere
Jahre hier bei den tüchtigsten Meistern ihr Können vervollkommneten. Vielfach finden
wir als Wandergesellen solche aus den berühmten Goldschmiedestädten Augsburg und

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