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„Die Woche“ hatte dem Kaiser, der im Augenblick des Exponierens
über eine Pfütze springt, eine andere Beinstellung durch Retusche
gegeben, wodurch sie sich der scharfen Kritik der übrigen Presse
aussetzte. Prinz Heinrich verlor durch die verunglückte Ueber-
malung auf dem Bilde den Unterkörper und schwebte so durch die
Luft. Die Aufnahme ist bei nebligem Regenwetter hergestellt
worden und war auch sonst nicht so einfach auszuführen, denn trotz
höflicher Eingabe wurde weder von der Polizei noch von dem Hof-
marschallamt eine Erlaubnis zum Photographieren erteilt. Eine
Schutzmannskette und zwei Militärkordons umgaben die Monarchen
und hohen Herrschaften — was tun? Einen Anlauf genommen, die
drei Ketten durchbrochen, verfolgt von einer Schar Uniformierter,
ein tolles Rennen, kurz vor den Herrschern angehalten, geknipst,
von Beamten zurück hinter die Kulissen geführt, war alles eins.
Irgendwelche Folgen entstanden natürlich nicht, dagegen bestellten
Se. Majestät der Kaiser, König Eduard und andere Fürstlichkeiten
viele Exemplare solcher Bilder.
9
Bei dieser Gelegenheit will ich noch von einer anderen Auf-
nahme mit Hindernissen erzählen: Es verlautete, daß ein damals
im allgemeinen Interesse stehender Fürst demnächst das Abendmahl
zu nehmen beabsichtige; von diesem Geschehnis wollte eine erste
Zeitschrift für hohen Preis eine Aufnahme angefertigt haben. Der
große Tag war gekommen, und in Begleitung seines Gehilfen begab
sich der Illustrations-Photograph zur Kirche. Der Küster läuft die
letzten Anordnungen treffend in großer Aufregung nervös und
zappelig hin und her, der Lichtbildner immer hinterdrein, ihn mit
Fragen, ob photographiert werden darf, bestürmend. Der Küster
reagiert zunächst auf die Fragen nicht — wahrscheinlich begriff er
nicht, was der Photograph eigentlich bezweckte —, als diese aber
kein Ende nehmen wollen, reißt ihm der Faden der Geduld, und er
ruft wütend: „Machen Sie, was Sie wollen, aber lassen Sie mich
bloß zufrieden!“ Dieser Ausspruch genügte, der Gehilfe war Zeuge
dessen, und der Illustrations-Photograph begibt sich ruhig auf die
Emporen — der Küster hat ihn bald vergessen. Die Orgel durch-
braust das Gotteshaus, die kirchliche Handlung hat den Höhepunkt
erreicht, und der feierliche Moment ist gekommen; da geht ein
Raunen und Staunen durch die Menge, helles grelles Blitzlicht zuckt
oben auf: der heilige Geist ist erschienen?! Mit Rauch vermischt
sieht man noch ein Gesicht und eine Gestalt mit einem ungewissen
Kasten eiligst verschwinden. Als sich dieses Bild nun mit Namen
des Verfertigers in der Zeitschrift vorfand, wollte man den Photo-
graphen belangen, konnte ihm aber nichts anhaben, weil er die Be-
fugnis zur Aufnahme nachweisen konnte — nur das arme Küsterlein
soll das Nachsehen gehabt haben.
Diese zwei Beispiele sollen zeigen, welche Geistesgegenwart
oft dazu gehört, um Illustrations-Aufnahmen ausführen zu können.
„Die Woche“ hatte dem Kaiser, der im Augenblick des Exponierens
über eine Pfütze springt, eine andere Beinstellung durch Retusche
gegeben, wodurch sie sich der scharfen Kritik der übrigen Presse
aussetzte. Prinz Heinrich verlor durch die verunglückte Ueber-
malung auf dem Bilde den Unterkörper und schwebte so durch die
Luft. Die Aufnahme ist bei nebligem Regenwetter hergestellt
worden und war auch sonst nicht so einfach auszuführen, denn trotz
höflicher Eingabe wurde weder von der Polizei noch von dem Hof-
marschallamt eine Erlaubnis zum Photographieren erteilt. Eine
Schutzmannskette und zwei Militärkordons umgaben die Monarchen
und hohen Herrschaften — was tun? Einen Anlauf genommen, die
drei Ketten durchbrochen, verfolgt von einer Schar Uniformierter,
ein tolles Rennen, kurz vor den Herrschern angehalten, geknipst,
von Beamten zurück hinter die Kulissen geführt, war alles eins.
Irgendwelche Folgen entstanden natürlich nicht, dagegen bestellten
Se. Majestät der Kaiser, König Eduard und andere Fürstlichkeiten
viele Exemplare solcher Bilder.
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Bei dieser Gelegenheit will ich noch von einer anderen Auf-
nahme mit Hindernissen erzählen: Es verlautete, daß ein damals
im allgemeinen Interesse stehender Fürst demnächst das Abendmahl
zu nehmen beabsichtige; von diesem Geschehnis wollte eine erste
Zeitschrift für hohen Preis eine Aufnahme angefertigt haben. Der
große Tag war gekommen, und in Begleitung seines Gehilfen begab
sich der Illustrations-Photograph zur Kirche. Der Küster läuft die
letzten Anordnungen treffend in großer Aufregung nervös und
zappelig hin und her, der Lichtbildner immer hinterdrein, ihn mit
Fragen, ob photographiert werden darf, bestürmend. Der Küster
reagiert zunächst auf die Fragen nicht — wahrscheinlich begriff er
nicht, was der Photograph eigentlich bezweckte —, als diese aber
kein Ende nehmen wollen, reißt ihm der Faden der Geduld, und er
ruft wütend: „Machen Sie, was Sie wollen, aber lassen Sie mich
bloß zufrieden!“ Dieser Ausspruch genügte, der Gehilfe war Zeuge
dessen, und der Illustrations-Photograph begibt sich ruhig auf die
Emporen — der Küster hat ihn bald vergessen. Die Orgel durch-
braust das Gotteshaus, die kirchliche Handlung hat den Höhepunkt
erreicht, und der feierliche Moment ist gekommen; da geht ein
Raunen und Staunen durch die Menge, helles grelles Blitzlicht zuckt
oben auf: der heilige Geist ist erschienen?! Mit Rauch vermischt
sieht man noch ein Gesicht und eine Gestalt mit einem ungewissen
Kasten eiligst verschwinden. Als sich dieses Bild nun mit Namen
des Verfertigers in der Zeitschrift vorfand, wollte man den Photo-
graphen belangen, konnte ihm aber nichts anhaben, weil er die Be-
fugnis zur Aufnahme nachweisen konnte — nur das arme Küsterlein
soll das Nachsehen gehabt haben.
Diese zwei Beispiele sollen zeigen, welche Geistesgegenwart
oft dazu gehört, um Illustrations-Aufnahmen ausführen zu können.