Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Halpersohn, Rubin
Über die Einleitungen im altfranzösischen Kunstepos — Berlin: Mayer & Müller, 1911

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51081#0080
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
70

sie ja, wie überhaupt das Mittelalter, den Begriff des geistigen Eigentums
nicht kannten.
81) Es liegt nahe, in diesen Ausfällen der höfischen Epiker eine Nach-
ahmung der Angriffe der Spielleute zu erblicken, zumal auch die Art der
Polemik dieselbe ist und den Konkurrenten hier wie dort nicht etwa stets
und überall Lügenhaftigkeit, sondern auch Vernachlässigung dichterisch ver-
wertbarer Stoffe (so innerhalb des Kunstepos im Chev à l'épée) vorge-
worfen wird. Manche der in diesem Paragraphen als Beispiele angeführten
höfischen Dichtungen stehen denn auch mehr oder weniger in naher Be-
ziehung zu den Ch. de g. So z. B. Conte du Mant. (unter d) und üaut. d’Aup.
(unter f.) Auch der Er. als eine der Ersflingsschöpfungen des Meisters
weist mit dem Heldenepos noch mancherlei gemeinsame Züge auf. (vgl.
unter e). Diese Auffassung vertritt auch Förster, er sagt nämlich (Einl
zum kl. Er. S. 9f): „Chrét Ausfall erinnert nur zu sehr an ähnliche Aus'älle
in Ch. de g.... Dass er an unserer Stelle . .. nichts anderes als Nachahmung
sein könne, lehrt die Betrachtung, dass Chr. ja garuicht seine eigenen
Konkurrenten damit meinen kann, da sein Gedicht weder zum Singen,
noch zum Vorfragen, sondern zum Lesen bestimmt ist.“ Die Unwahrschein-
lichkeit der Begründung F.’s haben wir schon früher darzulegen versucht
(vgl. Anm. 30). Auch Freymond stimmt der Försterschen Auffassung bei
(Vollmöllers Jahresb. I [1890] S. 41.6) bezüglich der Nachahmung der Ausfälle
der Ch. de g.-Dichter durch Chrét. Aber selbst wenn die F’sche Begrün-
dung richtig wäre, so ist doch die Folgerung, die er daraus zieht, nicht
unbedingt zwingend. Sie setzt nämlich voraus, dass Chrét. mit seiner
Polemik einen bestimmten Zweck verfolgt, denn der Herausgeber sagt:
.. Dass Chr. ja nicht seinen eigenen Konkurrenten damit meinen kann . .
als ob ein derartiger Angriff stets einen Grund und einen Zweck haben
müsste! Wir glauben in diesen Ausfällen, soweit sie von höfischen Dichtern
ausgehen, vornehmlich eine Äusserung der Überhebung der ritterlichen
Epiker den heruntergekommenen Spielleuten gegenüber erblicken zu sollen,
die sie zu vilains Stempelten und somit auf die gleiche niedere Stufe stellten
wie das Publikum, vor dem die Jongleurs vortrugen. Diese Überhebung
zeigt sich auch in den Chrétien’schen Worten: ...de conter vivre suelent,
während er, der höfische Dichter, nicht eigentlich von seinem Beruf „lebt“.
Diese Angriffe seitens der höfischen Autoren entsprachen — ganz ähnlich
wie die Ablehnung der v i I a ins , der angeblichen Störenfriede, (vgl, Anm. 35) —
nur zu sehr den Wünschen und Anschauungen des adligen Publikums, das
natürlich nicht nur die vilains, sondern auch deren Dichter verachtete und
von den höfischen Verfassern verachtet wissen wollte. Eine Stütze für
unsere Auffassung scheint uns der Umstand zu bieten, dass (vgl. f) die
Verunglimpfungen vielfach jeglicher Begründung entbehren. Man vergleiche
auch (zitiert unter d) die Schadenfreude des Escoufle-Dichters, mit der er
die Tatsache erwähnt, das die «conteors» bei den Vornehmen nicht vorgelassen
würden. Ob es menschlich schön war, dass die Kunstdichter den armen
Spielleuten, nachdem sie diese durch ihre machtvolle Konkurrenz von den
 
Annotationen