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Der Stil Isabel uncl die Italiener

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ZWEITES BUCH

Der Stil Isabel und die Italiener

Wie bemerkt, gestaltet sich unter den „katholischen Königen“ die mittel-
alterliche Kunst gänzlich um. Es ist eine die ganze Welt durchwehehde neue
Zeit, die sich hier Bahn schafft, die nach den gewaltigen Erfolgen des Jahr-
hundertendes, — der Entdeckung von Amerika und der Eroberung des letzten
Maurenstaates, wie der Erwerbung von Neapel und Sizilien — und in gleichem
Drange, wie sonst in Europa, nacli Ausdruck rang. Und hier machte sich auch
der Zustrom fremden, insbesondere nordischen Kiinstlerblutes bemerkbar. Hatte
schon Hans von Köln an den herrlichen Domtiirmen zu Burgos seine große
Kunst gezeigt, so betätigten seine Nachkommen Simon und Francisco de Colonia
das ererbte Können in ausgezeichneten Werken, wie in .der Kapelle des Konne-
tabels und schließlich dem Nordostportal des Doms in allmählichem Übergang zur
neuen Kunst, deren glänzendes frühes Dokument das letztgenannte Prachttor in
wenn auch noch unsicherer Handhabung der ßenaissanceformen bildet. DerVlame
Johann Guas (Was) erbaute seit 1476 (zuerst als Grabkirche für die katholischen
Könige) S. .Tuan de los Reyes zu Toledo, einen Bau, in dem die Gotik sclion
ganz neue Züge zeigt. Der Grundriß, ein kurzes Schiff mit Kapellen, breitem
Querschiff und kurzem reckteckigem Chor, ist merkwürdig kompakt, und findet
in der nicht hohen Kuppel über der Vierung seine Ergänzung zu einem ge-
drungenen Gesamtkörper neuzeitlichen Wesens. Auck die Pormen sind nur
nocli scheinbar gotisch, flächig; die überreichen Bildkauerarbeiten des Innern
in weißem Kalkstein, die großen keraldiscken Adler mit Wappenschilden,
die beiden Königstribünen wirken ganz unmittelalterlich (Abb. 8). —

Von eigenartigster Erscheinung ist die Griindung des Alonso von
Burgos, das Kolleg S. Gregorio in Valladolid (Abb. 9). Dieser sehr ehrgeizige
Bischof von Palencia, mit großem Erfolg im Dienste der Königin Isabella tätig,
wollte hier etwas Außerordentliches sckaffen; und das ist ihm auch gelungen.
Wer der erfindende Meister war, ist unbekannt, man nennt freilich einen
Macias Carpinteiro; daß etwa Enrique Egas, der Meister des fast gleichzeitigen
Kollegs von Santa Cruz, der leitende Geist gewesen sei, ist bei dem völligen
Gegensatz zu diesem beglaubigten Werke wohl kaum denkbar. —

Der sehr ansehnlicke Bau umschließt zwei Höfe und zahlreiche Innen-
räume mit Kapelle. Seine prachtvolle Pront ist von einem unübersekbaren
Reichtum, in der Anlage des breiten mit Zackenbogen eingefaßten Portals
zwischen schlanken Strebepfeilern mit Figuren unter Baldackinen wie in der
Gesamtwirkung noch ganz gotisch, in der völlig naturalistiscken Durchfüh-
rung im einzelnen aber gänzlich neuartig. Baumstämme und Äste mit Laub,
darin wilde zottige Männer, alles aufs reichste bildkauerisch und heraldisch
gefüllt und aufgelöst, auf gemustertem Gi'und, umfassen ein liohes Peld, in dem
eine Mittelfläche mit einem blätterreichen Baum aufwächst, in der Spitze zwei
Löwen mit dem Wappen der Könige tragend. Trotz seiner Wildheit ein Pracht-
werk glänzendster Wirkung, hinter dem das Mittelalter gänzlich versinkt. Von
 
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