Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
72

Spanien

VIERTES BUCH

Die dekorative Kunst und das Kunstgewerbe

Hand in Hand mit der eigentlichen Baukunst geht wie überall die de-
korative Kunst jeder Art, hier allerdings mehr als irgendwo gewissermaßen als
ein Teil der Architektur, nicht in selbständiger Entwicklung. Dies gilt zuerst
für die Plastik, die vorwiegend zur Vervollständigung der Bauwerke, nur zum
Teil in Einzeldenkmälern tätig ist; dann für die verschiedenen Zweige des
Kunstgewerbes, unter denen die Sclimiedekunst vorwiegend ihre Kraft in den
unvergleichlichen Gitterwerken der Kirchen und an Palästen bewährt, — die
Keramik am meisten in der Fliesenpracht der Wände und Eußböden sich ent-
faltet. Die dekorative Malerei tritt dagegen auffallend zurück, zeigt sich fast nur
in der freilich einzigartigen farbigen Behandlung der Holzschnitzereien archi-
tektonischen und dekorativen Zweckes, wie der bildhauerischen Arbeiten.

Die Goldschmiede betätigen sich hier nicht nur in kleineren Prunkwerken
in Edelmetall, sondern ganz besonders an gewissen kirchlichen Gerätschaften
ganz architektonischen Charakters, unter denen die Kustodien (Prachtmonstranzen
größten Eormates) in erster Linie stehen.

Stickerei und ähnliches schließt sich diesem Zweige des Kunstgewerbes
mit besonderer Prachtentfaltung im kirchlichen Dienste an.

Demgegenüber steht z. B. die Tischlerarbeit zum Teil weit zurück; das
spanische Mobiliar jener Zeit wenigstens beschränkt sich auf das Nötigste und
hat vielleicht nur in schönen Schreibtischen etwas besonderes geleistet (Abb. 88).

In allererster Linie steht dagegen das unübersehbare Heer der Altäre, viel-
mehr cler Rückwände, die meistens die gesamte Kirchenwand hinter den Altären,
gerade, gebogen oder polygon, bis ins Gewölbe bedecken, wie anderseits die
prachtvollen Chorgestiihle. Dazu kornmen, durch die in Spanien seit dem
15. Jahrhundert übliche Aufstellung des Chorgestükls mitten im Schiffe bedingt,
die dazu notwendigen Umfassungswände (trascoro), meist glänzende Prachtwerke
in Stein und Marmor, gelegentlich auch Chorschranken für die Abtrennung des
Altarraumes von den Umgängen.

Eür jene Altarrückwände (retablos), die oft bis zu einer ungeheuren Größe
anwachsen und gewöhnlich aus einer großen Zahl von Einzelreliefs bestehen,
die architektonisch getrennt sind, auch oft noch eine Eülle freier Piguren
enthalten und dann in einer sich ins Ereie auflösenden Krönung endigen, sind
im 16. Jahrhundert die besten Bildkauer Spaniens tätig gewesen. Aber nicht
nur bildhauerisch, sondern auch arckitektonisch kommen diese der iberischen
Halbinsel eigenen Werke in Betracht, denn zuerst handelt es sich stets um
 
Annotationen