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198

Schluß

S chIuß

Haben wir so das Bild der Renaissance auf der Iberischen Halbinsel an uns
voriiberziehen sehen, so überrascht es doch, in der spanischen und der portu-
giesischen zwei so grundverschiedene Zweige desselben Baumes zu finden. Wenn
auch der Beginn jener Zeit in der Kunst, die wir Isabelstil nannten, eine
Parallelerscheinung zu der eigentümlichen portugiesischen Kunst der Manuelina
zeitigte, so war die letztgenannte doch nicht unerheblich jiinger und länger
andauernd; und trotz einiger ähnlicher Werke beider Stile sind diese auch
in ihrem Kern so verschieden, daß man gerade in dieser Yerschiedenheit die
innere Gegensätzlichkeit beider Yölker fühlt. Die weitere Entwicklung weicht
erheblich ab; da wo in Spanien sich die Wunderblüte der Platereskenkunst
erschließt, finden wir in Portugal eine verhältnismäßig einfache, immer mehr
sich einer vornelimen Strenge nähernde Richtung; und wo dort die Platereske
plötzlich abbricht, um im schweren Herrerastil zu ersticken, da erwächst im
portugiesischen Kirchenbau eine Leistung, die tatsäehlich die gesamte gleicli-
zeitige in anderen romanischen Ländern an Schönheit und Vollendung iiberragt;
eine Erscheinung ebenso auffallend und freistehend, wie etwa die herrliche
Michaeliskirche in München in dem damals wild aufbrandenden Wellenschlag
des beginnenden Barockwesens.

Aber alles das erklärt sich durchaus aus der Eigenart der Bewohner
Iberiens und ihrer Entwicklungsgeschichte, wie ihrer inneren und äußeren poli-
tischen Gestaltung, die zuletzt gegenüber dem übrigen Europa ganz eigeneWege
ging, denen doch trotz aller Verschiedenheit immer noch eine nahe Verwandt-
schaft innewohnt. Und diese ergibt dann zusammen jenes farbenprächtige Bild
der Kunst beider Länder, so weit abweickend, so eigentümlich gegenliber der
sonstigen Renaissance Europas; reichfarbig, schmuckvoll, ja berauschend wäh-
rend der aufblükenden Kultur jener Länder, aber bald, allzubald, wieder ver-
sunken und vergessen mit dem Niedergang ihrer Völker. Doch fiir die Zukunft
und die Zeit ihres Wiederaufblükens die herrlichste Grundlage einer neuen,
vor allem aber einer nationalen Kunst. Pür diesen Neuaufbau hat die alte Zeit
die schönsten Fundamente hinterlassen.
 
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