Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
15

Leibes sind sie in hartem Kontrapost in den Knien eingeknickt. Ob-
gleich vom Motiv des Suppedaneums her der Kruzifixus als stehend
konzipiert sein könnte, beherrscht so das Motiv des Hängens die
ganze Gestalt. Im Lendenschurz stoßen die beiden Zonen zusammen,
der in sich verschlungene, oben abschließende Wulst leitet das
Herabsacken des Leibes in die spitz ineinandergesteckten, scharf-
gratigen Falten über, die dem harten Nebeneinander der Schenkel
antworten. Aus der von den Armen gebildeten Bucht ist das Haupt
nach rechts vorne auf die Brust gesunken - als Ausgleich für die-
se Bewegung nach rechts ist die linke Hand um eine Kleinigkeit
höher am Kreuz angenagelt. Die über die Schultern nach vorne fal-
lenden Haare binden das Haupt mit den Armen und dem Leib zusammen.
Die Augen sind geschlossen, die Mundwinkel schmerzlich nach unten
verzogen.

Das Leiden des Gekreuzigten ist in seinem Totsein still zusam-
mengefaßt, nicht im Schrei des Schmerzes. Und es ist, als ob die
plastischen Mittel, in denen hier in ottonischer Zeit zum ersten
Male seit der ausgehenden Antike wirkliche Monumentalskulptur,
nicht großformatig gewordene Goldschmiedekunst gestaitet wird,
eine besondere Affinität zum Thema des toten Gekreuzigten hätten.
Bei aller Plastizität des Corpus sind es nicht aktiv plastisch
sich voi?wölbende Pormen, sondern weiche, herabf ließende und -sin-
kende Teile, aus denen der Leib zusammengesetzt ist. Alles, selbst
der sich kugelig vorwölbende Bauch, bleibt eigentümlich weich.

Auch dort, wo das Zerren des Leibes an den Armen besonders deut-
lich wird, nämlich an den Achselhöhlen, wirken die von den Armen
zur Brustmuskulatur überleitenden, herabführenden Muskeln eher
wie fließend. Hier ist an der rechten Seite die Seitenwunde ein-
geordnet. Die kleinteiliggratigen Schurzfalten verbergen die Run-
dung der Oberschenkel. Die Passivität der plastischen Form ist
vollkommen eins geworden mit dem Thema des toten Heilands.

Das Antlitz ist aus wenigen, einfachen Formen zusammengesetzt.
Der sanfte Schwung der Augenbrauenbögen, über denen sich die ho-
he Stirn breitet, leitet in die Nase über. Ganz geringe Wölbun-
gen bilden die Augenpartien, und nur bei ganz scharfem Licht wer-
den unter den Augen wie in den Nasen-Lippen-Furchen gratige For-
 
Annotationen