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wo sich in Byzanz der frontale Standtypus des toten Gekreuzigten
aus dem frühbyzantinischen Typ des lebenden Herrn am Kreuz heraus-
bildet. Daß man in Reims 830-850 schon diesen neuen byzantini-
schen Typus gekannt hat, ist unwahrscheinlich, da er erst nach dem
Abschluß des Bilderstreites 843 weitere Verbreitung gefunden hat.
Die römische Kunst des achten Jahrhunderts kannte ihn noch nicht.
So sind ungefähr gleichzeitig in Byzanz und im Abendland unabhän-
gig voneinandei? zwei ganz verschiedene Typen des toten Gekreuzig-
ten ausgebildet worden. Wenn auch unsicher bleiben muß, ob jene
Reimser Beispiele wirklich den toten Kruzifixus mit geschlossenen
Augen darstellen, so ist doch sicher, daß in ihnen erstmals ikono-
graphische Motive ausgebildet worden sind, die für den abendländi-
schen Typ des toten Gekreuzigten konstituierend werden sollten.

Wo liegen nun die Quellen des Gerokreuzes (Abb.1',17), jener er-

sten und vielleicht großartigsten ottonischen Darstellung des to-
1)

ten Gekreuzigten ? Im karolingischen Reims oder in Byzanz? Der
Monumentalkruzifixus isoliert die Darstellung des Gekreuzigten
aus dem Zusammenhang einer Szene. Das ikonographische Grundmotiv
des Gerokreuzes ist das Hängen des toten Gekreuzigten, ein Hängen,
das die Arme straff herabzieht und den Leib nach links sacken
läßt. Die Finger sinken herab. Das Haupt ist nach vorn auf die
Brust gesunken. Diese Motive stimmen mit den Reimser Kruzifixbil-
dern der Zeit von 83U bis 850 so überein, daß man ihre Herkunft
von dorther annehmen darf. Auch im Stilistischen weist einiges
auf Reims, so besonders die Formung der Muskulatur, die sich am
ehesten mit der im Gebetbuch Karls des Kahlen (Abb.102) verglei-
chen läßt. Keine karolingischen Vorlagen finden sich für das kon-
trapostische Motiv der Beine und für den Schurz. Sollte Gero
nicht auch für das große Kreuz von seiner Reise nach Byzanz 97"!
Anregungen oder gar Vorlagen mitgebracht haben? Das aufrechte
Stehen des toten Gekreuzigten auf den Elfenbeinen der Romanos- und
der Triptychongruppe (Abb.138-141,144) hat auf das Gerokreuz offen-
bar nicht eingewirkt. Auch die orantenartige Armhaltung des Kruzi-
fixus der "malerischen Gruppe" (Abb.142) widerspricht gerade in dem
"aktiveren" Ausbreiten der Arme vor dem Kreuz dem Herabziehen der
Arme am Gerokreuz. Doch auf dem gleichen Elfenbein (Abb.142) sind
 
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