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Das Bild des Kaisers im Kreuz ist in mittelbyzantinischer Zeit
nur im zehnten Jahrhundert belegt, und zwar auf drei Münzprägungen
und einem Elfenbein. In der ottonischen und frühsalischen Kaiser-
ikonographie kommt es auch vor. Humbert hätte also erstens gegen
einen auch im Abendland vorkommenden Bildtypus Protest erhoben
und zweitens gleichzeitig eine in Byzanz in der Mitte des elften
Jahrhunderts bereits unaktuell gewordene, zudem auch früher sel-
tene Darstellung angegriffen. Antikaiserliche Polemik wäre bei
Humbert vielleicht denkbar, doch darf wohl angenommen werden,
schon aus dem Kontext heraus, daß Humbert gegen einen geläufigen,
oft vorkommenden Bildtyp kämpft. Auch Wessels Deutung, die dem
Literalsinn des Satzes vielleicht am ehesten gerecht wird, muß
also zweifelhaft bleiben.

Grondijs hat dieser Äußerung Humberts ausführliche Darlegung-
11)

gen gewidmet . Er bezieht Humberts Angriff auf den mittelbyzan-
tinischen Typ des toten Gekreuzigten. Nach Grondijs greift Hum-
bert die im Abendland unbekannte und damals auch in Byzanz neue
Darstellung des toten Kruzifixus an. Beide Voraussetzungen sind,
wie wir gesehen haben, falsch. Was hätte der Kardinal für einen
Grund gehabt, die Tatsache, daß Ghristus am Kreuz tot dargestellt
wird, zu beanstanden, wo das im Abendland genauso geläufig war?

-» Außerdem muß man dabei das moriturus sinngemäß ändern zu moriens
oder gar mortuus.

Die Auseinandersetzungen von 1054- beschäftigen sich hauptsäch-
lich mit Fragen der Meßliturgie, Dingen, an denen die Unterschie-
de zwischen Ost- und Westkirche beim täglichen Vollzug des Meß-
opfers deutlich werden. Auch die Reihe der Vorwürfe Humberts, in
denen die Stelle über die Kruzifixdarstellung steht, bezieht

sich auf wohlbekannte Bräuche der byzantinischen Liturgie, die

12)

allerdings teilweise böswillig mißverstanden worden sind . So
wird man kaum annehmen können, Humberts oben zitierter Satz be-
zöge sich auf einen Brauch oder eine Darstellung, von der wir
sonst gar nichts wissen. Sollte sich eein Angriff doch gegen
die mittelbyzantinische Darstellung des toten Gekreuzigten rich-
ten? Unsere Beobachtungen über die Ablehnung bzw. weitgehende
Umprägung des mittelbyzantinischen toten Kruzifixus im Abendland
 
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