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Universität Heidelberg [Editor]
Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Sommer-Halbjahr 1897 — Heidelberg, 1896-1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.25133#0046
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1897

Heidelberger Akademische Mitteilungen

Nr. 10

* Aus der Studentenschaft. Nach Beschluss des o. Y. C.
an Pflngsten d. J. zu Gotha, führt fortan der Y. C. die Be-
zeichnung „Verband der Turnerschaften auf deutschen Hoch-
schulen.“ Die heiden hiesiegen V. C. Korporationen „Ghi-
bellinia“ und „Rhenopalatia“ nennen sich demnach jetzt
„Turnerschaft“.

Das VIII. Turnfest des Y. C. zu (lotlia.

(Auszug aus der Gothaisehen Zeitung.)

(Fortsetzung.)

Nicht so günstig wie beim allgemeinen Turnen war das
Wetter am Mittwoch, den 9. Juni, an dem die Turnspiele
stattfinden sollten; und gerade dieser Teil des Festes wurde
von der Bevölkerung Gothas noch mit grosser Spannung er-
wartet. Kaum waren die bei den Turnspielen Mitwirkenden
angetreten, als auch bald wieder die üngunst des Himmels
zum Abbrechen derselben zwang. Ebenso musste der Fest-
zug auf nachmittags 6 Uhr verlegt werden. — Nur einen
Bruchteil der beim Festmahl vom Vorsitzenden des Stadt-
verordneten-Kollegiums gehaltenen Rede können wir leider
hier erwähnen. Nach kurzer Erwiderung auf die Dankes-
worte eines Alten Herrn des V. C. für die überaus reiche
Gastfreundschaft der schönen Stadt Gotha führte der Vor-
sitzende folgendes aus: „Meine Herren! Man sprach Ihnen
von den Sympatien, die Sie bei uns gefunden, schon als die
erste Nachricht hier eintraf, dass Sie unsere Stadt zum Fest-
ort gewählt bätten. Dem ist in der That so! Sie waren
uns willkommen, wie uns ein Gast von Geist und Bildung
allzeit willkommen ist. Wir ehrten Ihre Bestrebungen, denn
wir wussten, dass die Sache der Turnerei, die bei uns seit
lange in grossem Ansehen steht, eine mächtige Förderung
erfährt, ja einer neuen Blüte entgegengeht, wenn die aka-
demische Jugend, auch hier allem Volke ein Vorbild, sie als
ein organisches Glied in den Kreis ihrer Bethätigung zieht.
Endlich freuten wir uns Ihres Kommens, weil es allezeit ein
erquickendes Schauspiel ist, eine frohgemute Jugend, ver-
einigt durch ein gemeinsames holies Ziel, eng aneinander ge-
schlossen durcli eine Freundschaft für das Leben, ein wahrer
Bund von Brüdern, in veredelter, gehobener Geselligkeit sich
ergehen und ausleben zu sehen. Das alles wussten wir, und
darum haben Ihnen unsere Herzen von Anfang an entgegen
geschlagen. Nun aber, da Ihr Werk gethan ist und das Fest
sich dem Ende zuneigt, lassen Sie mich es Ihnen aussprechen,
zugleich im Namen der ganzen Bürgerschaft, deren Zustim-
mung ich sicher bin, dass unsere Erwartungen weit über-
troffen worden sind durch das, was diese Tage uns von Ihrem
Thun gezeigt haben. Unvergessen bleibt uns das schöne
farbenprächtige Bild der gestrigen Tafelrunde, unvergessen
haften in uns die goldnen Worte, mit denen uns Ilire Redner
in Ihre Gedankenkreise einfiihrten. Mehr noch als die theo-
retische Würdigung Ihrer Prinzipien hat der Anblick Ihrer
Arbeit auf dern Turnplatze in unserer Bevölkerung Sinn und
Verständnis für Ilire Bestrebungen erschlossen. War es auch
vielen von uns nicht vergönnt, selbst Zeugen Ihrer Leistungen
zu sein, so haben doch die übereinstimmenden Berichte über
dieselben uns in der Ueberzeugung befestigt, dass es Ihnen
hoher Ernst ist mit Ihrer Sache, dass das Turnen Ilmen
nicht ein leeres Spiel, ein Zeitvertreib wie andere mehr ist,
dass Sie, allen Künsteleien abgewendet, es als ein Mittel zu
höherem Zweck pflegen und ausbilden — als ein Mittel, den
Körper gesund zu erhalten, damit eine gesunde Seele in ihm
wohne, damit Mut und Selbstvertrauen in Ihnen wachse, der
Wille gestärkt und der Charakter gefestigt, und — nur auf
sich gestellt — von fremden, nicht seinem eigenen Gesetz
gemässen Impulsen unabhängig gemacht werde.

(Schluss folgt.)

Spreclisaal.

Ohne Verantwortung der Schriftleitung.

Zuschriften ohne Namensangabe werden nicht berücksichtigt. Die Namen der Ein-
sender hält die Schriftleitung - natürlioh geheim.

Motto: Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.

Auf den Artibel im Sprechsaal in Nr. S der „Akademischen Mit-
teilungen“ erlaube ich mir Folgendes zu bemerken:

Wohl mancher Kommilitone wird den' Artikel im Sprechsaal in
Nr. 7 der „Akademischen Mitteilungen“: Zahnärztiiches Institut, ge-
lesen haben, ohne völlig mit dem Yerfasser einverstanden zu sein. Wie
man aber auch über den Reformvorschlag denken mochte, so muss
man doch gewiss den ruhigen sachlichen Ton des Einsenders aner-
kennen, der die redliche Absicht hat, einen Missstand zu bessern. Das
Verdienst, den eigentümlichen Ton in Nr. 8 angeschlagen zu haben,
gebührt einer unbekannten Grösse X. Betrachtet man die Entgegnung —
Anrempelung ist besser — in Nr. 8, so finden wir von dieser ruhigen
Objektivität keine Spur. Da X in die Akademischen Mitteilungen schreibt,
sollte man in ihm einen Kommilitonen vermuten . . . Form und Inhalt
der Entgegnung sprechen allerdings ganz entschieden gegen diese An-
nahme. X scheint der Ansicht zu sein, die erste Einsendung sei nur
erfolgt, um ihm Gelegenheit zu geben, den Sprechsaal in eine Klatsch-
und Zank-Ecke umzugestalten. Da das Blatt allen Studierenden und
Professoren zugestellt wird, von denen wohl mancher die Antwort des
X gelesen hat, so glaube ich, dass wir uns in einem solchen Blatt ganz
energisch gegen den populären Ton verwahren dürfen, den X da anzu-
schlagen beliebt, und wenn ich ihm so schroff entgegentrete, so hat er
den Grund sich selbst zuzuschreiben: meine Gründe glaube ich oben
und im Motto dargelegt zu haben. —

X zeigt keine Spur von Objektivität; kein Gedanke daran, dass
der erste Einsender die Absicht haben kann, etwas zu bessern: irgend
etwas ist dem X unbequem, und blindlings, wie der Stier, stösst er
wütend zu: blinder Eifer, Gift und Galle, und die Absicht, zu belei-
digen. Es muss auch solche Käuze geben, heisst es irgendwo: nur
sollten sie in ihren Schlupfwinkeln bleiben! X schaff't sich Gestalten,
mit denen er sich lustig und froh prügelt. Er spricht vom hochwohl-
geborenen Herrn Verfasser — ob dieser hochwohlgeboren ist, weiss ich
nicht, aber höher seiner Gesinnung nach als X ist er gewiss! — er
löst die schwierigsten Fragen mit spielender Leichtigkeit — übrigens
ist hier die einzige Stelle, wo er den Philosophen markiert — und
hier passiert ihm ein kleines Missgeschick, das so recht seine Absicht
und Motive ins rechte Licht stellt. Er sagt: Standesunterschied ist

ein Unsinn —.„Herren“ . . . Aus diesem Plural springt

einem der Neidteufel des X geradezu in die Augen: man merkt ihm
ordentlich die Absicht an, wie er eine ganze Klasse vernichten möchte.
— Schon die Ueberschrift seiner Einsendung charakterisiert ihn: wie
käme es ihm vor, wenn ich mein scriptum etwa überschrieben hätte:
Die Mundtotmachung (Einrichtung des badischen Landrechts: gilt also
bei uns!) des modernen sozialistisch akademischen Thersites, oder so
ähnlich? Wenn X sich in Gesellschaft von Köchinnen, frechen Dienst-
mädchen, einiger Droschkenkutscher, Packträger u. s. w. wohl fühlt, die
man ja braucht, so wird ihn wohl niemand um seinen Geschmack be-
neiden: dass aber jeder diesen Geschmack haben soll, kann er nicht
verlangen. Sage mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du
bist. Ich glaube nicht, dass der erste Einsender sich gegen Metzger
und Bäcker — die kämen doch in dem von X beigezogenen Fall inbe-
tracht — gewendet hat, sondern gegen Dienstboten; fiir die giebts die
Dienstbotenkrankenkasse. Und wir sind Studenten, und für uns giebts
die Studentenkrankenkasse!

Den Eindruck, dass der erste Einsender ein auf seine Geldsäcke
pochender Mensch ist, habe ich auch durch den Artikel des X noch
nicht bekommen: mir kann X das leider nicht vorwerfen: trotzdem
trete ich mit voller Ueberzeugung auf die Seite des ersten Einsenders.
Mich belustigte in dem Artikel des X nur, wie er so siegesbewusst
und kampflustig gegen den ersten Einsender auftritt, den er vermutlich
ftir einen Studenten hält, und sich dann sanft-fromm-mild-demütig an
das hohe Kechtsgefühl des Herrn Dr. Jung mit der ergebensten Bitte
etc. wendet: warum so bescheiden? Gegen die Könige schimpfte Thersites
am liebsten! — Das war gegen die etwas ungeschliffene Form des
Artikels des X, und ich glaube, den kameradschaftlich nachsichtigen
Sinn, den er verrät, nach Verdienst mi( der Münze, die für ihn passt,
bezahlt zu haben. — Was den ersten Vorschlag betrifft, so meine ich,
man könnte vielleicht eine eigene Sprechstunde für Kommilitonen ein-
richten, das ginge wohl nicht für jeden Tag und brächte also wieder
Nachteile mit sich — oder ginge es doch? die Frage nach dem Vor-
tritt liesse sich d a n n sehr leicht regeln! — W. H.

Zahniirztliches Institut und Sfandeshewusstsein. Die Ent-
gegnung in vorvoriger Nummer hatan Schärfe im Ausdruck fast ersetzt,
was sie an geistigem Gehalt entbehren musste. Trotzdem sei darauf
in folgendem erwidert.

Der Satz: „Standesunterschied ist ein Unsinn“ mag wohl als
Schlagwort eines sozialdemokratischen Agitators seine Wirkung thun
oder etwa sich als Zukunftstraum eines jungen Fuchsen ganz gut aus-
nehmen, einem wissenschaftlich geschulten Publikum kann er nicht
 
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