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Akademische Mitteilungen für die Studierenden der Ruprecht-Karls-Universität zu Heidelberg: Sommer-Halbjahr 1897 — Heidelberg, 1896-1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.25133#0047
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Nr. 10

Heidelbekger Akademische Mitteilungen

1897

imponieren. Die verschiedene Achtung und Wertung der Stände bezw. I
die Aussicht zu einem höher geachteten Stand zu gelangen oder die
Furcht einen nur wenig angesehenen zu erreichen, ist eine Triebfeder
rastlosem Strebens und Arbeitens — eine Thatsache, die vom volks-
wirtschaftlichen Gesichtspunkt mit Freuden zu begrüssen ist. Aber
auch davon abgesehen ist wenig Aussicht vorhanden, dass im 20ten
Jahrhundert die in jener Entgegnung ausgesprochene Hotfnung erfüllt
wird; denn die Sache hat ihre Berechtigung in sich. Solange es ver-
schieden geachtete und geschätzte Fähigkeiten der einzelnen Individuen
gibt — und das wird stets der Fall sein — wird aucli der Stand,
welcher eine besondere Befähigung voraussetzt, ein besondere Ach-
tung geniessen und demgemäss behandelt werden. Er kann aber auch
füglich eine angemessene Behandlung von einem anständigen Menschen
verlangen; dies entspricht dem in jedem Menschen liegenden Aner-
kennungstrieb, und wer diesem oder vielmehr dem durch diesen Trieb
erzeugten Standesbewusstsein nicht gerecht wird, begeht offenbar eine
Taktlosigkeit. Also: Standesunterschied ist kein Unsinn.

Nun frägt es sich, ob es wirklich eine dem Stande angemessene
Behandlung ist, wenn man dem Studenten lediglich zusammen mit
Hausburschen, Mägden und Lehrlingen — aus diesen Ständen rekru-
tiert sich hauptsächlich das Publikum, welches sich an das zahnärzt-
liches Institut wendet — Gelegenheit gibt, den Yorteil der Kranken-
kasse auszunutzen. In Wirklichkeit wird sich sicheriich jeder gebildete
Stand für eine solche Zusammenstellung bedanken. Wenn sie das
Standesbewusstsein des Yerfassers der Entgegnung nicht verletzt, so
ist das seine Sache. Aber dann können wir ihm nur empfehlen,
schleunigst von dem billigen Mittagstisch in Berlin (soweit wir uns
recht erfnnern in der Rosenthalerstrasse) Gebrauch zu machen; der-
selbe witd verabreicht an „Hausierer, stellenlose Kaufleute, Handwerks-
burschen und Studenten“, wie es auf dem betr. Reklameschild heisst.
Kach seiner Auffassung des Standesbewusstseins miisste sich der Herr
in jener Gesellschaft äusserst wohl fuhlen! Nicht das zufällige Zu-
sammensein mit solchen Leuten, die man durchaus nicht ohne weiteres
zu verachten braucht, (die Anführungszeichen sollten keine Verachtung
ausdrücken) ist deprimierend, sondern das Bewusstsein, mit ihnen zu-
sammengeworfen und so gleichsam auf eine Stufe mit ihnen gestellt
zu werden. Welchen Studenten sollte das oben erwähnte Wirtshaus-
schild nicht beleidigen? Ganz genau ehenso liegt das Verhältnis in
der Zahnklinik. Der Student wird hier auch fast ausschliesslich mit
Leuten zusammengeworfen, zu denen er nicht passt, und man kann
billigerweise insbesondere von Kommilitonen verlangen, dass diesem
Uebelstande abgeholfen wird. Dass der Student nicht dazu da ist, um
als Versuchsobjekt zu dienen, liegt wohl auf der Hand. Ein besseres
Abhülfsmittel als das zuerst vorgeschlagene, wäre vielleicht die Fest-
setzun'f einer entsprechenden Zeit, innerhalb welcher nur Studenten
behandelt werden; dies hätte für das übrige Publikum nicht im gering-
sten etwas Verletzendes.

Der Verfasser der Entgegnung geniert sich nicht, um sicherer
die Erfüllung seiner Bitte zu erlangen, Herrn Dr. Jung mit seinem
„hohen Rechtsgefühl“ zu schmeicheln. Wenn ich von diesem „hohen
Rechtsgefühl“ üherzeugt bin, stelle ich es dem Herrn Dr. Jung anheim,
nach Darlegung des objektiven Thatbestandes das Richtige zu treffen,
suche ihn aber nic’nt durch eine „Bitte“ dazu zu bestimmen nach dieser
oder jener Richtigung hin zu entscheiden.

Zum Schlusse sei noch auf eine Einwendung aufmerksam gemacht,
die möglicherweise erhoben wird: diejenigen Studenten nämlich, welche
die Behandlung im zahnärztlichen Institut missfällt, könnten ja weg-
bleibeu. Aber dann würde die Vergiinstigung nur für Studenten be-
stehen, welchen das nötige Standesbewusstsein mangelt. Ob das an
massgebender Stelle beabsichtigt ist, dürfte zum mindesten zweifelhaft
sein.

Zaliniirztliches Institut betr. Das Heidelberger zahnärztliche
Institut ist zu Lehrzwecken gegrtindet worden und haben, wie auch
in andern Instituten der Medizinischen Fakultät, die Patienten für die
ihnen zuteil werdende unentgeltliche Behandlung ein Aequivalent natur-
gemäss dadurch zu bieten, dass sie sich als Demonstrationsobjekt und
unter der Aufsicht des Leiters in gewissen Fällen als „Lehrmaterial“
oder „Lernobjekt“ hergehen, eine Gepflogenheit, die im Heidelberger
Publikum sehr wohl bekannt ist, „die aber selbst zahlungsfähige
Patienten aus der Stadt nicht abhält, sich den Händen der Praktikanten
anzuvertrauen. Was nun die Behandlung der Studierenden und der
Mitglieder des akadem. Krankenvereins anbelangt, so wäre es von der
Leitung desselben sehr angebracht, in dem Anschlag der betr. Be-
hanlung dem zahnärztlichen Institut etwas genauer sich auszudriicken.

Sofern nur unbemittelte Studenten kostenlos in der Zahnklinik
behandelt würden, so hätten sich dieselben in anbetracht der beschränk-
ten Räumlichkeiten nolens volens unter der misera plebs des Warte-
zimmers aufzuhalten und könnten auch nicht den Anspruch auf Bevor-
zugung in der Reihenfolge der zu Behändelnden machen. Sollten jedoch
sämtliche Mitglieder für die 1 Mk. 50 Pfg. Beitrag im hiesigen In-
stitut kostenfreie Zahnbehandlung geniessen, was zu bezweifeln wäre,
so ist es einesteils eine starke Zumutung an die Mitglieder, den Herren
Studierenden der Zahnheilkunde als Lehrobjekt ihre Gebisse zu reser-
vieren, andernteils aber, der billigste Weg, ohne Beitragserlxöhung den
Mitgliedern kostenlose Zahnbehandlung angedeihen zu lassen. In
letzterem Falle wäre es viel besser, den Beitrag zu erhöhen und mehrere
Zahnärzte zu bestimmen, in ersterem Falle aber halte ich es mit der
Noblese des einigermassen vermögenden Kommilitionen für unvereinbar,
eine nur den Unbemittelten zu Gut kommende Einrichtung „praktisch
auszunützen." —d.—

Der Leiter des Zalinärztliclien Iustitutes, Herr Dr. Jung, schreibt
uns unterm 29. Juni:

An die Schriftleitung der „Akademischen Mitteilungen“

hier.

Um der unwiirdigen Polemik in Sachen des Zahnärztlichen In-
stitutes ein Ende zu machen, ersuche ich um Aufnahme des Nach-
folgenden in kommender Nummer der Akademischen Mitteilungen.

Wenn der Herr Einsender des ersten Artikels wirklich
seiner Meinung nach Grund zur Beschwerde gehabt hätte,
so wäre es wohl der richtigere Weg gewesen, diesbezüglich
bei mir vorstellig zu werden und nicht öffentlich eine An-
gelegenheit zur Sprache zu bringen, iiber die er absolut
falsch informiert war. Das Zahnärztliche Institut als
solches hat keinerlei Yertrag mit dem Akademischen Kranken-
verein und können somit per se für die Mitglieder dieses Ver-
eines auch keinerlei Bechte oder Vorrechte betreffs der Be-
handlung im Institut bestehen. Ich habe mich lediglich per-
sönlich bereit erklärt, Studierende im Institut kostenfrei zu
behandeln; hätte der Herr Einsender die einfachste Pflicht
der Höflichkeit erfüllt, sich in diesem Sinne nach mir (oder
meinem Assistenten) im Institut zu erkundigen, sich vorzu-
stellen und entsprechende Behandlung zu erbitten, so hätte
er Alles gehabt, was er in seinem Artikel wünscht oder füg-
licherweise wünschen kann. Ihm ein privates Warte- und
Behandlungszimmer zu offerieren erlauben allerdings die Mittel
des Institutes nicht.

Ich spreche die Erwartung aus, die Angelegenheit liier-
mit erledigt zu sehen*). Meiner Ansicht nach ist es der
Kommilitonen unwürdig, wenn sie sich, wie im letzten Ar-
tikel besonders betont, als Teil der Korporation fiihlen, irgend-
welche Institutionen des Ganzen in dieser Weise leichtfertig
in den Staub zu ziehen.

Dr. Jung,

Leiter des Institutes.

Yon anderen Hocliscliulen.

Würzbnrg. Geheimrat Professor Dr. v. Kölliker
feiert am 6. Juli seinen 80. Geburtstag und sein 50jähriges
Professorj ubiläum.

I)ie Züricber Universitiit zählt im Sommersemester
684 Studierende. Davon entfallen auf die theologische Fakul-
tät 23, auf die juristische 81 (4 Damen), auf die medizinische
312 (100 Damen), auf die philosophische 268 (37 Damen).

*) Wir teilen diese Ansicht und schliessen hiermit die Erörterung.

Schriftleitung.

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—;--* gegrilndet 1833 -I—

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