Nr. 7
Heidelberger Akademische Mitteilungen
1905
Dienstag, den 13. Juni bis Freitag, den 16. Juni tritt
der Verband der deutschen freien Studentenschaften in
Weimar zusammen.
Kommilitonen, welche sich für die freistudentische
Sache interessieren und eventuell die Vertretung Heidel-
bergs bei dem genannten Anlass mitübernehmen
wollen, werden aufgefordert, sich auf der Geschäftsstelle
(Auditorium XII) vormittags zwischen 11 und 12 Uhr
zu melden. Das präsidium der H. Fr. St.:
Leyendecker.
stärkung des Ultramontanismus hervorrufen würde. Die
Resolution Thorbeckes wurde hierauf mit
überwiegender Mehrheit angenommen.
Ferner wurde noch beschlossen dem zweiten Satz
des § 1 der Statuten der H. Fr. St. folgende Fassung
zu geben: Nichtinkorporierte sind solche Studierende,
welche zu keiner studentischen Korporation in offiziellem
Verhältnisse stehen.
Gegen 12 h. schloss der Vorsitzende die sehr an-
regend verlaufene Versammlung.
Abgekürztes Protokoll der 1. ordentlichen
Generalversammlung der H. Fr. St.
vom 3. Juni 1905.
Der I. Vorsitzende der H. Fr. St. eröffnete die Ver-
sammlung mit einigen einleitenden Worten, in denen er
zu reger Beteiligung an den Debatten aufforderte.
Das Wort zum Thema „Akademische Freiheit" er-
hielt zunächst Herr Thorbecke: Nach eingehendem
Referat über das Wesen der akademischen Freiheit, die
Stellung der Finkenschaft zu ihr sowie zu den konfes-
sionellen Verbindungen brachte Herr Thorbecke
nachfolgende Resolution ein. (Das Referat von
Herrn Thorbecke wird in den nächsten Num-
mern der Akademischen Mitteilungen er-
scheinen, sodass wir hier von einer eingehenderen
Darlegung absehen können.)
Die von ihm vorgelegte Resolution, die dem Ver-
bandstage der Freien Studentenschaften zu Weimar als
Antrag eingereicht werden soll, lautete:
„Die Freie Studentenschaft bekämpft es,
dass der junge Deutsche beim Eintritt in
das akademische Leben auf eine bestimmte
politische und religiöse Ueberzeugung ver-
pflichtet wird. Sie verwirft es prinzipiell,
dass im Vordergrund des studentischen Le-
bens Fragen politischen oder religiösen Cha-
rakters stehen. Darum ist sie Gegnerin aller
konfessionellen Verbindungen. Sie lehnt es aber
aufs entschiedenste ab, den Kampf gegen
diese Verbindungen auf eine dem Wesen der
Akademischen Freiheit widersprechende
Weise zu führen; denn sie sieht in ihr auch
das Recht der freien Meinungsäusserung
eines jeden Studenten und freies Koalitions-
recht. Die Studentenschaft verwirft es, ihrem
obersten Gesetze folgend, das Achtung vor
jeder ehrlichen Ueberzeugung und Gleich-
berechtigung aller Kommilitonen verlangt,
die konfessionellen Verbindungen mit den Mitteln
äusserer Gewalt zu unterdrücken."
Gegen Ausführungen und Resolution des Herrn
Thorbecke wandte sich Herr Ruge, indem er erklärte,
dass die katholischen Verbindungen antinational seien.
Er sei also schroffer Gegner dieser Verbindungen und
verlange ihre scharfe Bekämpfung, eventuell auch durch
Boykott von Seiten der übrigen Studentenschaft. Die
rein theoretische Gegnerschaft des Herrn Thorbecke
genüge ihm nicht. Er machte dann auch noch einige
Vorschläge für die anderweitige Tätigkeit der Heidel-
berger Freien Studentenschaft, indem er auf das Bei-
spiel der Züricher Freien Studentenschaft hinwies.
Gegen seine Ausführungen wandten sich äusser
Herrn Thorbecke, die Herren Leser, Peter, Dresdner,
Cohn und Schumacher. Besonders wurde noch betont,
dass die Art der Bekämpfung, wie sie die Burschen-
schaften wünschen, keine Schwächung, sondern eine Ver-
Sozialwissenscliaftliche Abteilung.
Am Donnerstag, den 25. Mai, hielt Herr stud. cam.
Dresdner einen Vortrag über „Studentische Elemen-
tarkurse für Arbeiter". In dem ersten Teile seiner Aus-
führungen schilderte er die Entstehung und Verbreitung
solcher Kurse in fremden Ländern und ging auf die Lon-
doner „Toynbee-Hall" und vor allem auf die dänischen
Kurse ein, die der „Studentenbund" in Kopenhagen ein-
gerichtet hat. In diesen Kursen werden jährlich gegen
2000 Arbeiter und Arbeiterinnen unterrichtet. Nachdem
der Vortragende noch ähnliche Einrichtungen in Schwe-
den und Frankreich erwähnt hatte, ging er näher auf
die Charlottenburger und Berliner Kurse ein, an denen
er selbst teilgenommen hat. Er beschrieb die Schwie-
rigkeiten, mit denen die Kommission dort zu kämpfen
hatte, um ein geeignetes Lokal zu erhalten — schliess-
lich überliess ihr der Verein für ethische Kultur ein
solches —, und schilderte die über alles Erwarten hin-
ausgehenden Erfolge ihrer Tätigkeit. Schon im ersten
Semester beteiligten sich über 300 Arbeiter an den
Kursen. Nachdem der Vortragende noch deren Organi-
sation auseinandergesetzt hatte, schloss er mit einem
Appell an die Anwesenden, auch hier solche Kurse ein-
zurichten. In der Diskussion wurden die Möglichkeiten
und Aussichten eines derartigen Unternehmens ausgiebig
erörtert und schliesslich eine Kommission gebildet, die
sich mit der Sache eingehender beschäftigen soll. [In-
teressenten seien auf die Veröffentlichungen der Com-
meniusgesellschaft über das Thema aufmerksam gemacht.]
Arbeitsamt.
Das Arbeitsamt beabsichtigt, Studierenden der hie-
sigen Universität lohnende Beschäftigung nachzuweisen,
wie Unterrichtsstunden, Uebersetzungen u. a. m. Ferner
soll der Austausch fremdsprachlicher Konversation mit
Engländern, Franzosen u. s. w. vermittelt werden, und
schliesslich wird auch ein Stellennachweis nach vollen-
detem Studium für Aerzte, Chemiker, Apotheker u. s. w.
angestrebt. Die Einrichtung eines Arbeitsamtes hat sich
in verschiedenen Universitätsstädten Deutschlands so
vorzüglich bewährt, dass wir hoffen, auch die hiesige
Studentenschaft möge die Vorteile erkennen und be-
nützen, die ihr bei reger Beteiligung aus unserm Arbeits-
amt erwachsen können. Wir ersuchen daher alle Kom-
militonen, welche die Absicht haben, sich unseres Arbeits-
amtes zu bedienen, ihre Angebote, Gesuche oder son-
stige Anfragen mit deutlicher Adressenangabe und der
Aufschrift Arbeitsamt in unserer Geschäftsstelle
(Auditorium 12 Universität) abzugeben oder in den dort
angebrachten Briefkasten zu legen. Beizufügen ist die
genaue Angabe, wie lange innerhalb des Semesters das
betreffende Angebot oder Gesuch gelten soll. Solche
werden ohne Namensnennung an den schwarzen Brettern
der Lehrgebäude der Ruperto-Carola und in den „Aka-
demischen Mitteilungen" bis zum Schluss des laufenden
Semesters veröffentlicht.
Heidelberger Akademische Mitteilungen
1905
Dienstag, den 13. Juni bis Freitag, den 16. Juni tritt
der Verband der deutschen freien Studentenschaften in
Weimar zusammen.
Kommilitonen, welche sich für die freistudentische
Sache interessieren und eventuell die Vertretung Heidel-
bergs bei dem genannten Anlass mitübernehmen
wollen, werden aufgefordert, sich auf der Geschäftsstelle
(Auditorium XII) vormittags zwischen 11 und 12 Uhr
zu melden. Das präsidium der H. Fr. St.:
Leyendecker.
stärkung des Ultramontanismus hervorrufen würde. Die
Resolution Thorbeckes wurde hierauf mit
überwiegender Mehrheit angenommen.
Ferner wurde noch beschlossen dem zweiten Satz
des § 1 der Statuten der H. Fr. St. folgende Fassung
zu geben: Nichtinkorporierte sind solche Studierende,
welche zu keiner studentischen Korporation in offiziellem
Verhältnisse stehen.
Gegen 12 h. schloss der Vorsitzende die sehr an-
regend verlaufene Versammlung.
Abgekürztes Protokoll der 1. ordentlichen
Generalversammlung der H. Fr. St.
vom 3. Juni 1905.
Der I. Vorsitzende der H. Fr. St. eröffnete die Ver-
sammlung mit einigen einleitenden Worten, in denen er
zu reger Beteiligung an den Debatten aufforderte.
Das Wort zum Thema „Akademische Freiheit" er-
hielt zunächst Herr Thorbecke: Nach eingehendem
Referat über das Wesen der akademischen Freiheit, die
Stellung der Finkenschaft zu ihr sowie zu den konfes-
sionellen Verbindungen brachte Herr Thorbecke
nachfolgende Resolution ein. (Das Referat von
Herrn Thorbecke wird in den nächsten Num-
mern der Akademischen Mitteilungen er-
scheinen, sodass wir hier von einer eingehenderen
Darlegung absehen können.)
Die von ihm vorgelegte Resolution, die dem Ver-
bandstage der Freien Studentenschaften zu Weimar als
Antrag eingereicht werden soll, lautete:
„Die Freie Studentenschaft bekämpft es,
dass der junge Deutsche beim Eintritt in
das akademische Leben auf eine bestimmte
politische und religiöse Ueberzeugung ver-
pflichtet wird. Sie verwirft es prinzipiell,
dass im Vordergrund des studentischen Le-
bens Fragen politischen oder religiösen Cha-
rakters stehen. Darum ist sie Gegnerin aller
konfessionellen Verbindungen. Sie lehnt es aber
aufs entschiedenste ab, den Kampf gegen
diese Verbindungen auf eine dem Wesen der
Akademischen Freiheit widersprechende
Weise zu führen; denn sie sieht in ihr auch
das Recht der freien Meinungsäusserung
eines jeden Studenten und freies Koalitions-
recht. Die Studentenschaft verwirft es, ihrem
obersten Gesetze folgend, das Achtung vor
jeder ehrlichen Ueberzeugung und Gleich-
berechtigung aller Kommilitonen verlangt,
die konfessionellen Verbindungen mit den Mitteln
äusserer Gewalt zu unterdrücken."
Gegen Ausführungen und Resolution des Herrn
Thorbecke wandte sich Herr Ruge, indem er erklärte,
dass die katholischen Verbindungen antinational seien.
Er sei also schroffer Gegner dieser Verbindungen und
verlange ihre scharfe Bekämpfung, eventuell auch durch
Boykott von Seiten der übrigen Studentenschaft. Die
rein theoretische Gegnerschaft des Herrn Thorbecke
genüge ihm nicht. Er machte dann auch noch einige
Vorschläge für die anderweitige Tätigkeit der Heidel-
berger Freien Studentenschaft, indem er auf das Bei-
spiel der Züricher Freien Studentenschaft hinwies.
Gegen seine Ausführungen wandten sich äusser
Herrn Thorbecke, die Herren Leser, Peter, Dresdner,
Cohn und Schumacher. Besonders wurde noch betont,
dass die Art der Bekämpfung, wie sie die Burschen-
schaften wünschen, keine Schwächung, sondern eine Ver-
Sozialwissenscliaftliche Abteilung.
Am Donnerstag, den 25. Mai, hielt Herr stud. cam.
Dresdner einen Vortrag über „Studentische Elemen-
tarkurse für Arbeiter". In dem ersten Teile seiner Aus-
führungen schilderte er die Entstehung und Verbreitung
solcher Kurse in fremden Ländern und ging auf die Lon-
doner „Toynbee-Hall" und vor allem auf die dänischen
Kurse ein, die der „Studentenbund" in Kopenhagen ein-
gerichtet hat. In diesen Kursen werden jährlich gegen
2000 Arbeiter und Arbeiterinnen unterrichtet. Nachdem
der Vortragende noch ähnliche Einrichtungen in Schwe-
den und Frankreich erwähnt hatte, ging er näher auf
die Charlottenburger und Berliner Kurse ein, an denen
er selbst teilgenommen hat. Er beschrieb die Schwie-
rigkeiten, mit denen die Kommission dort zu kämpfen
hatte, um ein geeignetes Lokal zu erhalten — schliess-
lich überliess ihr der Verein für ethische Kultur ein
solches —, und schilderte die über alles Erwarten hin-
ausgehenden Erfolge ihrer Tätigkeit. Schon im ersten
Semester beteiligten sich über 300 Arbeiter an den
Kursen. Nachdem der Vortragende noch deren Organi-
sation auseinandergesetzt hatte, schloss er mit einem
Appell an die Anwesenden, auch hier solche Kurse ein-
zurichten. In der Diskussion wurden die Möglichkeiten
und Aussichten eines derartigen Unternehmens ausgiebig
erörtert und schliesslich eine Kommission gebildet, die
sich mit der Sache eingehender beschäftigen soll. [In-
teressenten seien auf die Veröffentlichungen der Com-
meniusgesellschaft über das Thema aufmerksam gemacht.]
Arbeitsamt.
Das Arbeitsamt beabsichtigt, Studierenden der hie-
sigen Universität lohnende Beschäftigung nachzuweisen,
wie Unterrichtsstunden, Uebersetzungen u. a. m. Ferner
soll der Austausch fremdsprachlicher Konversation mit
Engländern, Franzosen u. s. w. vermittelt werden, und
schliesslich wird auch ein Stellennachweis nach vollen-
detem Studium für Aerzte, Chemiker, Apotheker u. s. w.
angestrebt. Die Einrichtung eines Arbeitsamtes hat sich
in verschiedenen Universitätsstädten Deutschlands so
vorzüglich bewährt, dass wir hoffen, auch die hiesige
Studentenschaft möge die Vorteile erkennen und be-
nützen, die ihr bei reger Beteiligung aus unserm Arbeits-
amt erwachsen können. Wir ersuchen daher alle Kom-
militonen, welche die Absicht haben, sich unseres Arbeits-
amtes zu bedienen, ihre Angebote, Gesuche oder son-
stige Anfragen mit deutlicher Adressenangabe und der
Aufschrift Arbeitsamt in unserer Geschäftsstelle
(Auditorium 12 Universität) abzugeben oder in den dort
angebrachten Briefkasten zu legen. Beizufügen ist die
genaue Angabe, wie lange innerhalb des Semesters das
betreffende Angebot oder Gesuch gelten soll. Solche
werden ohne Namensnennung an den schwarzen Brettern
der Lehrgebäude der Ruperto-Carola und in den „Aka-
demischen Mitteilungen" bis zum Schluss des laufenden
Semesters veröffentlicht.