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Demosthcms Opera cd. Voeinel.
G. Hermannum p. 35 fF. aufs bestimmteste ausgesprochen ist, sehen
wir den Herausgeber dieses Textes, weicher durchaus unabhängig
von der Züricher Ausgabe, und ohne diese zu kennen, arbeitete,
einer minder strengen Ansicht huldigen, die es, in Erwägung so
mancher andern Gründe und Verhältnisse immerhin bedenklich fin-
det, in Allem ganz unbedingt der Autorität jener Handschrift zu
folgen. Er will zwar gerne dieser Handschrift so lange folgen,
als Sinn und Sprache dies nur immer zulassen, und w’as die be-
kannten öfteren Auslassungen dieser Handschrift betrifft, die nach
der strengeren Ansicht nun auch alle aus dem Texte des Demost-
henes, im Widerspruch mit der Autorität der übrigen Codd.
schwinden müssen, so trägt Herr Vömel Bedenken, so weit zu
gehen; er verlässt darum diese Handsehrift in den Fällen, wo sie
allein Etw'as auslässt, was die andern Codd. sämmtlich bringen,
oder was durch Citate späterer Zeiten belegt ist. Und in gleicher
Weise verfährt er auch hinsichtlich der verschiedenen, in den
Handschriften des Demosthenes vorkommenden Formen; hier folgt
er gleichfalls in der Regel zwar der in dem Codex Σ vorkom-
menden Form, ausser wo die Uebereinstimmung der übrigen Hand-
schriften ihn znr Annahme verschiedener Formen und daraus auch
za Beibehaltung derselben im Texte veranlasst hat. Wenn ein
solches Verfahren allerdings dem Scheine eines Mangels an Con-
sequenz in fester Durchführung eines kritischen Princips nicht
entgehen kann, so wird man doch auf der andern Seite sich auch
nicht das Gewaltsame verhehlen, das in dem entgegengesetzten
Verfahren liegt, das, in seiner ausschliesslichen Strenge durchge-
führt, leicht in das Entgegengesetzte Umschlagen und zu einer
willkührlicben Gestaltung des Textes da führen kann, wo zuvör-
derst die Frage zur Sprache gebracht werden musste, ob denn
wirklich nur eine und dieselbe Form gleichmässig und überall von
dem Redner angewendet worden, Derselbe mithin auf die Anwen-
dung verschiedener, im Sprachgebrauch eingeführten Formen durch-
aus verzichtet. Wird eine unbedingte Gleichheit aller Formen an-
zunehmen, und diese demnach in allen hierher einschlägigen Fäl-
len vom Kritiker, nach Anleitung des Codex Σ, aber im Wider-
spruch mit allen andern Codd. berzustellen seyn? Bei andern
Schriftststellern kommen ähnliche Fälle vor, wir wollen nur Plu-
tarcb oder den ungleich älteren Herodot nennen; hier hat man,
überzeugt von der Unmöglichkeit, eine völlige Gleichheit in allen
einzelnen Formen herzustellen, ohne ein ganz gewaltsames und
Demosthcms Opera cd. Voeinel.
G. Hermannum p. 35 fF. aufs bestimmteste ausgesprochen ist, sehen
wir den Herausgeber dieses Textes, weicher durchaus unabhängig
von der Züricher Ausgabe, und ohne diese zu kennen, arbeitete,
einer minder strengen Ansicht huldigen, die es, in Erwägung so
mancher andern Gründe und Verhältnisse immerhin bedenklich fin-
det, in Allem ganz unbedingt der Autorität jener Handschrift zu
folgen. Er will zwar gerne dieser Handschrift so lange folgen,
als Sinn und Sprache dies nur immer zulassen, und w’as die be-
kannten öfteren Auslassungen dieser Handschrift betrifft, die nach
der strengeren Ansicht nun auch alle aus dem Texte des Demost-
henes, im Widerspruch mit der Autorität der übrigen Codd.
schwinden müssen, so trägt Herr Vömel Bedenken, so weit zu
gehen; er verlässt darum diese Handsehrift in den Fällen, wo sie
allein Etw'as auslässt, was die andern Codd. sämmtlich bringen,
oder was durch Citate späterer Zeiten belegt ist. Und in gleicher
Weise verfährt er auch hinsichtlich der verschiedenen, in den
Handschriften des Demosthenes vorkommenden Formen; hier folgt
er gleichfalls in der Regel zwar der in dem Codex Σ vorkom-
menden Form, ausser wo die Uebereinstimmung der übrigen Hand-
schriften ihn znr Annahme verschiedener Formen und daraus auch
za Beibehaltung derselben im Texte veranlasst hat. Wenn ein
solches Verfahren allerdings dem Scheine eines Mangels an Con-
sequenz in fester Durchführung eines kritischen Princips nicht
entgehen kann, so wird man doch auf der andern Seite sich auch
nicht das Gewaltsame verhehlen, das in dem entgegengesetzten
Verfahren liegt, das, in seiner ausschliesslichen Strenge durchge-
führt, leicht in das Entgegengesetzte Umschlagen und zu einer
willkührlicben Gestaltung des Textes da führen kann, wo zuvör-
derst die Frage zur Sprache gebracht werden musste, ob denn
wirklich nur eine und dieselbe Form gleichmässig und überall von
dem Redner angewendet worden, Derselbe mithin auf die Anwen-
dung verschiedener, im Sprachgebrauch eingeführten Formen durch-
aus verzichtet. Wird eine unbedingte Gleichheit aller Formen an-
zunehmen, und diese demnach in allen hierher einschlägigen Fäl-
len vom Kritiker, nach Anleitung des Codex Σ, aber im Wider-
spruch mit allen andern Codd. berzustellen seyn? Bei andern
Schriftststellern kommen ähnliche Fälle vor, wir wollen nur Plu-
tarcb oder den ungleich älteren Herodot nennen; hier hat man,
überzeugt von der Unmöglichkeit, eine völlige Gleichheit in allen
einzelnen Formen herzustellen, ohne ein ganz gewaltsames und