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Frere: Hindoo-Legends.

lieber Forschung willkommen sein muss. Im Gegensatz nämlich
zu der bei weitem grossem Mehrzahl ähnlicher Werke entstammt
sie der noch jetzt im Volksmunde lebenden Ueberlieferung, wodurch
da, wo sie mit der einheimischen schriftlichen Uebereinstimmendes
bietet, eine in mehrfacher Beziehung erspriessliche Vergleichung
ermöglicht wird, so wie andererseits das mit der allgemeinen
Märchenlitteratur Verwandte selbstverständlich nicht minderes In-
teresse erregt. Von dem Uebrigen d. h. von dem, was hier an
bisher unbekannten Erzählungen zum ersten Mal ans Licht tritt,
steht Manches dem eben Angeführten an Werth nicht nach oder
übertrifft es bisweilen noch ; indess lässt sich nicht läugnen, dass
Anderes wieder von geringerer Bedeutung ist. Auch die Einleitung
hätte verschiedenes enthalten können, was sie eben nicht enthält,
indem z. B. die Hinweisungen auf den eigentlichen Volksglauben in
Südindien im Gegensatz zu der braminischen Mythologie gar zu
kurz gefasst sind und bloss Verlangen erwecken mehr davon zu
erfahren. Belustigend ist übrigens daraus zu ersehen, dass noch
unlängst in dem Gouvernementshause zu Dapoorie in der Nähe von
Poona eine seit Jahren von Sergeant zu Sergeant unter den ein-
heimischen Soldaten ohne Wissen der europäischen Offiziere über-
lieferte Order bestand, vor jedem zu gewissen Stunden der Nacht
aus- oder eingehenden, oder vorüberlaufenden Hunde oder Katze,
Schakal oder Ziege das Gewehr zu präsentiren, weil es der Geist
(Bhoot) eines früheren Gouverneurs sein sollte, dessen man sich
noch mit vieler Liebe und Dankbarkeit erinnerte. Die auf die
Einleitung folgende »Apologie« des Sammlers enthält nichts Be-
sonderes , wogegen die von ihm mitgetheilte Autobiographie der
hinduischen Erzählerin (sie hiess Anna de Lonza und hatte lange
Jahre in dem Hause der Frere’schen Familie zu Poona als Bonne
gelebt) eine sehr willkommene, dankenswerthe Zugabe ist, indem
es einerseits überall nicht unwichtig erscheint über die äusseren und
inneren Verhältnisse solcher Personen, wo es angeht, Näheres zu
erfahren, dann auch in diesem speciellen Falle genannte Lebens-
beschreibung mancherlei anziehende Mittheilungen über das Volks-
leben in Südindien macht. In Betreff ihrer Grossmutter, von der
sie die Märchen in ihrer Jugend gehört, berichtet die Erzählerin,
dass sie zwar’ mit ihrem Manne in Goa zum Christenthum über-
getreten war, aber stets noch immer die Hindutempel respectirte;
auch wenn sie einen rothen Stein oder ein Bild Gunputti’s oder
eines andern Hindugottes sah, vor demselben niederkniete und
betete; denn sie pflegte zu sagen; »Vielleicht ist das doch nicht
so ganz ohne! (Maybe there’s something in it).« Anna de Lonza
befand sich, wie bereits bemerkt, zu Pooua, als sie die in der
Kindheit vernommenen Märchen wiedererzählte, ihre Familie aber,
und daher auch diese Märchen, stammten aus Calicut, von wo ihre
Grosseltern, die vor ihrer Bekehrung der Lingaetkaste angehörten,
weiter nach Norden ausgewandert waren. In Südindien also ist
 
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