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Dünger: Die Sage vom trojanischen Kriege.
und Assaracus als seine Vorfahren genannt (v. 570 ff.). »Doch
hiervon genug«, fährt Maerlant fort; »aus Homer*) und Dares
und Virgil wollen wir die Wahrheit hören.« Man lese über diese
Stelle ein Mehreres bei Jonkbloet II p. 397 nach. Sie ist durch-
aus merkwürdig. Wie kommt Maerlant, der die Erzählung des
Benoit der Fälschung zeiht, dazu, sich die Wahrheit aus Dares
holen zu wollen, während doch Dares gerade vom Verrath des
Aeneas spricht? Auch verdient wohl bemerkt zu werden, dass
Benoit eben hier anfängt, den Dictys als Quelle zu citiren. (From-
mann’s Auszüge in Pfeiffers Germania II p. 321 nro. 214.) Sollte
man nicht vermuthen, dass an der Erzählung vom Verrath des
Aeneas schon vor Maerlant Jemand Anstoss genommen und den
Schluss des Dares nach Virg. Aen. II umgearbeitet habe?
Hier müssen wir auf die oben berührte Frage, ob es einen
ausführlicheren Dares gegeben habe, zurückkommen. Es ist für
die Entscheidung dieser Frage von Bedeutung, dass Maerlant mit
ausdrücklicher Berufung auf Dares von zwei Kindern Hectors und
der Andromache spricht: Landoniaca und Astionaca (Blomm. I p.
27 v. 2277 ff.). Davon weiss der uns überlieferte Dares nichts.
Trotzdem darf nicht ein einfacher Irrthum Maerlants angenommen
werden, denn dieselbe Angabe, nachdem ebenfalls kurz zuvor Dares
als Quelle namhaft gemacht ist, hat auch Guido de Columna: An-
drometa uxor Hectoris de qua Hector jam sustulerat duos filios,
unum nomine Laomedontam et alium nomine Astionactam etc., —
gewiss eine sehr wohl zu erwägende Stelle.
Es ist hier natürlich nicht der Ort, das bisher Gesagte weiter
auszuführen. Wir müssen uns damit begnügen, Maerlants eigen-
thümliche Stellung und seine Eigenheiten anzudeuten und der ge-
bührenden Berücksichtigung zu empfehlen. Auch sind wir über-
zeugt, dass es nui’ dieses Hinweises bedarf um den Verfasser zu
veranlassen, bei einer neuen Auflage, die wir seiner Schrift von
Herzen wünschen, diese Lücke seines sonst trefflichen Büchleins
auszufüllen. —
Erlangen. Carl Schröder.
*) S. die Verbesserung des Blommaert’schen Textes bei Jonckbloet a.
a. 0. S. 397.
Dünger: Die Sage vom trojanischen Kriege.
und Assaracus als seine Vorfahren genannt (v. 570 ff.). »Doch
hiervon genug«, fährt Maerlant fort; »aus Homer*) und Dares
und Virgil wollen wir die Wahrheit hören.« Man lese über diese
Stelle ein Mehreres bei Jonkbloet II p. 397 nach. Sie ist durch-
aus merkwürdig. Wie kommt Maerlant, der die Erzählung des
Benoit der Fälschung zeiht, dazu, sich die Wahrheit aus Dares
holen zu wollen, während doch Dares gerade vom Verrath des
Aeneas spricht? Auch verdient wohl bemerkt zu werden, dass
Benoit eben hier anfängt, den Dictys als Quelle zu citiren. (From-
mann’s Auszüge in Pfeiffers Germania II p. 321 nro. 214.) Sollte
man nicht vermuthen, dass an der Erzählung vom Verrath des
Aeneas schon vor Maerlant Jemand Anstoss genommen und den
Schluss des Dares nach Virg. Aen. II umgearbeitet habe?
Hier müssen wir auf die oben berührte Frage, ob es einen
ausführlicheren Dares gegeben habe, zurückkommen. Es ist für
die Entscheidung dieser Frage von Bedeutung, dass Maerlant mit
ausdrücklicher Berufung auf Dares von zwei Kindern Hectors und
der Andromache spricht: Landoniaca und Astionaca (Blomm. I p.
27 v. 2277 ff.). Davon weiss der uns überlieferte Dares nichts.
Trotzdem darf nicht ein einfacher Irrthum Maerlants angenommen
werden, denn dieselbe Angabe, nachdem ebenfalls kurz zuvor Dares
als Quelle namhaft gemacht ist, hat auch Guido de Columna: An-
drometa uxor Hectoris de qua Hector jam sustulerat duos filios,
unum nomine Laomedontam et alium nomine Astionactam etc., —
gewiss eine sehr wohl zu erwägende Stelle.
Es ist hier natürlich nicht der Ort, das bisher Gesagte weiter
auszuführen. Wir müssen uns damit begnügen, Maerlants eigen-
thümliche Stellung und seine Eigenheiten anzudeuten und der ge-
bührenden Berücksichtigung zu empfehlen. Auch sind wir über-
zeugt, dass es nui’ dieses Hinweises bedarf um den Verfasser zu
veranlassen, bei einer neuen Auflage, die wir seiner Schrift von
Herzen wünschen, diese Lücke seines sonst trefflichen Büchleins
auszufüllen. —
Erlangen. Carl Schröder.
*) S. die Verbesserung des Blommaert’schen Textes bei Jonckbloet a.
a. 0. S. 397.