Zur Sprache des neuesten deutschen Schauspiels.
Von
Hermann Wunderlich.
II.
Im 2: Heft des dritten Jahrgangs haben wir das Prinzip der Spar-
samkeit in der Sprache des neueren Schauspiels am Verbum eingehend
betrachtet und die gewaltige Steigerung solcher Auslassungen des Ver-
bums gegenüber dem klassischen Drama aus zwei Wurzeln hervor-
wachsen sehen. Einmal hatte der engere Anschluss an die Sprache des
täglichen Lebens den Verbalellipsen, die dort zu beobachten sind, den
Zugangv zur Bühnensprache erleichtert, andererseits war zu beobachten,
dass auch unsere Sprache selbst in ihrer neueren Entwicklung energischer
auf die Ausstossung von Verbalformen drängt, namentlich wo diese einem
gewissen Verwitterungsprozess erlegen sind.
Wir können das Prinzip der Sparsamkeit aber auch in andere
Wortklassen als das Verbum übergreifen sehen, und auf solche Fälle
soll sich der Blick im Folgenden zunächst richten, um daran dann
einige Erscheinungen zu knüpfen, die unter das entgegengesetzte Prinzip
der Verschwendung fallen. Im Schauspiel wie überhaupt beim münd-
lichen Gebrauch entwickelt sich ja die Sprache aus bestimmten Situa-
tionen heraus und hier kann das Prinzip der Sparsamkeit insofern ein-
greifen, als eben diese Situation eine Reihe von sprachlichen Ausdrucks-
mitteln ersetzt. Namentlich der Affekt macht von solcher Kürze gern
Gebrauch, so schliesst z. B. in Max Halbes „Jugend“ eine besonders erregte
Scene (S. 101) mit den Worten: Und jetzt denk ich, trennen wir unsere
Wege! Sie dort (zeigt auf die Thür) und ich liier! Aber auch im
ruhigen leidenschaftslosen Tone der Konversation fallen gerne diejenigen
Bestandteile weg, die gewohnheitsmässig mit einer bestimmten Situation
verknüpft werden. In Halbes „Eisgang“ (S. 7), wo eine der täglich sich
wiederholenden Handreichungen dargestellt wird, können wir beobachten,
Von
Hermann Wunderlich.
II.
Im 2: Heft des dritten Jahrgangs haben wir das Prinzip der Spar-
samkeit in der Sprache des neueren Schauspiels am Verbum eingehend
betrachtet und die gewaltige Steigerung solcher Auslassungen des Ver-
bums gegenüber dem klassischen Drama aus zwei Wurzeln hervor-
wachsen sehen. Einmal hatte der engere Anschluss an die Sprache des
täglichen Lebens den Verbalellipsen, die dort zu beobachten sind, den
Zugangv zur Bühnensprache erleichtert, andererseits war zu beobachten,
dass auch unsere Sprache selbst in ihrer neueren Entwicklung energischer
auf die Ausstossung von Verbalformen drängt, namentlich wo diese einem
gewissen Verwitterungsprozess erlegen sind.
Wir können das Prinzip der Sparsamkeit aber auch in andere
Wortklassen als das Verbum übergreifen sehen, und auf solche Fälle
soll sich der Blick im Folgenden zunächst richten, um daran dann
einige Erscheinungen zu knüpfen, die unter das entgegengesetzte Prinzip
der Verschwendung fallen. Im Schauspiel wie überhaupt beim münd-
lichen Gebrauch entwickelt sich ja die Sprache aus bestimmten Situa-
tionen heraus und hier kann das Prinzip der Sparsamkeit insofern ein-
greifen, als eben diese Situation eine Reihe von sprachlichen Ausdrucks-
mitteln ersetzt. Namentlich der Affekt macht von solcher Kürze gern
Gebrauch, so schliesst z. B. in Max Halbes „Jugend“ eine besonders erregte
Scene (S. 101) mit den Worten: Und jetzt denk ich, trennen wir unsere
Wege! Sie dort (zeigt auf die Thür) und ich liier! Aber auch im
ruhigen leidenschaftslosen Tone der Konversation fallen gerne diejenigen
Bestandteile weg, die gewohnheitsmässig mit einer bestimmten Situation
verknüpft werden. In Halbes „Eisgang“ (S. 7), wo eine der täglich sich
wiederholenden Handreichungen dargestellt wird, können wir beobachten,