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Historisch-Philosophischer Verein <Heidelberg> [Hrsg.]
Neue Heidelberger Jahrbücher — 5.1895

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Heft 2
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Wille, Jakob: Pfalzgräfin Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orléans
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https://doi.org/10.11588/diglit.29062#0232
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J. Wille

sie fort: „Mich wundert, dass ein Soldat de fortune des Königs von
England Capitaine der Garden ist“ — hier eine uns unverständliche An-
deutung — „Most macht voller als Wein, der gute Pfälzer muss also
einen abscheulichen Rausch bekommen haben. Wenn man frisch und
gesund ist, wird man mit dem Alter eher dick als mager. Ihr sagt
nicht, wie unser Landsmann heisst, so erschrecklich Most und Wasser
gedrunken. Mich deucht alle Trompeter haben dicke Bäuch. Mich
deucht, wir Pfälzer haben das, wir lieben das Vaterland bis in den
Tod und geht uns nichts drüber“. Das sind Gedankensplitter scheinbar
ganz ohne Zusammenhang und doch in der lebendigen Denkweise der
Pfälzerin, die sich in die Heimat versetzt fühlt, verständlich: Das viele
Essen, das viele Trinken, der Most, der Wein, der dicke Trompeter,
die vaterlandsliebenden Pfälzer — das ist doch ganz national-pfälzisch
gedacht!

Ihre Briefe aber sind alle deutsch geschrieben in einer Umgebung,
in welcher nur selten ein heimathlicher Laut zu ihren Ohren dringt.
Mühsam ringt ihr Deutsch mit der Macht des Französischen. Sie selbst
sagt und ihre Briefe bezeugen es uns, dass viel französisch Schreiben,
das deutsch Schreiben ganz verdorben habe. Aber darum schreibt sie
deutsch, damit es ihr lebendig bleibt, „ich würde recht betrübt sein,
wenn ich es vergessen sollte.“ Darum ist sie stolz, dass Leibniz ihr
das Kompliment macht, dass sie noch gut deutsch schreibe. Sie be-
klagte es, dass auch die vornehme Gesellschaft ihrer Heimat so ganz
der fremden Sprache sich bedient: „Das kompt mir albern vor, dass
unsere gute Deutschen als französisch schreiben wollen, als wenn man
nicht auch deutsch schreiben könnte.“ „Wie kompts aber“, fragt sie
erstaunt, „dass dieser printz (Georg II. von Hannover) immer französisch
schreibt, redt man denn gar kein deutsch mehr in Deutschland?“

Aber nicht allein deutsch, auch pfälzisch reden zu uns diese Briefe,
insbesondere, wenn Liselotte sich der pfälzischen Heimat erinnert.
Sophie hat ihre neuhergerichteten Gemächer im Schlosse zu Hannover
beschrieben. „E. L. Gemächer,“ schreibt Liselotte darauf hin, „müssen
aus der Massen schön sein, wie Sie beschrieben, recht magnific, das
heisst auf gut pfälzisch, E. L. lassen sich nicht lumpen.“ Alle die
Kern- und Sinnsprüche ihrer guten Pfälzer, Volks- und Kinderlieder,
die wunderlichen Spott- und Kosenamen aus ihrem eigenen Familien-
kreise, wie sie frisch in ihrem Gedächtnis haften, streut sie mitten
hinein in die lebensvollen Erinnerungen ihrer glücklichen Jugendzeit.
Koch lange nicht genug sind darum ihre Briefe gewürdigt, auch als
 
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