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Brodersen, Kai; Kiesel, Helmuth [Hrsg.]; Dölling, Dieter [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Rausch — Berlin, Heidelberg [u.a.], 43.1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.4065#0007
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Jenseits von Eden

Eine Einführung in die Ideen- und Kulturgeschichte des Rauschs

von Helmuth Kiesel und Sandra Kluwe

,Rausch', nach dem Brockhaus ein „aufs höchste gesteigerter, meist als be-
glückend erlebter emotionaler Zustand",1 kann auf natürliche Weise entste-
hen: durch Erregungen physischer, ästhetischer oder religiöser Art; er kann
aber auch künstlich erzeugt werden: durch Drogen. Die Symptome der durch
Rauschmittel erzeugten psychedelischen' Zustände bestehen einerseits in in-
dividuell differierenden Wahrnehmungsstörungen (Verlust der raumzeitlichen
Orientierung, Einschränkung der Selbstkontrolle, Enthemmung), andererseits
in der Intensivierung und Multiplikation der Wahrnehmungen und Gefühle.

Wortgeschichtlich geht das Lexem .Rausch' zurück auf mhd. ,rusch' mit der
konkreten Bedeutung tauschende Bewegung, Anlauf, Angriff'.2 Die übertra-
gene Wortbedeutung /Trunkenheit' ist erst seit dem 16. Jahrhundert belegt;3
das Grimmsche Wörterbuch vermerkt, der uneigentliche Sinn gehe auf „eine
äuszerung des trinkerwitzes" zurück, „der die zahllosen abstufenden bezeich-
nungen für zustände der trunkenheit im deutschen geschaffen'1 habe, „sei es,
dasz sie an das rauschen im köpfe anknüpft, das sich in gewissen vorgerück-
ten stunden einzustellen pflegt, oder an die geräuschvolle lustigkeit der ze-
cher"? Eine abstufende Bezeichnung ist das Sem ,Rausch' insofern, als es
nicht die „sinnlose betrunkenheit nennt, sondern das angetrunkensein mit
blosz getrübtem bewusztsein", also die „halbe trunkenheit".5 Ist ,Trankenheit',
ob Volltrunkenheit oder Halbtrunkenheit, gegenüber der eigentlich-konkreten
Bedeutung von ,rusch', dem akustischen Rauschen bzw. der Akusto-Motorik
des Heranrauschens, ein Uneigentliches, so verliert sich dieser figurative Sinn

1 Brockhaus, Bd. 15,466.

Lexer, Mittelkochdeutsches Taschenwörterbuch, 174.
1 Vgl. Kluge, Etymologisches Wörterbuch, 670.

4 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 14, Sp. 303.

5 Ebd.
 
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