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Brodersen, Kai; Kiesel, Helmuth [Hrsg.]; Dölling, Dieter [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Rausch — Berlin, Heidelberg [u.a.], 43.1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.4065#0239
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Ästhetische Erfahrung als Rauschzustand

Überlegungen mit Rücksicht auf literarische Texte

in Orientierung an Kant und Nietzsche

von Horst-Jürgen Gerigk

I. Was heißt Rausch ?

„Rausch", so vermerkt Friedrich Kluges Etymologisches Wörterbuch der
deutschen Sprache (1963), sei eine „(leichte) Trunkenheit", rückgebildet aus
dem Zeitwort „rauschen" (mhd. rüschen, riuscheri). Angesprochen wird hier
also der Gehörsinn. Wer einen Rausch hat, der wird also offensichtlich durch
das, was er hört, auf sich selbst verwiesen; die Welt zieht sich zusammen auf
das, was da zu hören ist. Das Zeitwort ist, wie Friedrich Kluge feststellt, eine
„lautmalende Bildung".1

Der Rausch sorgt also offensichtlich dafür, daß derjenige, der ihn hat, für
anderes nur noch bedingt empfänglich ist. Der Rausch immunisiert gegen den
Andrang der Welt und schafft gleichzeitig für das Subjekt die Möglichkeit der
Entgrenzung innerhalb solcher Reduktion. Das Resultat sind die künstlichen
Paradiese, Paradiese nämlich, die durch den Rausch hergestellt werden.

Zwei Bedeutungen des Begriffs „Rausch" sind zu unterscheiden: eine ne-
gative und eine positive. In Gerhard Wahrigs Deutschem Wörterbuch (1997)
heißt es zu „Rausch": „meist mit Traurigkeit od. Heiterkeit verbundene Bene-
belung der Sinne als Folge von reichl. Alkoholgenuß". Dies wird als wörtliche
Bedeutung angegeben. Im übertragenen Sinne bedeute „Rausch": „überwälti-
gendes Glücksgefühl, überwältigende Begeisterung" mit den Beispielen
„Freudenrausch" und „Glücksrausch". Auch „Rausch der Leidenschaft" wird
angeführt.2

Kurz gesagt: der Rausch entführt den Menschen aus der Nüchternheit des
Alltags, aus der Nüchternheit der Normalität. Ganz offensichtlich ist grund-
sätzlich zu unterscheiden zwischen einem „toxisch" herbeigeführten Rausch

1 Kluge, Etymologisches Wörterbuch, 587.
" Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 1010.
 
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