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Brodersen, Kai; Kiesel, Helmuth [Hrsg.]; Dölling, Dieter [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Rausch — Berlin, Heidelberg [u.a.], 43.1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.4065#0192
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Wahnsinniger Rausch - Piaton über Manie und Eros
von Knut Eming

Einleitung

Für Piaton entsteht die Bejahung des Rauschs unter den Menschen aus ihrem
Streben nach Glück. Menschen wollen glücklich sein, sie wollen glückhafte
Zustände erlangen, weil sie diese als Zufriedenheit und Befriedigung erleben.
Piatons Kritik des Rauschs richtet sich gegen die Verwechslung von Glück
und Lust. Da es im Rausch kein Maß gibt, schlägt die angestrebte Lust in
Unlust um. Die Wahrheit des Rauschs liegt in seiner Unwahrheit - verstanden
als Täuschung: Er verspricht Lust, endet aber in Unlust. Diese Diagnose be-
zieht Piaton auf Räusche wie den Weinrausch,1 den Liebesrausch, das
Glücksspiel, ausschweifende Festräusche. Sie entstehen aus der Manie, dem
Wahnsinn der Vergrößerung eines Begehrens zum Zwecke und um den Preis
der Selbstauflösung.

Daneben spricht er auch von einem „göttlichen Rausch", der in seiner Aus-
schließlichkeit auf Wertvolles hin zwar auch als Wahnsinn, als Manie ver-
standen wird, aber als eine, aus der nach Piaton die „größten Werke"2 ent-
standen sind. Dazu zählt Piaton die Manie der Dichter, den prophetischen, den
dionysischen und den erotischen Rausch, die dadurch heilsam werden, daß in
ihnen die jeweilig zugehörigen Götter der griechischen Mythologie (Musen,
Apoll, Dionysos, Aphrodite und Eros) wirksam sind.3 Alkibiades - die zen-
trale Rauschgestalt Piatons - versucht, die Wahrheitsliebe der Philosophen
auch als Manie diesen mythisch heilsamen Räuschen anzugleichen. Piaton
würde diesen Angleichungsversuch bestreiten und allenfalls zustimmen, daß
die Wahrheitsmanie der Philosophen ein Rausch eigener Art ist - der parado-

1 Piaton faßt seine Kritik dieses Rauschs in dem Bild zusammen, daß der betrunkenen Alte vom

Kind nach Hause geführt werden muß. Natürlicherweise wäre das Verhältnis von Führen und

Folgen genau umgekehrt.

Phdr. 244a. Gemeint sind alle musischen Werke in den Künsten, im Kult und in der Natur

(Eros).
3 Phdr. 265bc.
 
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