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Brodersen, Kai; Kiesel, Helmuth [Hrsg.]; Dölling, Dieter [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: Rausch — Berlin, Heidelberg [u.a.], 43.1999

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https://doi.org/10.11588/diglit.4065#0033
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28 Michael Wink

vensystems bei Mensch und Tier beeinflussen. Viele dieser Stoffe haben sti-
mulierende, andere euphorisierende oder halluzinogene Eigenschaften. Aber
auch das Gegenteil, nämlich schlaffördernde, depressions- und schizophrenie-
auslösende oder betäubende Wirkstoffe existieren in der Natur. Das Wissen
um diese Pflanzen war vermutlich niemals Allgemeingut, sondern wurde von
besonders ausgebildeten Fachleuten, seien es Schamanen, Medizinmänner,
Ärzten, Priesterinnen oder „weisen Frauen", angewandt und tradiert. Denn es
kommt auf die richtige Auswahl der Pflanzen und Pflanzenteile, den richtigen
Zeitpunkt der Ernte sowie auf eine korrekte Zubereitung und Dosierung an,
wenn eine Rauschdroge nicht zum Selbstmord oder Mord führen sollte.

In dieser Übersicht werden die biochemischen und pharmakologischen
Eigenschaften von wichtigen biogenen Rauschdrogen, aber auch von psycho-
aktiven Phytotherapeutika zusammengestellt. Synthetische Wirkstoffe werden
nur am Rande behandelt (siehe dazu Lehrbücher der Pharmakologie wie
Mutschier (1996) ,Arzneimittelwirkungen" oder Hardman et al. (1998) „Good-
man & Gilman-Pharmakologische Grundlagen der Arzneimitteltherapie").
Ferner wird an einigen Beispielen gezeigt, daß einige der Rauschdrogen seit
langem bekannt und von kulturgeschichtlichem Interesse sind. Abschließend
wird der Frage nachgegangen, zu welchem Zwecke die Natur solche Wirk-
stoffe überhaupt entwickelt hat; d.h. der Frage nach der evolutionären Be-
deutung euphorisierender und halluzinogener Naturstoffe.

Rauschdrogen und Psychopharmaka

Unser Zentralnervensystem (ZNS) besteht aus mehreren Regionen (z.B. zere-
braler Cortex, limbisches System, Diencenphalon, Mittelhirn und Cerebellum),
die miteinander eng verschaltet sind. Etwa 1012 Neuronen und Gliazellen stellen
die zelluläre Basis des ZNS dar. Insbesondere Neuronen sind untereinander
durch weit verzweigte Axone und Dendriten vernetzt. Die Axone können bis
10000 Verzweigungen ausbilden, wovon jede mit einer anderen Nervenzelle
(axosomatisch), vornehmlich aber im Bereich der Dendriten (axodentritisch) kom-
munizieren kann. Die Kommunikation zwischen Neuronen erfolgt über elektri-
sche und chemische Signale. Die Verbindung oder Schaltstelle zwischen einem
Axon und einer anderen Nervenzelle bezeichnet man als Synapse (Abb. 1).

Abb. I. Schematische Darstellung der wichtigsten Schlüsselelemente in der neuronalen Signallei-
tung. - Grundprinzip der Signaltransduktion: Ein Aktionspotential wird entlang eines Axons ge-
leitet. Erreicht es die Präsynapse, so wird ein spannungskontrollierter Ca**-Kanal kurzfristig ge-
öffnet. Die einströmenden Ca** Ionen fuhren in einem komplexen Prozeß zur Exostose der Neu-
rovesikel, die ihren Inhalt, d.h. die gespeicherten Neurotransmitter, in den synaptischen Spalt ent-
lassen. Freigesetzte Neurotransmitter binden an Neurorezeptoren, die sich besonders auf der Zell-
membran der Postsynapse befinden. - Einige Neurotransmitter (Acetylcholin (nAChR), GABA
und Glutamat) binden an Neurorezeptoren, die mit lonenkanälen gekoppelt sind (Abb. 2). Diese
Kanäle werden dadurch kurzzeitig geöffnet und es kommt zum Einstrom im Wesentlichen von Na*
(bei Acetylcholin), CT Ionen (bei GABA) oder Na7Ca*+-Ionen (bei Glutamat). Die veränderten
 
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