Psychiatrie und Psychopathologie des Rausches 145
Wie sehr sich die „psychiatrische Welt" in den letzten 50 Jahren verändert
hat konnte der Autor selbst erleben: Als Famulus war er im Hörsaal der Cha-
rite 1947 Zeuge der Krankenvorstellung des stationär aufgenommen Hans
Fallada, der sich mit seinen Büchern „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt"
u.a. als Alkoholiker und Morphinist in die Literaturgeschichte eingeschrieben
hat.
Als Doktorand war es Ende der 40er Jahre im Großraum Berlin nicht mög-
lich, zehn Morphinisten für eine für eine Dissertation in den klinischen Ein-
richtungen ausfindig zu machen, so daß die Brandenburgischen Psychiatri-
schen Kliniken bei der Suche nach einer ausreichenden Fallzahl einbezogen
werden mußten.
Anfang der 50er Jahre löste ein Hinweis am schwarzen Brett der Hum-
boldt-Universität, der um Teilnahme an experimentalpsychologischen Unter-
suchungen mit der Rauschdroge Mescalin warb, nach 14 Tagen die erste Mel-
dung aus.
In den 90er Jahren hat jetzt ein interdisziplinärer Dialog deutschsprachiger
Forscher begonnen, der feststellt, daß die kritiklose Propagierung von Dro-
generfahrungen in den 60er Jahren eine ernsthafte Erforschung veränderter
Bewußtseinszustände verhindert hat. Wer auf diesem Gebiet in dieser Zeit
publizierte, drohte einer wissenschaftlichen Ächtung anheim zu fallen.
Ein Experten-Symposium über „Rausch und Mißbrauch" dieser Arbeits-
gruppe um Dittrich, Hofmann und Verres 1996 konstatierte, daß ein vorur-
teilsloser Umgang mit Bewußtseinsverändernden Substanzen in unserer ratio-
nalen, eher rauschfeindlichen Gesellschaft nicht möglich ist. Gleichwohl müs-
se ein neuer Dialog begonnen werden, der die Einteilung in harte und weiche
Drogen besser durch Formulierungen von der Wirkung „öffnender und
schließender" psychotroper Substanzen vorschlägt, um Angst abzubauen und
Entspannung zu erzeugen.
Unter den anwesenden Psychiatern blieb die Frage unentschieden, ob und
wie psychoaktive Substanzen mit therapeutischem Potential berücksichtigt
und eingesetzt werden sollten. Es bestand Konsens, daß ärztliches Handeln
bei der therapeutischen Anwendung von Rauschmitteln immer in das Kalkül
die Möglichkeit einbeziehen muß, Psychosen zu erzeugen.
Epikritisch ist festzustellen: Das Schweizer Heroinmodell - mit dem
Hauptziel, Drogenabstinenz zu erreichen - ist sehr ernüchternd ausgefallen: Die
Erfolgsrate ist mit 5,2 Prozent weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Aus der Sicht des Jugendpsychiaters stellt sich der Drogenmißbrauch noch
gravierender dar: Die mangelnde Reife macht Kinder und Jugendliche, aber
auch viele junge Erwachsene unfähig, das Gefährdungspotential bewußtseins-
verändernder Substanzen überhaupt zu erkennen. So bleibt der Alltag des
Psychiaters angesiedelt zwischen dem vorgeblichen Glück des Rausches und
dem realen Elend der Sucht.
Wie sehr sich die „psychiatrische Welt" in den letzten 50 Jahren verändert
hat konnte der Autor selbst erleben: Als Famulus war er im Hörsaal der Cha-
rite 1947 Zeuge der Krankenvorstellung des stationär aufgenommen Hans
Fallada, der sich mit seinen Büchern „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt"
u.a. als Alkoholiker und Morphinist in die Literaturgeschichte eingeschrieben
hat.
Als Doktorand war es Ende der 40er Jahre im Großraum Berlin nicht mög-
lich, zehn Morphinisten für eine für eine Dissertation in den klinischen Ein-
richtungen ausfindig zu machen, so daß die Brandenburgischen Psychiatri-
schen Kliniken bei der Suche nach einer ausreichenden Fallzahl einbezogen
werden mußten.
Anfang der 50er Jahre löste ein Hinweis am schwarzen Brett der Hum-
boldt-Universität, der um Teilnahme an experimentalpsychologischen Unter-
suchungen mit der Rauschdroge Mescalin warb, nach 14 Tagen die erste Mel-
dung aus.
In den 90er Jahren hat jetzt ein interdisziplinärer Dialog deutschsprachiger
Forscher begonnen, der feststellt, daß die kritiklose Propagierung von Dro-
generfahrungen in den 60er Jahren eine ernsthafte Erforschung veränderter
Bewußtseinszustände verhindert hat. Wer auf diesem Gebiet in dieser Zeit
publizierte, drohte einer wissenschaftlichen Ächtung anheim zu fallen.
Ein Experten-Symposium über „Rausch und Mißbrauch" dieser Arbeits-
gruppe um Dittrich, Hofmann und Verres 1996 konstatierte, daß ein vorur-
teilsloser Umgang mit Bewußtseinsverändernden Substanzen in unserer ratio-
nalen, eher rauschfeindlichen Gesellschaft nicht möglich ist. Gleichwohl müs-
se ein neuer Dialog begonnen werden, der die Einteilung in harte und weiche
Drogen besser durch Formulierungen von der Wirkung „öffnender und
schließender" psychotroper Substanzen vorschlägt, um Angst abzubauen und
Entspannung zu erzeugen.
Unter den anwesenden Psychiatern blieb die Frage unentschieden, ob und
wie psychoaktive Substanzen mit therapeutischem Potential berücksichtigt
und eingesetzt werden sollten. Es bestand Konsens, daß ärztliches Handeln
bei der therapeutischen Anwendung von Rauschmitteln immer in das Kalkül
die Möglichkeit einbeziehen muß, Psychosen zu erzeugen.
Epikritisch ist festzustellen: Das Schweizer Heroinmodell - mit dem
Hauptziel, Drogenabstinenz zu erreichen - ist sehr ernüchternd ausgefallen: Die
Erfolgsrate ist mit 5,2 Prozent weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Aus der Sicht des Jugendpsychiaters stellt sich der Drogenmißbrauch noch
gravierender dar: Die mangelnde Reife macht Kinder und Jugendliche, aber
auch viele junge Erwachsene unfähig, das Gefährdungspotential bewußtseins-
verändernder Substanzen überhaupt zu erkennen. So bleibt der Alltag des
Psychiaters angesiedelt zwischen dem vorgeblichen Glück des Rausches und
dem realen Elend der Sucht.