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Hilgert, Markus [Editor]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Editor]
Heidelberger Jahrbücher: Menschen-Bilder: Darstellungen des Humanen in der Wissenschaft — Berlin, Heidelberg, 54.2010(2012)

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Grethlein, Jonas: Die Griechen-Barbaren Dichotomie im Horizont der conditio humana
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.16708#0152

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Kapitel 9

Die Griechen-Barbaren Dichotomie im Horizont
der conditio humana

Jonas Grethlein

I. „Orientalism": Von den Irakkriegen in die Antike

Sowohl der erste als auch der zweite Irakkrieg wurde von vielen amerikanischen
sowie einigen europäischen Politikern und Journalisten als eine Auseinanderset-
zung zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Freiheit und Despotie, zwischen
Zivilisation und Barbarei dargestellt. Wachsamen Zeitgenossen ist nicht entgangen,
dass dabei ganz ähnliche Dichotomien bemüht wurden wie die, mit deren Hilfe
die antiken Griechen sich gegen ihre östlichen Nachbarn, vor allem die Perser, ab-
grenzten. Ja, man konnte bisweilen den Eindruck gewinnen, die Redenschreiber der
amerikanischen Präsidenten verfügten über eine ausgezeichnete Kenntnis des hero-
doteischen Geschichtswerkes, in dessen Zentrum die Perserkriege des 5. Jh. stehen.
Die Stigmatisierung der Perser als das „Andere" bildet eines der frühesten Kapitel
in der langen Geschichte des „orientalism", von Edward Said definiert als „Western
style for dominating, restructuring, and having authority over the Orient"1.

Ein bekanntes ikonographisches Zeugnis für „orientalism" in der griechischen
Antike bietet eine rotfigurige Hamburger Oinochoe, die in die Mitte des 5. Jahrhun-
derts zu datieren ist (Abb. 1): Auf der einen Seite ist ein junger, fast gänzlich nackter
Mann im Laufschritt zu sehen, der den linken Arm ausstreckt und mit der rechten
Hand seinen erigierten Penis hält. Auf der anderen Seite steht ein bärtiger Mann in
persischem Gewand mit Bogen und Köcher, den Oberkörper nach vorn gebeugt.
Die persische Alterität und Unterlegenheit wird hier in sexueller Semantik recht
drastisch ausgedrückt - der Grieche übernimmt den aktiven, der Perser den passi-
ven, femininen Part. Die Gegenüberstellung ist vertieft dadurch, dass in der griechi-
schen Homosexualität die aktive Rolle gewöhnlich dem älteren Mann zufällt, hier
aber der spärliche Bartwuchs den angreifenden Griechen als jünger charakterisiert.

Said 1979,3.

J. Grethlein (M)

Seminar für Klassische Philologie, Universität Heidelberg, Marstallhof 2-4, 69117 Heidelberg,
Deutschland

E-Mail: Grethlein@uni-heidelberg.de

M. Hilgert, M. Wink (Hrsg.), Menschen-Bilder,

DOI 10.1007/978-3-642-16361 -6_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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