Kapitel 15
Homo sapiens - vom Tier zum Halbgott
Volker Storch
Einleitung
Die bis heute nicht erschöpfend zu beantwortenden Fragen nach unserer Herkunft,
dem menschlichen Wesen und der Zukunft von Individuen, Gesellschaften und der
gesamten Menschheit berühren uns alle. Was bis ins 19. Jahrhundert weitgehend als
Domäne von Philosophen und Theologen angesehen wurde, ist nach Begründung
der Evolutionstheorie durch Charles Darwin (Darwin 1859) zunehmend auch von
naturwissenschaftlicher Seite beleuchtet worden.
Darwin erkannte die Entfaltung der Organismen und damit auch die Entstehung
der Menschen als realhistorisch-genetischen Prozess, was von vielen zunächst als
Degradierung der „Krone der Schöpfung" angesehen wurde. Noch ein Jahr vor dem
Erscheinen von Darwins Werk „Über den Ursprung der Arten ..." hatte Heinrich
Georg Bronn (Bronn 1858), ein führender Paläontologe und Zoologe seiner Zeit,
der die erste Übersetzung „des Darwin" vorlegte, die Frage gestellt: „Was gibt es
schöneres und höheres für den menschlichen Geist, als den großen Plan der Schöp-
fung zu denken?"
Mittlerweile sind eineinhalb Jahrhunderte vergangen. Auf Darwins Theorien-
gebäude folgten die Wegener'sche Kontinentalverschiebungstheorie und die mole-
kularbiologische Revolution. Die Entdeckung der Radioaktivität führte zudem zur
Etablierung einer präzisen Zeitskala; die vergleichende Analyse der DNA ermög-
lichte bisher ungeahnte Einblicke in unsere Herkunft. Der moderne Mensch ist -
zoologisch betrachtet - eine von über 1,5 Millionen beschriebenen Tierarten. Im
Zusammenhang mit seiner einzigartigen Intelligenz ist er jedoch weit aus dem Tier-
reich herausgetreten. Kultur gehört zur Natur des Menschen wie der Termitenbau
zur Natur der Termite. Sie wird jedoch im Folgenden weitgehend ausgeklammert.
Neueste Buchveröffentlichungen haben dazu viel Erhellendes gebracht (Archäo-
logisches Landesmuseum Baden Württemberg u. a. 2010; Fischer und Wiegandt
2010).
V. Storch (El)
Centre for Organismal Studies, Im Neuenheimer Feld 230, 69120 Heidelberg, Deutschland
E-Mail: volker.storch@zoo.uni-heidelberg.de
M. Hilgert, M. Wink (Hrsg.), Menschen-Bilder, 241
DOI 10.1007/978-3-642-16361 -6_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
Homo sapiens - vom Tier zum Halbgott
Volker Storch
Einleitung
Die bis heute nicht erschöpfend zu beantwortenden Fragen nach unserer Herkunft,
dem menschlichen Wesen und der Zukunft von Individuen, Gesellschaften und der
gesamten Menschheit berühren uns alle. Was bis ins 19. Jahrhundert weitgehend als
Domäne von Philosophen und Theologen angesehen wurde, ist nach Begründung
der Evolutionstheorie durch Charles Darwin (Darwin 1859) zunehmend auch von
naturwissenschaftlicher Seite beleuchtet worden.
Darwin erkannte die Entfaltung der Organismen und damit auch die Entstehung
der Menschen als realhistorisch-genetischen Prozess, was von vielen zunächst als
Degradierung der „Krone der Schöpfung" angesehen wurde. Noch ein Jahr vor dem
Erscheinen von Darwins Werk „Über den Ursprung der Arten ..." hatte Heinrich
Georg Bronn (Bronn 1858), ein führender Paläontologe und Zoologe seiner Zeit,
der die erste Übersetzung „des Darwin" vorlegte, die Frage gestellt: „Was gibt es
schöneres und höheres für den menschlichen Geist, als den großen Plan der Schöp-
fung zu denken?"
Mittlerweile sind eineinhalb Jahrhunderte vergangen. Auf Darwins Theorien-
gebäude folgten die Wegener'sche Kontinentalverschiebungstheorie und die mole-
kularbiologische Revolution. Die Entdeckung der Radioaktivität führte zudem zur
Etablierung einer präzisen Zeitskala; die vergleichende Analyse der DNA ermög-
lichte bisher ungeahnte Einblicke in unsere Herkunft. Der moderne Mensch ist -
zoologisch betrachtet - eine von über 1,5 Millionen beschriebenen Tierarten. Im
Zusammenhang mit seiner einzigartigen Intelligenz ist er jedoch weit aus dem Tier-
reich herausgetreten. Kultur gehört zur Natur des Menschen wie der Termitenbau
zur Natur der Termite. Sie wird jedoch im Folgenden weitgehend ausgeklammert.
Neueste Buchveröffentlichungen haben dazu viel Erhellendes gebracht (Archäo-
logisches Landesmuseum Baden Württemberg u. a. 2010; Fischer und Wiegandt
2010).
V. Storch (El)
Centre for Organismal Studies, Im Neuenheimer Feld 230, 69120 Heidelberg, Deutschland
E-Mail: volker.storch@zoo.uni-heidelberg.de
M. Hilgert, M. Wink (Hrsg.), Menschen-Bilder, 241
DOI 10.1007/978-3-642-16361 -6_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012