Kapitel 21
Die Freiheit des Willens und der Pfeil der Zeit
Anton Friedrich Koch
Weil sich in der Natur freie Akteure entwickelt haben, ist die Zeit asymmetrisch
ausgerichtet, hat sie also einen „Pfeil", und zwar nun auch rückwirkend für den
Zeitraum, als es noch keine freien Wesen gab, und vorgreifend für die Zeit, wenn es
keine freien Wesen mehr geben wird. Das ist die These dieses Aufsatzes. Vertreten
werden soll also eine Freiheitstheorie des Zeitpfeils. Sie wird von drei wesentlichen
Ingredienzien zehren: erstens von der internen Struktur der Wahrheit als der Quel-
le unseres Verständnisses a priori der asymmetrischen Zeitstruktur, zweitens von
der Willensfreiheit, die es uns erlaubt, die Struktur der Wahrheit asymmetrisch auf
die Zeitreihe zu übertragen, und drittens von einem vorgängigen Wesensbezug der
Zeitreihe zur menschlichen Subjektivität, der die Bedingung der Möglichkeit dafür
ist, dass freie Akteure die Struktur der Wahrheit als Asymmetrie in der Zeitreihe
implementieren und dann a priori wiederkennen können.
I. Die Modi der Zeit und die Aspekte der Wahrheit
Wir nehmen den Raum egozentrisch wahr und legen dabei unseren je eigenen Leib
als Bezugsrahmen für die Verankerung eines informellen dreidimensionalen Ko-
ordinatensystems zugrunde, das seinen Ursprung im fiktiven Schnittpunkt einfal-
lender Lichtwellen irgendwo hinter unseren Augen haben dürfte. Es ist uns klar,
dass andere Personen dasselbe Verfahren zur Verankerung der räumlichen Indika-
toren („hier", „da vorne", „da oben", „rechts " usw.) anwenden, und wir wissen
uns entsprechend zu benehmen, wenn wir miteinander reden, haben dies ja auch in
unserem Spracherwerb von Älteren so gelernt und tragen die Lehre weiter an die
Jüngeren. Kein Ort im Raum ist absolut hier oder rechts, absolut hinten oder unten,
sondern jedes Subjekt ist sich selbst das hiesige und teilt sich den Raum nach den
Fluchtlinien ein, die von seinem Leib wegführen.
A. F. Koch (El)
Philosophisches Seminar der Universität Heidelberg, Schulgasse 6,
69117 Heidelberg, Deutschland
E-Mail: a.koch@uni-heidelberg.de
M. Hilgert, M. Wink (Hrsg.), Menschen-Bilder, 337
DOI 10.1007/978-3-642-16361-6_21, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012
Die Freiheit des Willens und der Pfeil der Zeit
Anton Friedrich Koch
Weil sich in der Natur freie Akteure entwickelt haben, ist die Zeit asymmetrisch
ausgerichtet, hat sie also einen „Pfeil", und zwar nun auch rückwirkend für den
Zeitraum, als es noch keine freien Wesen gab, und vorgreifend für die Zeit, wenn es
keine freien Wesen mehr geben wird. Das ist die These dieses Aufsatzes. Vertreten
werden soll also eine Freiheitstheorie des Zeitpfeils. Sie wird von drei wesentlichen
Ingredienzien zehren: erstens von der internen Struktur der Wahrheit als der Quel-
le unseres Verständnisses a priori der asymmetrischen Zeitstruktur, zweitens von
der Willensfreiheit, die es uns erlaubt, die Struktur der Wahrheit asymmetrisch auf
die Zeitreihe zu übertragen, und drittens von einem vorgängigen Wesensbezug der
Zeitreihe zur menschlichen Subjektivität, der die Bedingung der Möglichkeit dafür
ist, dass freie Akteure die Struktur der Wahrheit als Asymmetrie in der Zeitreihe
implementieren und dann a priori wiederkennen können.
I. Die Modi der Zeit und die Aspekte der Wahrheit
Wir nehmen den Raum egozentrisch wahr und legen dabei unseren je eigenen Leib
als Bezugsrahmen für die Verankerung eines informellen dreidimensionalen Ko-
ordinatensystems zugrunde, das seinen Ursprung im fiktiven Schnittpunkt einfal-
lender Lichtwellen irgendwo hinter unseren Augen haben dürfte. Es ist uns klar,
dass andere Personen dasselbe Verfahren zur Verankerung der räumlichen Indika-
toren („hier", „da vorne", „da oben", „rechts " usw.) anwenden, und wir wissen
uns entsprechend zu benehmen, wenn wir miteinander reden, haben dies ja auch in
unserem Spracherwerb von Älteren so gelernt und tragen die Lehre weiter an die
Jüngeren. Kein Ort im Raum ist absolut hier oder rechts, absolut hinten oder unten,
sondern jedes Subjekt ist sich selbst das hiesige und teilt sich den Raum nach den
Fluchtlinien ein, die von seinem Leib wegführen.
A. F. Koch (El)
Philosophisches Seminar der Universität Heidelberg, Schulgasse 6,
69117 Heidelberg, Deutschland
E-Mail: a.koch@uni-heidelberg.de
M. Hilgert, M. Wink (Hrsg.), Menschen-Bilder, 337
DOI 10.1007/978-3-642-16361-6_21, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012