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Seite 2.

»Der Heldelberger Studenl"

S..L US2. Nr. 1

hineingewachsen sei, die durch die Nährung von Jllusionen eine beträcht-
liche Gefahr bedeute.

Aus diesem Zustand müsse man die Jugend wieder herausbringen.
Als ein Mittel gab der Mtnister die ftärkere Pslege des Wehrsportes nach
straffen Richtlinien des Reiches an. Weitere Wege zu finden sei Ausgabe
d«r Beratungen, darum müßte die Sitzung mit positiven Ergebnissen
schließen. Am Ende müsse man sagen kvnnen: „Ergo schlagen wir vor..

Ergv schlagen >vir vor, zwei Ausschüsse zu bilden. Dieses Ergebnis
spricht für die politische „FSHigkeit" dieser Generation. Am Ende aller
ihrer politischen Maßnahmen stehen Ausschüsse; die Parole lautet: Laßt
Ausschüsse sprechen.

Die Einleitungsworte des Ministers erhellen schlaglichtartig die ganze
Situation und ihre politischen Hintergründe. Man glaubt, die akademische
Jugend für ein sterbendes politisches System gewinnen zu können, wenn
man die Zahl der Studenten von tA)lXX1 auf vielleicht 60000 durch irgend-
welche Gewaltmaßnahmen herabsetzt. Vielleicht nennt man diese Gewalt-
maßnahmen dann vorsichtigerweise „Auslese", ein Begrisf, der bei der
Jugend einen guten Klang hat. Diese 60000 „AuserwShlten" sind ihrer
standesgemSßen BrotplStze sicher, denn sür 60000 Akademiker gibt es auch
im heutigen Deutschland noch Berdienst und einer dieser 60000 zu sein,
Garantieschein auf ein gutes Auskommen. Für den Staat aber ist das
Ganze ein Garantieschein auf politische „Vernunft" der Studentenschast.
Wenigstens glaubt man, daß es so wSre. Aufgabe des einen der beiden
Ausschüsse ist es, den richtigen Weg zur Auswahl zu finden. Es ist verständ-
lich, daß man bei dieser Aufgabe auf eine Beteiligung des Opfers, also der
Studentenschaft, verzichtet. Die Alten sind nunmehr ganz unter sich.

Alles wäre nun in bester Ordnung, wenn nicht die anderen 60000 da
wären. Wohin mit ihnen? Das ist ein Problem, das selbst desen Politikern
Kopfzerbrechen macht, denn es ist gar nicht so einfach, auf dem deutschen
Arbeitsmarkt 60000 Menschen unterzubringen, um ste vor dem Radikalis-
mus zu retten. Zu diesem Zwecke wird zunächst der neue Berus des männ-
lichen SskretSrs erfunden und weiterhin nachdrücklichst auf den golüenen
Boden des Handwerks hingewiesen. Der Drang nach der besseren sozialen
Stellung des Akademikers, so sagte der Minister, sei verständlich, aber falsch.
„Jeder Mensch, der tüchtig arbeitet, verdient Ansehen." Da man aber mit
dieser Erkenntnis auch nicht weiterkam, wurde zunächst ein Ausschuß ein-
gesetzt; — und man ist wiederum befriedigt — und wiederum unter sich.

Diese Busschüsse haben die Beratungen begonnen unter dem Motto:
„Eingliederung, aber nicht Aussperrung der jungen Generation I" Jn ihrer
Zusammensetzung sind sie jedoch eine merkwürdige Randglosse zu diesem
Motto. Wir jungen deutschen Menschen müssen es ablehnen, einzig und
alleinObjektvonBeratungenundabhängig vom „gutenWillen" deranderen
zu sein. Unser Wille ist es, selbst mitzuwirken an der Gestaltung der Zukunst
unseres Volkes und damit an unserem eigenen Schicksal.

Es wird uns HSufig der Borwurf gemacht — und auch aus den Worten
des Herrn Reichsinnenministers scheint dieser Borwurf zu klingen —, wir
seien von der Jllusion erfüllt, daß mit dem Anbruch jenes Staates, den
wir Jungen uns ersehnen, alles von Grund auf anders würde. Wenn der
Gongschlag ertönt zum Zeichen des Anbruchs des Dritten Reichs und einer
neuen Morgenröte, dann ist — so glaubt man unser Denken wiedergeben
zu können — plötzlich nur noch Licht und alle Sorgen liegen weit hinter
uns in nebelhafter Ferne.

Eine wie oberslächliche Kenntnis der Jugend spricht aus dieser Bor-
stellung. Genau so oberflächlich wie die Annahme, die politische Gesinnung
derjungen Generation ändern zu können durch Beseitigung ihrer wirtschaft-
lichen Notlage. Es hat manchmal den Anschein, als habe einzig und allein
die so oft gelästerte „Radikalisisrung auf den Hochschulen" den maßgebenden
Jnstanzen den Blick sür die Berufsnot unter der Jungakademikerschaft
geöffnet. Es will scheinen, als wäre man auch heute noch nicht von der
Notwendigkeit, hier einzugreifen, überzeugt, wenn nicht die Radikalisierung,
diese „fehlerhaste Entwicklung" der Jugend, wäre.

Wir jungen Menschen sehen in allen Versuchen, die Berufsnot unter
der Akademikerschast zu beseitigen, nur Versuche einer Teillösung. Die
Hochschulnot ist ein Teil unserer gesamten politischen Not; ohne daß diese
beseitigt wird, ist auch der Studentenschaft nicht zu helfen. Selbst wenn es
gelingen sollte, die Zahl der Studenten wesentlich herabzusetzen, so wäre
damit nichts geändert. Wir können einen einzelnen Stand nicht heraus-
lösen aus der Gemeinschaft des Volkes. Was bisher an BorschlSgen ge-
macht werden konnte, sind utopistische Pläne, die nie zu verwirklichen sind
oder Gewaltmaßnahmen, deren Verwirklichung schwerste SchLdigungen
mit sich bringen müssen. Mit grvßen Hoffnungen ist man in die vom Reichs-
innenminister einberufene Sitzung gegangen. DaS Ergebnis war so karg,
daß man allgemein enttäuscht war: Laßt Ausschüsse sprechen l Mit großen
Hoffnungen ist man in die Ausschüsse gegangen; die EnttSuschung ist auch
hier unausbleiblich. Man wird schließlich am Ende stehen und Shnlich wie
der Reichskommissar für Preissenkung die Sinnlosigkeit aller seiner bis-
herigen Maßnahmen und Pläne einsehen.

Daö einzige, waS man tun kann, sind Linderungsmaßnahmen und ist
die Borbereitung auf die Gesamtlösung, die eine politisch« «nd eine geistige

sein muß. Das ist der Sinn z. B. der Arbeitslager. Hier gllt es, die KrSfte
der Studentenschaft einzusetzen. Weiterhin ist es unsere Aufgabe, darauf
zu achten, daß mit der „Eingliederung der jungen Generation in den wirt-
schaftlichen Prozeß" kein Schindluder getrieben wird. Alle Pläne, stellungs-
lose Diplom-Jngenieure in der Jnduftrie unterzubringen, vhne volle Be-
zahlung, nur um sie überhaupt in den Lebensprozeß einzuschalten, sind auf
das schärfste abzulehnen, weil im Zeichen der „Rationalisierung" diese
Gelegenheit doch mehr oder weniger dazu benutzt werden würde, voll
bezahlte Kräfte abzubauen.

Die politische Gesamtlösung geistig vorbereiten zu helfen, das ist Auf-
gabe der Deutschen Studentenschaft, ihrer Schulungswochen, Siedlungs-
und Arbeitslager. Wir sind illusionslos genug, um uns darüber völlig klar
zu sein, daß die politische Lösung nicht mit einem Schlage eine svfortige
Besserung der wirtschaftlichen VerhSltnisse bringen wird. Jm Gegenteil,
wir wissen, daß dann erst die ernste Auseinandersetzung, das Ringen mit
den Problemen beginnt. Aber wir wissen auch, daß dies der einzige Weg
zu einer endgültigen Lösung ist. Sie kann nur gefunden werden, wenn in
der Jugend und ii> unserem ganzen Volke sich eine neue Lebensauffassung
durchgesetzt hat, die zum Ausdruck kommt im Opserwillen des einzelnen
für die Gesamtheit. __

Vom Kampf um die Hochschulgebühren.

llurwirkungen der GebührenerhShung.

D. St. — Jm Bericht einer der vielen studentischen Selbsthilfeorgani-
sationen heißt es:

Die Schwierigkeiten, die durch die Gebührenerhöhung im Augen-
blick der schwersten allgemeinen Notlage entstanden sind, können durch
die Zahlen der Fürsorgestellen gar nicht ersaßt werden. Hunderte von
Kommilitonen und deren Eltern tun das Sußerste, ehe sie überhaupt
eine Unterstützung beanspruchen. Oft gehen die persönlichen Opfer
in diesen FSllen weit über jedes erträgliche Maß hinaus. Nicht nur
der Student, sondern ganze Familien existieren unter VerhSltnissen
die in jeder Hinsicht als schSdlich und bedenklich für das Allgemeinwohl
angesehen werden müssen. Es ergibt sich hier eine Notlage, auf die der
einzelne Fall ein viel helleres Licht wirft, als es irgendeiner Statistik
niöglich ist.

An der UniversitSt Leipzig ist im vergangenen Semester allein
die Zahl der Gesuche um Kolleggelderlaß um 300 und zwar von 1587 im
Winter-Semester 1980-81 aus 1887 im Winter-Semester 1981-82, also um
ein Fünftel gegenüber dem Vorjahre gestiegen.

An der Forstlichen Hochschule Tharandt reichten etwa20 Prozent
der Studierenden Uiiterstützungsgesuche an das Wirtschaftsamt ein, wäh-
rend nur 10 Prozent der Studierenden Unterstützungen erhalten konnten.

An der Technischen Hochschule Dresden reichten im Sommer-
Semester 1981 249 Studenten Gesuche um Freitische ein. Jm Winter-
Semester 1981-82, nach der Gebührenerhöhung, erhöhte sich die Zahl
dieser Gesuche auf 882. Die Gesuche um Gebührenerlaß stiegen in der
gleichen Zeit von 1089 aus 1824.

An der Technischen Hochschule Karlsruhe wurden im Sommer-
Semester 1981 78 Gesuche um Freitische eingereicht. Jm Winter-Semester
1981-82 stieg diese Zahl um 33 Prozent auf 104 Gesuche.

Rein G«bühr«»streik ber Stubentenschast.

D. St. — Der Vorstand der Deutschen Studentenschaft tellt mit, daß
der für das kommende Semester angesetzte Gebührenstreik nicht durch-
geführt werden wird. Auf Grund von Fühlungnahme mit verschiedenen
Parteien hat es sich herausgestellt, daß nach der Wahl zum Preußischen
Landtag die Aussicht auf eine Herabsetzung der Hochschulgebühren besteht.
Der Borstand der Deutschen Studentenschaft hat sich nunmehr an sämtliche
Landtagsfraktionen des Preußischen Landtags mit der Anfrage gewandt,
ob sie sich für oder gegen eine Herabsetzung der Hochschulgebühren auf den
Stand vom Sommer-Semester 1981 aussprechen würden.

Diese Aktion würde durch einen Gebührenstreik in ihrer Wirkung nicht
gefördert werden. Da die übrigen deutschen Länder erklärt haben, daß sie
die Gebühren erst auf Kruck der Preußischen Staatsregierung erhöht hätten,
dürfte es sicher sein, daß sie sich dem Beispiel einer Gebührenherabsetzung
anschließen werden.

Der Borstand der Deutschen Studentenschaft wird das Ergebnts seiner
Anfrage bei den Parteien noch vor den Lgndtagswahlen bekannt geben.
Er erwartet von den Studentenschaften in dieser Frage straffste Disziplin
und Unterlassung von aussichtslosen Sonderaktionen.

Parteie» und hachschulgebühren.

D. St. — Der Borstand der Deutschen Studentenschast teilt mit, daß
auf die Anfragen an die Fraktionen des Preußischen Landtages bisher von
der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, der Deutschnationalen
Bolkspartei und der Deutschen Volkspartei Antworten eingelaufen sind.
Die Nationalsoziqlistische Deutsche Arbeiterpartei schreibt:

„Die NSDAP. hat im vergangenen Landtag gegen die Maß-
nahme des Kulturabbaues, wie fie die Regierung Braun betriebrn
 
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