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Heidelberger Familienblätter — 1877

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No. 53 - No. 60 (4. Juli - 28. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43707#0236

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kräftigung und zum beſſeren Verſtändniß der obigen Ausführungen
unbedingt nothwendig, wenigſtens einige der von den Mollys be-
gangenen Gräuel hier zu ſkizziren. Ich will diejenigen Mordthaten
kurz ſchildern, wegen deren Verübung die elf morgen zu büßenden
Kerle am Galgen ſchwingen müſſen.
Sechs jener elf werden in Pottsville, vier in dem benachbarten
Mauch Chunk (in Carbon County) und einer in Wilkesbarre ge-
hängt. Von den erſteren ſechs ſind fünf die Mörder des Poliziſten
Joſt. Letzterer war Poliziſt des Minenſtädtchens Tamaqua. In
einer Herbſtnacht des Jahres 1874 hörte er Piſtolenſchüſſe und
Hilferufe. Er eilte zur Stelle und ſand ein armes Schneiderlein
blutend und von zwei Piſltolenkugeln getroffen, am Boden liegen.
Zwei Mollys waren gerade damit beſchäftigt, ihm den Garaus zu
machen. Der eine der Schurken entfloh bei Joſt's Ankunft, der
andere, ein Raufbold, Namens Duffy, wurde nach ſchwerem Kampfe
von Joſt verhaftet. Duffy wurde am nächſten Tage von einem
Friedensrichter um eine kleine Geldſumme wegen „Friedensbruchs“
gebüßt (der Friedensrichter ſcheint mit den Mollys ſympathiſirt zu
haben); Duffy gab dem Joſt dann zu verſtehen, daß er die Affaire
vergeſſen habe und keine Nache dafür nehmen wolle (sico 1). Aber
er hatte dieſe Zuſicherung nur gegeben, um Joſt ſorglos zu machen.
Er hatte die Affaire im Grunde ſeines Herzens nicht vergeſſen, er
wollte blutige Rache nehmen dafür, daß der Poliziſt ihn verhaftet
und an der Ausführung eines Mordes verhindert habe. Monate
verſtrichen, es wurde Sommer. Aber Duffy brütete noch immer
Rache. Er meldete Joſt bei ſeiner Loge als „Feind“ an und bot
zehn Doll. aus dafür, daß Joſt aus dem Wege geſchafft werde
(to put him ont of the road, ſo lautete Duffy's Aeußerung).
Die Loge erwog den Fall und erkannte auf Tod des Joſt. Fünf
Mörder wurden aus dem benachbarten Carbon County verſchrieben
und dreimal zog dieſe Bande über die Berge nach Tamaqua, aber
ſtets faud man Joſt in Geſellſchaft ſeines Collgen Me. Carron,
und zwei bewaffneten Poliziſten wagten die feigen Kerle nicht
gegenüber zu treten. Aber zum vierten Male zogen ſie über die
Berge nach Tamaqua. Sie wußten, daß kurz vor Tagesanbruch
Joſt und Me. Carron ſich zu trennen pflegten, um die Straßen-
laternen auszulöſchen. Vor dem eigenen Hauſe des Joſt ſtand eine
ſolche Laterne. Die fünf Mörder verſteckten ſich in Joſt's Gärtchen.
Sorglos kam der Poliziſt daher, ſtellte ſich auf eine kleine Leiter
und löſchte das dicht aus. In dieſem Momente feuerten die
Schurken und rannten davon. Joſt ſtarb wenige Augenblicke ſpäter
in den Armen ſeiner durch die Schüſſe aus dem Schlafe geſcheuchten
Frau. — Me. Parlan hat dieſe Geſchichte an den Tag gebracht.
Seine Ausſagen ſind durch dle Geſtändniſſe eines der fünf Mörder
(Kerrigan) und durch viele andere Thatſachen beſtätigt worden.
Kerrigan wird, weil er als Staatszeuge diente, wegen dieſer Mord-
ihat nicht verfolgt werden. Die vier anderen Mörder Joſt's
baumeln morgen und ebenfalls Duffy, der Anzettler der That, der
ſich jedoch bei der Verübung derſelben vorſichtigerweiſe fernhielt.
Und hier kommen wir zu dem Empörendſten bei dieſer entſetz-
lichen Geſchichte: Der eigentliche Feind und Angeber des Opfers
betheiligte ſich nie an der Ermordung deſſelben. Auch nicht einmal
Leute aus der nächſten Nähe. Nein, von einer ganz anderen Loge
wurden Mörder verſchrieben, die das Opfer nie in ihrem Leben ge-
ſehen, denen daſſelbe nie etwas zu Leide gethan hatte. Hier iſt ein
recht anſchauliches Beiſpiel davon: — Me. Gehan, einer der fünf
Mörder aus Carbon Countz, welche Joſt ermordet hatten, verlangte
von den Molly's in Schnylkill Countz, daß ſie ihrerſeits als Gegen-
leiſtung eine Anzahl Mörder nach Carbon Countz ſchicken ſollten,
um einen dem Me. Gehan verhaßten Mann, Namens John P.
Jones zu ermorden. Ein förmlicher Schacher mit Menſchenleben!
Jones wurde dann auch von Kelly, Doyle und Campbell aus
Schnylkill Countz ermordet — und dieſe drei ſind drei der vier
Mörder, welche morgen in Mauch Chunk gehenkt werden ſollen.
Der ſechſte der in Potsville (hier) morgen hinzurichtende Mör-
der iſt Thomas Munlay. Am 1. September 1875 erſchoß er in
Gemeinſchaft mit vier anderen Kerlen aus einem Hinterhalt den
Minenaufſeher Wm. Sanger und deſſen Freund J. Ungar, der zu
Sangers Beiſtand herbeigeeilt war. Sangers Verbrechen beſtand
darin, zwei Mollys entlaſſen zu haben, weil ſie ſaule, nichtsnutzige
Burſchen waren. — Ein zweiter der Mörder Sangers, ſowie die
Frau eines Dritten (die Frau, wie bewieſen wurde, in Folge eines
unglücklichen Zufalls) wurden von einem ſchoſſnh. Der zur Nacht-
zeit in ihren Häuſern „gelyncht“ (d. h. erſchoſſen). Der vierte ent-
kam bei jenem nächtlichen Ueberfall ſchwer verwundet, und der
fünfte iſt derſelbe Campfhell, der morgen in Mauch Churk wegen
der Ermordung von Jones gehenkt werden wird.
„Dellow Jack“ Donohne iſt der 10. der Galgencandidaten.
Er iſt der vierte in Mauch Chunk. Er hat den Minenaufſeher
Morgan Powell im Auftrage der Molly Maguires erſchoſſen, weil
Pow u den Doppelmörder Campbell aus ſeiner Kohlengrube gejagt
hatte! Dieſe That wurde von den Mollys am lauteſten geprieſen.
Es war „the cleanest job“ (das reinlichſte Stück Arbeit), wie ſie
ſich ausdrückten. Vellow Jack, der ein handwerksmäßiger Mörder
iſt, hat damit ſeiner Zunft Ehre gemacht. Er hat Powell am hellen
lichten Tage auf offener Straße erſchoſſen und ſein Opfer auf der

Stelle getödtet. — Des Mörders Nr.

Morteratſch-Gletſcher.
Wirtbshauſe am Fuße des Gletſchers an und machte ſich auf den

getödtet. 11 erwähne ich gar nicht.
Er wird in Willesbarre hängen. Der Fall iſt zu unbedeutend.
Auch die zahlloſen Brandſtiftungen, verbrecheriſchen Verſtellungen
von Weichen und anderen Gräuel der Mollys können hier nur an-
gedeutet werden. — Die obigen Tharſachen ſind ſammt und ſonders
Gerichtsakten entnommen und buchſtäblich wahr. Die Mollys ſind
in allen Inſtanzen proceſſitt und von außerordentlich tüchtigen
Juriſten vertheidigt worden. — Jezt mögen ſie denn hängen.
Nach der Hinrichtung.
Pottsville, 21. Juni.
Ich komme eben von der Richtſtätte. Die ſechs Mollys wurden
hier in drei Abtheilungen, zu je zwei, gehängt. Es war eine ent-
ſetzliche Scene, deren Beſchreibung man mir erlaſſen möge. Die
Kerle ſtarben ſämmtlich ganz außerordentlich gefaßt und ruhig.
Memmen, die ſie ihren Thaten nach ſein mußten, ſie geberdeten
ſich auf dem Schaffot wie Helden. Sie ſchienen ſich geradezu in
einem Zuſtan de religißſer Berauſchung zu befinden. Roaritz, der
Kerl, welcher an den Vorbereitungen zum Joſt'ſchen Morde iheil-
genommen hatte und dreimal zur Ausführung deſſelben nach Ta-
maqua gegangen, jedoch das vierte Mal, als der Mord wirklich
vollführt wurde, mitzugehen verhindert war, jedoch ſeine Piſtole
dazu hergeliehen hatte — betheuerte ſeine Unſchuld. Gleichfalls
Duffy, der Anſtifter, jedoch nicht einer der Verüber dieſes Mordes.
Die Beiden konnten nicht verſtehen, weßhalb ſie gleich ſchuldig ſein
ſollten. Alle ſechs glaubten zuverſichtlich an die Rettung ihrer
Seele und waren der feſten Ueberzeugung, daß ſie in dem fürchter-
lichen Momente, in welchem der Boden unter ihren Füßen nachgab,
direct in den Himmel eingehen würden. Dieſe religiöſe Extaſe ließ
ſie freudig ſterben und benahm ihnen ganz und gar die Schrecken
des Todes. Nur einem einzigen wurde durch den 4½/, Fuß tiefen
Sturz das Genick gebrochen, die übrigen fünf ſtarben in Folge von
Strangulation. Nur Me. Gehan ſchien einen ſchweren Tod zu er-
leiden. In Mauch Chunk und Wilkesbarre, wo die übrigen fünf
Mollys gehängt wurden, ging die Hinrichtung in ganz ähnlich er
Weiſe von Statten. Die Hinrichtungen wurden überall nur vor
etwa 150 Zeugen vollzogen. ö ö
Aus dem angedrohten Coup der Mollys iſt nichts geworden.
Die ganze Ortſchaft war allerdings geſtern Abend und heute früh
mit den Geſinnungsgenoſſen der Gehängten angefüllt, aber die Be-
hörden thaten ihre Schuldigkeit. Es wurde kein Blutstropfen ver-
goſſen, wenn auch mehrere, allerdings erfolgloſe Brandſtiftungs-
verſuche unternommen wurden. Fünf andere Mollys werden hier
wegen einer Anzahl anderer Mordthaten im Herbſte gehängt wer-
den und ungefähr 25 befinden ſich im Zuchthauſe. Es iſt in Wahr-
heit ein Exempel ſtatuirt worden, und die einſi ſo mächtige Molly
Maguire wird wohl ſchwerlich jemals wieder ihre blutige Hand
zeigen. ö

Verſchiedenesd.

—* Ueber drei Künſtler in Todesgefahr berichtet das „B.
Fr.-Bl.“ aus St. Moritz in Engandin: Am Freitag, den 6. d.,
verabredeten die dort zur Cur weilenden Herren Ludwig, vom
kgl. Theater zu Berlin, Capellmeiſter Schuch und Concertmeiſter
Lauterbach von Dresden eine Partie mit den Frauen nach dem
ä Die Geſellſchaft kam vergnügt bei dem

Weg, um den Gletſcher recht nahe zu ſehen. Die Herren erklet·
terten den Berg, die Damen blieben eine Strecke zurück. Als jene
immer höher ſtiegen, bekamen die Frauen Angſt und riefen die-
ſelben herunter. Doch ehe ſie ſich recht verſtändlich machen konnten,
hörten ſie ein donnerähnliches Getöſe und als ſie aufwärts blickten,
ſahen ſie, daß ſich oben ein furchtbar großes Felsſtück losgelöſt
hatte und mit maſſenhaftem Geröll hinabſtürzte, gerade auf Hrn.
Lauterbach zu. Dieſer wich etwas zurück, war aber alsbald ver-
ſchüttet, auch die Herren Schuch und Ludwig waren nicht mehr zu
ſehen. Entſetzt ſtanden die drei Fra uen da. Da kroch Hr. Lau-
terbach unter den Steinen hervor und bewegte ſich auf den Händen
kriechend langſam fort; nun erſchienen auch die beiden anderen
Herren und ſignaliſirten, daß ſie unverſehrt ſeien. Frau Lauter;
bach hatte die Geiſtesgegenwart, nach dem Wirthshauſe um Hülfe
zu eilen und die beiden anderen Frauen blieben an der Stelle,
um den Herren, die den richtigen Weg nicht fanden u. alle Augen-
blicke auf Abgründe zuſchreiten wollten, den Weg anzudeuten. Hr.
Lauterbach wurde von unterdeſſen gekommenen Leuten ins Wirths-
haus getragen und dort nach St. Moritz zurückgefahren. Als ihm
dort ein Chirurg aus Genf den Reſt des Stiefels vom linken
Fuße ſchnitt, fehlten vier Zehen vollſtändig, auch die große Zehe
war verſtümmelt. Die Verletzung iſt bedenklich und es ſteht zu
befürchten, daß Concertmeiſter Lauterbach ſich einer Amputation
wird unterwerfen müſſen. — Durch dieſen Unfall erleidet übrigens
das Programm des Salzburger Mufikfeſtes, zu dem der Concert-
meiſter Lauterbach ſeine Mitwirkung zugeſagt hatte, einige Aban-
derungen. *

Druck und Verlag von Adolph Emm erling in Heidelberg.

Für die Redaction verantwortlich Ad. Emmerling.
 
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