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Heidelberger Familienblätter — 1879

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No. 26 - No. 34 (2. April - 30. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43709#0123

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des Zulu⸗Landes führen. An Veranlaſſung zu einer
Kriegserklärung lie es einerſeits der Herrſcher des Zulu-
Landes, König Ketſchwayo (Cetiwayo), ebenſowenig feh-
len, als die Regierung der Cap⸗Colonie bemüht war, den
ſeit 1820 immer wiederkehrenden Kämpfen gegen die
überaus unruhigen Nachbarn durch die Annexion des
letzten großen ſelbſtſtändigen Kafferngebietes ein Ende zu
machen. So kam es zu Beginn des laufenden Jahres
zum Krieg zwiſchen England, reſp. der Cap⸗Colonie und
dem Zulu⸗Lande, der für die engliſchen Truppen durch
die Vernichtung von mehr als 1600 Mann bei dem Ueber-
falle von Iſandula nahe dem die Grenze zwiſchen der
engliſchen Colonie Transvaal und dem Zulu⸗Lande bil-
denden Fluſſe Buffalo einen verhängnißvollen Anfang
nahm. Ohne hier in eine wie immer geartete Discuſſion
der politiſchen Beweggründe dieſes Krieges einzugehen,
möchten wir nur erwähnen, daß das eigentliche Ziel

Englands wohl kaum die Annexion des Zulu-Landes iſt,

ſondern daß vielmehr die Colonial⸗Regierung im Beſitze
des Transvaalſtagtes und Zulu-Landes den endlichen
Beſitz der Delagoa-Bai, dieſer wichtigen Seepoſition und
Handelsſtation anſtrebt. Ob für die nächſte Zeit mit
Ausſicht auf Erfolg, muß dahingeſtellt bleiben, da der
ſeit 1823 beſtehende Streit zwiſchen Portugal und Eng-
land durch den Schiedsſpruch des Präſidenten der fran-
zöſiſchen Republik im Juli 1875 dahin beigelegt wurde,
daß das ſtrittige Gebiet im Süden, Weſten und Norden
der Delagoa-Bai, ſowie dieſe ſelbſt, Portugal zuerkannt
wurden. Werfen wir nun einen Blick auf das den
jüngſten Kriegsſchauplatz bildende Zulu⸗-Land.
Im Oſten vom indiſchen Ocean, im Weſten durch das
Lombombo⸗Gebirge und andere iſolirte Höhenzüge am
Oſtrande der ſüdafrikaniſchen Hochplatte, ſowie durch den
Nebenfluß des Tugela, den Buffalofluß, im Süden durch
den Tugela, im Norden durch eine ideale Grenze unter
27⁰ 30 ſüdl. Br. begrenzt, iſt das Zulu Reich auf der
Landſeite im Süden und Oſten von britiſchem, im Nor-
den von dem Gebiete der Amatonga⸗Kaffern eingeſchloſſen.
Einer planimetriſchen Berechnung nach hat das Zulu-
Land, wenn wir das Gebiet der Amatonga im Norden
des eigentlichen Zulu⸗Landes hinzunehmen, 29-30000
U⸗Kilom. Flächenraum mit einer Bevölkerung von 150⸗
bis 200 000 Seelen. In geographiſcher wie landſchaft-
licher Beziehung laſſen ſich zwei Regionen im Lande un-
terſcheiden; zunächſt der Meeresküſte ein Küſtenflachland
von 200 Meter mittlerer Erhebung und einer wechſeln-
den Breite von 20—400 Kilometer, ausgezeichnet durch
eine Reihe von kleinen Landſeen und zwei großen Binnen“
ſeen, welche mit dem Meere in Verbindung ſtehen; der
eine unter ihnen, der St. Lucia⸗See, bedeckt eine Fläche
von über 1000 ◻⸗Kilom. und ſein Ausfluß mündet in
die prächtige St. Lucia⸗Bai, welche nebſt der Delagoa-
Bai einen der beſten Häfen der Oſtküſte Afrikas abgiebt.
Von dieſem Küſtenflachlande, welches vom Tugelafluſſe
nordwärts immer mehr an Breite zunimmt und an der
Nordgrenze des Landes ſeine größte Breiteausdehnung
erreicht, ſteigt man theils über langgeſtreckte Abhänge,
zum großen Theile aber durch enge und ſteile Klüfte,
welche den Kloof genannten Paßübergängen gleichen, auf
die nächſte Terraſſenſtufe, deren Rand im nördlichen Theile
des Landes im Lombombo Gebirge deutlich ausgeprägt iſt
und auch zugleich die Weſtgrenze des Landes bildet. Im
ſüdlichen Theile zwiſchen den Flüſſen Umkuzi und Tugela
liegt eine durchſchnittlich 600 Meter hohe Terraſſe, welche
allmälig anſteigend bis an den Oſtabfall der Drakenberge
oder des Kathlamba⸗Gebirges reicht, von zahlreichen, zu-
ſammenhangloſen Bergreihen und iſolirten Bergſpitzen
überragt, welche ebenſo, wie im ſüdlicher gelegenen Natal,

allgemein die Südafrika eigenthümliche Tafelform beſitzen.
Beſteigt man einen dieſer Berge in der Hoffnung auf
eine weite Rundſicht, ſo wird man in der Regel ſehr
enttäuſcht; die abſolut ebene Geſtaltung der Tafelform
verhindert jede Rundſicht, anderſeits ſind aber dieſe Berge,
wegen ihrer Unzugänglichkeit, im Kriege gute Vertheidi-
gungspoſten. Nahe der Quelle des Imwule, auf dem
Wege von Ekowe (der verſchanzten Stellung des Oberſten
Pearſon im gegenwärtigen Kriege) nach Unodwengo, dem
Reſidenzkraal des verſtorbenen Häuptlings Panda, cul-
minirt die Terraſſe in 1200 Meter Höhe. Der Weg
ſteigt unmittelbar im Weſten dieſes Berges durch einen
engen und ſteilen Kloof auf die Terraſſe und ſenkt ſich
dann in die Amathloba⸗Ebene hinab. In landſchaftlicher
Hinſicht ſind die Thalgegenden am Tugelafluſſe, insbe-
ſondere an ſeinem Mittellaufe, von eigenthümlichem düſtern
Reize. Im Innern des Landes wechſeln monotone Gras-
flächen mit dichtem Buſchwald (den für europäiſche Sol-
daten gefährlichſten Stellen) ab, welcher vorzüglich die
Flußthäler erfüllt; nur ſelten ſtößt man in der Nähe der
Kraals (Ortſchaften) und der wenigen Miſſionsſtationen
auf bebautes Land, da die Hauptquelle des Reichthums
und der Nahrung der Zulu ihre großen Rinderheerden
ſind und das Bebauen des Landes nur von den Frauen
beſorgt wird. Die Bedingnngen der Entwicklung der
Bodeneultur fehlen keineswegs, denn das Land iſt gut
bewäſſert, zahlreiche Flüſſe, durchgängig Küſtenflüſſe,
durchziehen in der Richtung von Weſt nach Oſt und
Nordoſt das Land, ſo, um die größeren zu nenuen, der

„Umlatosi, der Umvolosi (aus dem ſchwarzen und weißen

Umvolosi entſtehend), der in die Bai von St. Lucia
mündet, der Umkuzi und beſonders im Süden der Tugela
und im Norden der Pongola, der in den Maputa und
mit dieſem in die Delagoa-Bai mündet. ö

Die Bewohner des Landes, die Zulu-Kaffern, gehören
zu der großen Völkerfamilie Afrikas, welche wir als
Ba⸗ntu oder A⸗ba⸗ntu zum Unterſchiede von den Sudan-
Negern bezeichnen. Das Wort Barntu bedeutet aber ſo
viel als Leute, Menſchen. Der Ausdruck Kaffer iſt nur
aus dem arabiſchen Kafir abgeleitet, womit die Araber
alle ungläubigen Eingeborenen Afrikas bezeichnen. Unter
den einzelnen Kaffernſtämmen, welche Südafrika bewohnen,
und von welchen die Ama⸗Xosa, die Ama⸗Mponda, Ama-
Tembu und Fingu unter britiſcher Herrſchaft ſtehen, ſind
die Ama⸗Zulu oder kurzweg Zulu genannt, entſchieden
der hervorragendſte Stamm, von unbeugſamem Unab-
hängigkeitsſinn beſeelt und durch eine weithin gefürchtete
Tapferkeit bekannt. ö
ö (Schluß folgt.)

Ein Taſchendieb.

Auf dem „Bock“ zu Berlin ſaß an einem der letzten
Sonntage in der Mitte des Gartens, an einem beſonderen
Tiſche, eine Geſellſchaft, der man anſah, daß ſie der beſſer
ſituirten Minderheit angehöre. Eine fein gekleidete Dame,
die zu der Geſellſchaft gehörte, war ganz beſonders heiter,
und erklärte, ſie habe ſich nur ſelten ſo gut amüſirt, wie
auf dem „Bock“, den ſie heute zum erſten Mal beſuche.
An einem Nebentiſch ſaßen drei junge Leute und beobach-
teten dir fröhliche Geſellſchaft. Einer von dieſen machte
plötzlich ſeine beiden Collegen auf einen äußerſt nobel ge-
kleideten Herrn aufmerkſam, der ſichtlich bemüht war, ſeine
Finger in die Pelottaſche der lebhaft plaudernden Dame
zu bringen. Die drei am Nebentiſche verließen nun mit
keinem Auge den Verdächtigen, der nach einiger Zeit
 
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