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Heidelberger Familienblätter — 1879

DOI Kapitel:
No. 26 - No. 34 (2. April - 30. April)
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— 118 —

Tante Antonie war ganz befriedigt von dem errungenen
Erfolge und zweifelte kaum noch, daß Liſa ſich ihr unter-
werfen und wirkſam eingreifen werde in ihre Pläne.
Vor der Hand mußte ſie aber, ſo lange es möglich war,
gaz in Unkenntniß gehalten werden uͤber die Perſönlich-
keiten, welche in dem von Frau Pleiderer ſo hübſch arrangir-
ten Stücke ſpielen ſollten. ö

*
* *

Die Generalin Grodno lag krank. — Was es war,
woran ſie litt, konnte kein Arzt ſagen, ſelbſt nicht jener
liebenswürdige alte Herr, den der General ſchon vor
längerer Zeit als eine ärztliche Autorität zugezogen. Der
Geheime Ober-Medicinalrath Rauenthal ſaß am Bette
ſeiner Patientin und hatte ihre fieberheiße Hand in der
ſeinigen, ſehr ernſt und väterlich in die ſcheu hin und
herflackernden Augen der Kranken blickend.
„Es iſt die alte Geſchichte, liebes Kind! Sie werden
ſterben, wenn Sie ſich die Seele nicht frei machen können,“
ſagte er.
„Sterben? — Wiſſen Sie, daß ich Gott jede Stunde
um den Tod bitte, Herr Geheimrath?“ ſagte ſie leiſe.
Der alte Herr ſchüttelte den Kopf.
Er kannte die äußeren Verhältniſſe der Kranken nur
als ſehr glückliche, ſie als eine höchſt verehrungswürdige
Dame, den General als einen Mann, über deſſen große
und edle Eigenſchaften es nur Eine Stimme gab.
Daß hier aber dennoch ein geheimnißvolles Etwas ſei,
was ſeine Schatten in dieſe glückliche Ehe warf, war
fraglos für ihn: — er kannte das Leben und hatte nicht
umſonſt ſeine leidvollen Erfahrungen geſammelt.
„Gleichwohl darf ich, als ihr Arzt, Sie nicht ſterben
laſſen, meine liebe gnädige Frau, ich muß Sie retten,
auch gegen ihren eigenen Wunſch und muß dazu die
Mittel anwenden, welche mir dienlich erſcheinen. — Aber
ich kenne Sie, wenn Sie durchaus ſterben wollen, ſo wer-
den Sie nichts von allem thun, was ich verordne —“
„Und wenn ich alles thaͤte, mein einziges Heilmittel
iſt der Tod, laſſen Sie mich ſterben, Herr Geheimrath!“
„Ich kann das nicht glauben, mein Kind, die Leute
meinen immer, das ſei in verzweifelten Fällen eine Ra-
dikalcur; — nun ja, für den, der todt iſt, aber für die
andern?“ —
Gabriele Grodno ſtöhnte laut auf; das war es ja,
ſie hatte, als ſie erkrankte, all ihr vorräthiges Geld ein-
geſtegelt und an die Pleiderer geſchickt; — es war nicht
viel, und in ihrer Angſt legte die unglückliche Frau,
ohne recht klar zu wiſſen, was ſie that, eine Anzahl
Werthpapiere zu dieſem Gelde, hoffend, daß die Pleiderer
nun vorerſt ſchweigen werde. Die Friſeuſe lebte in Todes-
angſt, daß ihr Opfer ihr in das Grab entſchlüpfen könne,
— gleichwohl hatte ſie keine Möglichkeit, jetzt in der
Sache weiter vorzugehen, denn im Grodno'ſchen Hauſe
wurde ſie gar nicht vorgelaſſen.
„Wiſſen Sie wohl, was ich Ihnen rathen möchte,
gnädige Frau,“ begann nach einigem Zögern der Geheim-
rath wieder. „Sie ſollen ein paar dieſer herrlichen
Septemberwochen, auch vielleicht die des Octobers, ganz
ſtill irgendwo verleben, wo Sie völlig ſich allein über-
laſſen ſind, wo Sie einfache, klare Verhältniſſe vor ſich
haben! — Ich weiß da ein einſames Förſterhaus am
Walde — dahin möͤchte ich Sie ſchicken. Ihnen hilft
keine Arznei, aber vielleicht finden Sie, allein mit ſich,
einen Ausweg aus ihrer Noth. — Soll ich mit Ihrem
Gemahl ſprechen?“ —
„Ja, thun Sie es, laſſen Sie mich fort, ich bin ge-
wiß, daß ich dort — geſund werde, — aber allein, ganz

allein will ich fort, Niemand ſoll mich begleiten, nicht
einmal meine Kammerfrau!“ ö *
„Nun gut! Sie hätten mein Mittel ſchon im Früh-
ling anwenden ſollen, da ſchrieb ich es ſchon vor.“
Die Kranke richtete ſich im Bette auf.
„Sie ſind ein alter Mann, Herr Geheimrath, ich denke
oft, Ihnen möchte ich ſagen — aber ich kann es nicht!“
rief ſie zuletzt mit einem krampfhaften Schluchzen. —
„Das wollen wir uns doch ſpäter überlegen, mein
Kind, jetzt nicht! Sie ſollen erſt ganz ſtill und ruhig in
ſich werden,“ ſagte er gütig.
„Und noch eins, Herr Geheimrath, noch eins,“ bat
ſie und ihre Thränen waren ganz plötzlich verſiegt, die
Augen funkelten in faſt irrem Glanze. „Sagen Sie es
keinem Menſchen, wohin ich mich verſtecke, keinem Men-
ſchen! Am liebſten hätte ich, Grodno wüßte es auch
nicht, aber er wird es wohl nicht verrathen, wenn ich ihn
bitte, und ſonſt, — ſonſt ſuche ich mir ſelbſt einen Platz,
den ſogar die Sonne nicht finden kann!“
Der alte Arzt ſah feſt in dieſe wirren funkelnden
Augen; lieber Gott, er ſchrack ordentlich zuſammen vor
den bangen Gedanken, die in ihm aufſtiegen.

Gabriele Grodno lag dann ruhig da; man ſah, wie
ihr Hirn raſtlos arbeitete, ſie ſagte indeß keine Sylde
und nahm keine weitere Notiz von der Anweſenheit des

Arztes.
(Fortſetzung folgt.)

Die Zulu-Kaffern und ihr Tand.

Von Dr. Joſeph Chavanne.

(Schluß.)
Die äußere Erſcheinung der Zulu iſt nach G. Fritſche,
einem der gründlichſten Kenner der Eingeborenen Süd-
afrikas, höchſt mannigfaltig, ſo daß es ſchwer iſt, einen
beſtimmten Typus dafür feſtzuſtellen. Die Geſichter ſind
regelmaßiger als bei den eigentlichen Kaffern, die Naſe
iſt beſſer entwickelt und nicht ſo aufgeſtülpt, die Stirne
hoch, die Lippen ſind ſtark aufgeworfen, das Geſicht jedoch
häufig nur wenig prognathiſch, der Körper iſt mehr pro-
portionirt als bei den übrigen Kaffern. Im Allgemeinen
findet man kräftige, musculöſe Geſtalten von ſtattlicher
Größe und nicht unſchönem Geſicht, dem mitunter mäßi-
ger Bartwuchs eine bei anderen Stämmen ſeltene Zierde
verleiht. Der imponirende Eindruck, den ſie annehmen,
wird noch durch die eigenthümliche Haartracht erhöht,
welche die meiſten der waffenführenden Männer tragen;
ſie ſcheeren nämlich das Kopfhaar kahl oder ganz kurz
bis auf einen Ring den ſie mit Gummi zu einem Reife
umſpannen, welcher ſich durch das Wachſen des Haares
zu einer Haarkrone erhebt. Eine ſchöne Haarkrone iſt
der Stolz des glücklichen Beſitzers. Die Kleidung der
Zulu iſt höchſt einfach und beſteht aus einem Lederſchurz
um die Lenden und dem aus Rinds⸗ oder anderen Thier-
fellen gefertigten, unentbehrlichen Caroß. Bel feierlichen
Anläſſen, insbeſondere bei ihren in ganz Südafrika be-
rühmten Kriegstänzen, ſchmückt der Zulu-Krieger die
Bruſt, Arme und Beine mit den weißen Quaſten der
Ochſenſchwänze, auf dem Kopfe trägt er einen großen
Buſch künſtlich in einander verflochtener Federn mit Glas-
perlen verziert, deren Schnüre wohl auch als Halsbänder ö
verwendet werden, um die Lenden ſchlingt er breite Felle
von jungen Leoparden, wilden Katzen oder von Schakalen.
Ein ſolcher Kriegstanz der Zulu iſt in der That nach
den übereinſtimmenden Berichten der Miſſionäre und
 
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