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Heidelberger Familienblätter — 1879

DOI Kapitel:
No. 26 - No. 34 (2. April - 30. April)
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— 12⁰ —

Verſchiedenes.

— (Ein Roman in der Manſarde.) Die
Berliner „Volks⸗Zeitung“ erzählt: Eine junge und ſehr
hübſche Näherin, Helene P., welche als Waiſe in einem
Dachſtübchen lebte, hatte ihrem Stubennachbar, dem
Schloſſer Fritz S. . . ., eine lebhafte Neigung eingeflößt.
Der junge Mann war ein ſehr geſchickter Arbeiter, glaubte
eine Frau ernähren zu können und bot darum der hüb-
ſchen Nachbarin ſeine Hand an.
ungünſtig aus. Das Mädchen erklärte, daß ihre Eltern
ſehr arm und darum ſehr unglücklich geweſen ſeien, und
daß ſie ſich gelobt habe, nur dann zu heirathen, wenn
ihr Bewerber ein kleines Vermögen beſitze. Dieſe Ant-
wort war nur ein Vorwand. Im Grunde unterhielt ſie
ein Liebesverhältniß mit einem hübſchen Studenten, der
ihr die Ehe verſprochen hatte, aber ſich ſelbſtverſtändlich
gar nicht beeilte, dies Verſprechen zu erfüllen. Eines
Tages kehrte der Schloſſer trüb und verſtimmt aus der
Werkſtatt zurück, da ſagt ſeine Wirthin, es ſei vom Ge-
richt ein Brief abgegeben worden. Obgleich er ſich nie
mit ſocialdemokratiſchen Ideen befaßt hatte, dachte er doch,
es könne ihn irgend Jemand verdächtigt haben, und er
ſah ſich bereits, irgend eines Verbrechens beſchuldigt, auf
der Anklagebank. Mit einem ſeltſamen Unbehagen öffnete
er das Schreiben und lieſt und ſchreit auf vor Ueber-
raſchung, denn er erfährt, daß in ſeiner Heimath eine
alte Tante geſtorben ſei, die ihm etwa 4000 M. hinter-
laſſen habe. Sofort wird der Gedanke in ihm wach:
Jetzt gehoͤrt Helene Dir, denn jedes Hinderniß iſt be-
ſeitigt. In der Freude ſeines Herzens eilt er mit dem
offenen Schreiben zu dem Stübchen, klopft an, will ein-
treten, allein die Thür iſt verſchloſſen. Der Schloſſer
horcht. Im Innern iſt alles ſtill. Wie er das Ohr an
die Thürſpalte legt, iſt es ihm, als athme er einen ſtarken
Kohlendunſt ein. Ein ſchrecklicher Gedanke kommt dem
jungen Mann. Wie, wenn das Mädchen ſich ein Leid's
angethan! Er ſpringt zu ſeinem Stübchen zurück, holt
ein Werkzeug und ſprengt die Thüre zu Helenens Zim-
mer auf. Als er eintrat, iſt das Zimmer mit Kohlen-
dunſt erfüllt und das Mädchen liegt bewußtlos auf dem
Bett. Er reißt das Fenſter auf, ruft um Hilfe und
wendet alle erdenklichen Mittel an, die Aermſte ins Leben
zurück zu rufen. Nach einiger Zeit erwacht das Mäd-
chen aus ihrer Betäubung und iſt gerettet. Ein Brief,
der auf dem Tiſche lag, erklärte das Geheimniß des Vor-
falls. Der leichtſinnige Studio hatte ſeiner Geliebten
geſchrieben, er müſſe eine andere heirathen und könne ſich
dem Willen der Eltern nicht widerſetzen. Sie möge ihn
vergeſſen ꝛc. Der Schloſſer ließ ſich durch dieſe Ent-
deckung nicht beirren. Als die kleine Näherin wieder
hergeſtellt war, erzaͤhlte er ihr, daß er eine kleine Erb-
ſchaft gemacht und daß er mehr als je entſchloſſen ſei,
ſie zu ſeiner Frau zu machen, wenn ſie den Studenten
vergeſſen wolle. Helene ſagte erſt aus Zartgefühl, er
möge ſie nicht drängen, nach wenigen Tagen aber willigte
ſie ein. Vor einigen Tagen ſtanden die Glücklichen vor
dem Standesamt.

— (Unvorſichtige Kritik.) Stubenmädchen:
Du, Lene, da iſt der Herr von Kolewski. Sieh 'mal den
ſchönen Bart. — Anderes Stubenmädchen: Ich kenne ihn
ſchon. Geh, weiter. Ich mag dieſe Bärte nicht, die
kitzeln ſo beim Küſſen. (Schalk.) ö

Die Antwort fiel ſehr

— (Äuch ein Kunſturtheil.) Ein Kleinſtädter,
der in Berlin an einer Kunſthandlung vorbeigehend, das
Bild der mediceiſchen Venus ſieht, wundert ſich über dieſe
Schauſtellung. Er wendet ſich an ſeinen Begleiter mit
der Bemerkung: „Siehſte ſo ſind nu die Berlinerinnen.
ſe ſ haben ſe niſcht, aber photographiren laſſen
C „

— Zum neuen Zolltarif bringt der „Kladderadatſch“
feainde Denkoerſe frei nach Zumpt's lateiniſchen Genus-
regeln:

Biſt du ernſt genug geweſen,
Den Tarif dir durchzuleſen,
Präge jetzt zuerſt dir ein,
Was da ſoll zollpflichtig ſein:
Baumwollwatte, Baumwollgarn,
Droguerie⸗ und Farbewaar'n;
Blei und Blei mit Zink und Zinn,
Auch wenn Spießglanz iſt darin.
Bünrſten, Beſen, Binſen, Stroh;
Soda, künſtlich oder roh, ö
Schmirgeltuch und Jaconet,
Oel und Schmalz und andres Fett.
Jedes Fabrikat aus Glas;
Wurzeln, Wichſe, Schilf und Gras.
Kümmel, Malz, Mais, Raps, Getreide;
Pelzwerk, Fiſchbein, Seife, Seide.
Holz und was aus Holz entſtand,
Leinengarn und Leinewand,
Lichte, Leder, Lederwaare,
Pferdehaare, Menſchenhaare.
Inſtrumente wie Maſchinen;
Karten, die zum Spiele dienen,
Branntwein, Eſſig, Wein und Bier,
Pappe, Druck⸗ und Schreib⸗-Papier.
Kurze Waar'n, Quincaillerie'n
Hopfen, Holz und Terpentin;
Wäſche, Kleider, Hüte, Schuh',
Wachs und Wachstuch auch dazu.
Zinn und Zink und Thon und Stein;
Alle Sorten Specerei'n.
Gummi und Petroleum,
Natron bicarbonicum.
Was da trink⸗ und eß⸗ und rauchbar,
In der Wirthſchaft nutz- und brauchbar:
Pinienkern, Johannisbrod;
Alles Wild, ſofern es todt;
Auſtern, auch wenn ſie noch leben;
Feigen, Mandeln und Zibeben,
Reis, Cigarren und Café,
Tabak, Capern, Fruchtgelée,
Fiſche, Senf, Schildkröten, Thee.
Dieſe Dinge, die ich nannte,
Meiſtentheils dir wohl bekannte,
Stehn — einpräge dir es tief!
Als zollpflichtig im Tarif.
Merke dir nun auch diejen'gen,
Im Verhältniß ziemlich wen'gen,
Die von Zoll auch künftig frei:
Spülicht, Blut, Abfälle, Spreu,
Lumpen, Kohlenaſche, Scherben,
Unterlauge, die beim Gerben
Uebrig bleibt, Gedanken, Kleie;
Alte Stricke — ja nicht neue! —
Dünger, Knochenſchaum, Charpie,
Keinen Pfennig zahlen ſie.
Hefe folgt demſelben Brauch
Und teigart'ger Weinſtein auch.
Frei von Zoll paſſiren — wohl
Merk dir's — Bärme und Benzol;
Häut' und Felle jeder Art,
Haarig oder auch enthaart:
Schiffe, Säulen, Pech und Theer,
Bücher und dergleichen mehr.
Baumwoll, roh, kardätſcht, gekämmt.
Erd' und Erz, gebrannt, geſchlemmt,
Sind durch keinen Zoll gehemmt.

——

Druck u. Verlag von Adolph Emmerling u. Sohn in Heidelberg. Für die Redaction verantwortlich Ad. Emmerling.
 
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