getragen, das waren aber nicht ſeine ſchönſten. Da mußte
er die ſchlechte Soldatenkoſt eſſen und durfte an all ſeine
Lieblingsſpeiſen, welche er auf der Alm mit gewandter
Hand ſelbſt bereitete, nicht einmal denken. Ach, wie oft,
wenn er ſteinharte Erbſen mit ranzigem Speck, oder jene
Art großer Gerſte (Graupen), die man auch Kälberzähne
oder Soldatentod nennt, bekam, dachte er an ſeine präch-
tigen Holzknechtnockerln, Topfennudeln (Topfen, weißer
Käſe, Quark), Küchei (kleine Kuchen in Schmalz gebacken),
an Sterz, Muß und Schmarren! Und gar erſt die
dumpfigen Kaſernen und das düͤſtere Gefängniß, das er
oft zu koſten bekam, weil er an ſchönen Sommerabenden
ſelten zur beſtimmten Stunde den Weg ins Quartier fand.
Im Ganzen aber hatte er des Kaiſers Rock mit
Ehren getragen, und doch war ihm ſo wohl, als er ihn
an den Nagel hängen und zu den geliebten Bergen hinauf-
ſteigen durfte. Wenn auch der Wind durch die roh-
gezimmerte Balkenhütte zog; wenn es der Arbeit und
Mühe genug gab, um die Schafe alle zuſammenzuhalten;
wenn die Koſt auch einfach, oft kärglich war; wenn der
Bauer ſich etwas ſpäter als gewöhnlich mit Schmalz und
Mehl einſtellte: es war doch ein Götterleben im Vergleich
mit jenem andern. So war Rickel ſchon zwanzig Jahre
in demſelben Dienſte und mittlerweile ein ſtarker Vierziger
geworden; er ſah noch bejahrter aus, denn Enthehrungen
und Mühſal aller Art machen den Menſchen alt vor
der Zeit.
Von ſeiner Alm aus konnte man leicht einen Berg
mit ſchöner Ausſicht beſteigen, auch hatte man ſchon von
der Hütte ſelbſt einen weiten Umblick. Da unten lag
Salzburg, das in leichte Nebelſchleier gehüllt oder bei
hellem Mondenſcheine mit ſeiner Feſte Hohenſalzburg einen
zauberhaften Anblick gewährt. Seine Marmorpaläſte und
Kirchen, ſeine Häuſer mit platten Dächern, ſeine rauſchen-
den Brunnen, ſeine in und an den Felſen hängende Vor-
ſtadt, die mächtig ſtrömende Salzach und die unmittelbaren
prachtvollen Umgebungen machen einen unverlöſchbaren
Eindruck. „So weit die deutſche Zunge klingt“ kann
ſich an Reiz der Lage keine Stadt mit der einſt fürſt-
biſchöflichen Reſidenz meſſen.
Das Leben Nickel's auf der Alm war nicht ganz
einſam, denn jeden Sommer kamen Fremde „aufikraxelt“,
die oft bei ihm, der weniger ſchmutzig und mehr zugäng-
lich war als andere Senner, aßen und übernachteten.
Es war ihm gar nicht unlieb, wenn ſie kamen; erhielt
er dann doch meiſtens einen Biſſen Fleiſch oder eine
„Ziehgarre“, ein wahrer Göttergenuß für Nickel, der auf
ſeiner Alm höchſt ſelten eine Pfeife „Commiß“ — jenen
ſchauderhaften k. k. öſterreichiſchen Tabak — zu rauchen
hatte. Kamen „Weibsbilder“, ſo war er nicht ſehr ent-
zückt, die wollten gewöhnlich nicht am „Heuſtadel, ſon-
dern am Kreiſter“ ſchlafen, und wenn er ſeufzend ſein
Bett hergab, waren „die Weiberleut' oft noch ſo dumm“,
friſche Wäſche zu verlangen! Dann wurde er „fuchs-
teufelswild“ und ſagte: „Iſt's Euch noch nit genug?
Haben grad“ erſt ein paar ſauberne Herren drin ge-
ſchlafen! Meint's ebba, i kann alle Tage waſchen?“
Am andern Tage aber machte ihn eine Taſſe Kaffee, die
ihm geſchenkt wurde, wieder guter Laune. Häufig kamen
Maler, die tagelang bei ihm blieben; einmal ſogar eine
Malerin, das war eine „Herriſche“, — vornehme Dame, —
ganz „noblig“, mit ledernen Handſchuhen, einem gelben
„Regenparaſol und goldigen Augengläſern“. Sie war
eine Baronin und malte Bilder, welche ſie verkaufte.
Sie blieb wohl vierzehn Tage lang auf der Alm, und
dem Schafhirten that es recht leid, als ſie aufbrach. Sie
verſprach freilich, im nächſten Jahre wiederzukommen;
aber das hatten viele geſagt, die oben waren, und faſt
nie hielt einer ſein Wort. Nickel trug ihr das Maler-
geräth ein Stück Wegs hinab und beim Abſchied drückte
er ihr die Hand und ſagte: „P'fit Di Gott, Fräulein
Baronin“ — er hatte als Soldat feine Lebensart ge-
lernt! — „und kimm fein wieder auf's Jahr! Aber i
glaub's nit, und i hab' Dich doch ſo vill gern!“
Sie ging und Nickel ſchaute ihr nach, bis das Ende
ihres wehenden Schleiers hinter einem Felsvorſprunge
verſchwand. „Jetzt iſt die a wieder dahin, — nix Zu-
wideres giebt's doch nit auf der Welt, als wenn einem
wer ſo vill gut gefallt und man kann halt nit beiſammen
ſein. Hab's gewiß zum letztenmal geſeg'n!“ ö
Dann ſtieg er in ſeine Hütte hinauf und hantirte mit
den Schafen; ſie waren heute recht widerſpenſtig, oder
war er ſelber ſo übler Laune? ö
„Da gehſt her, Schwarzer, — du Sackermenter, hörſt
nit? — Ob die Fräulein Baronin gut abikommen iſt?
Am End' iſt ihr gar was paſſirt! — Scheckerl, wo laufſt
denn wieder hin? 's iſt doch heint grad', als ob der
Teifi ſelber unter das Viech gefahren war'! — J war
gern mitgangen, aber i kann ja nit ſo lang fort von die
Schaf', — Kruzineſen, Viecher vermaledeite, könnt's nit
beiſammen bleiben? — Ob die Fräulein Baronin nächſtes
Jahr wohl wieder herkimmt? Gelt, di hat's abgemalen,
Lamperl (Lämmchen), und ſo ähnlich ſchon, daß man di
glei wiedererkennt! Accurat 's Schwoaferl (Schwänz-
chen), und dein lieb's dumm's Gefrießerl (Geſichtchen).
J hätt mi a gern abmalen laſſen, aber i hab' mi nix
z' ſagen traut; na, nächſtes Jahr vielleicht! Ach, i bin
halt an rechter Dalk (Dummkopf), die Fräulein Baronin
denkt nächſtes Jahr nimmer an uns, ihr guten Thiereln!“
Der Herbſt kam mit ſeinen ſtarken Reifen und Nickel
trieb heim. Der Winter verging einförmig, wie immer;
danach erſchien das Frühjahr mit ſeinen Stürmen und
endlich der erſehnte Sommer. Nickel zog wieder zur
Alm. „Das Lamperl, das die Frl. Baronin im vori-
gen Jahr gemalen, war ein mortaliſch Viech geworden;
das Gefrießerl war noch grade ſo dumm, aber nicht mehr
ſo lieb.“ Alles ging wieder ſeinen gewöhnlichen Gang.
Fremde kamen; Männer, auch einzelne Frauen, aber die
Baronin blieb aus. Es war ſchon Ende Auguſt, Nickel
gab jede Hoffnung auf; dennoch klopfte ſein Herz bei
jedem gelben „Regenparaſol“, welcher den Berg herauf-
getragen wurde.
Nickel ging, wie alle Sommer, früh ins Bett; mußte
er doch früh wieder auf. So lag er ſchlafend und
träumte von dem gelben Schirme. War's nicht natür-
lich, daß ihm im Traume wieder vorkam, woran er den
ganzen Tag dachte? Dem „gemalenen Lamperl“ war der
Schirm auf der Naſe feſtgewachſen und es ſtolzirte damit
herum. Nickel bemühte ſich vergebens, ihn loszureißen.
Die Baronin ſtand dabei und ſagte: Nickel, wenn Du
mir den Schirm nicht giebſt, ſo gehe ich gleich fort und
komme nie mehr im Leben!
Was half's, daß er ſich anſtrengte und abarbeitete,
bis ihm der Schweiß über's Geſicht lief? Plötzlich drehte
ſich die Baronin um und klopfte an ſein Hüttenfenſter,
— er erwachte, noch ſchwitzend und zitternd. Draußen
wurde wirklich geklopft.
„Wer kommt denn noch ſo bei nachtſchlafender Zeit?“
ſchrie unwillig Nickel. „Müßt's grad' die Leut' plagen?“
„Ich bin's, Nickel, mach' nur auf!“ ertönte eine
Stimme, die er unter tauſenden wiedererkannt hätte.
„Jeſus Maria! Träum' i denn noch?“
„Läßt Du mich wirklich nicht ein?“
„Sie iſt's, ſie iſt's!“ jubelte der Senner und ſchrie
hinaus:
„Glei kimm i!“
er die ſchlechte Soldatenkoſt eſſen und durfte an all ſeine
Lieblingsſpeiſen, welche er auf der Alm mit gewandter
Hand ſelbſt bereitete, nicht einmal denken. Ach, wie oft,
wenn er ſteinharte Erbſen mit ranzigem Speck, oder jene
Art großer Gerſte (Graupen), die man auch Kälberzähne
oder Soldatentod nennt, bekam, dachte er an ſeine präch-
tigen Holzknechtnockerln, Topfennudeln (Topfen, weißer
Käſe, Quark), Küchei (kleine Kuchen in Schmalz gebacken),
an Sterz, Muß und Schmarren! Und gar erſt die
dumpfigen Kaſernen und das düͤſtere Gefängniß, das er
oft zu koſten bekam, weil er an ſchönen Sommerabenden
ſelten zur beſtimmten Stunde den Weg ins Quartier fand.
Im Ganzen aber hatte er des Kaiſers Rock mit
Ehren getragen, und doch war ihm ſo wohl, als er ihn
an den Nagel hängen und zu den geliebten Bergen hinauf-
ſteigen durfte. Wenn auch der Wind durch die roh-
gezimmerte Balkenhütte zog; wenn es der Arbeit und
Mühe genug gab, um die Schafe alle zuſammenzuhalten;
wenn die Koſt auch einfach, oft kärglich war; wenn der
Bauer ſich etwas ſpäter als gewöhnlich mit Schmalz und
Mehl einſtellte: es war doch ein Götterleben im Vergleich
mit jenem andern. So war Rickel ſchon zwanzig Jahre
in demſelben Dienſte und mittlerweile ein ſtarker Vierziger
geworden; er ſah noch bejahrter aus, denn Enthehrungen
und Mühſal aller Art machen den Menſchen alt vor
der Zeit.
Von ſeiner Alm aus konnte man leicht einen Berg
mit ſchöner Ausſicht beſteigen, auch hatte man ſchon von
der Hütte ſelbſt einen weiten Umblick. Da unten lag
Salzburg, das in leichte Nebelſchleier gehüllt oder bei
hellem Mondenſcheine mit ſeiner Feſte Hohenſalzburg einen
zauberhaften Anblick gewährt. Seine Marmorpaläſte und
Kirchen, ſeine Häuſer mit platten Dächern, ſeine rauſchen-
den Brunnen, ſeine in und an den Felſen hängende Vor-
ſtadt, die mächtig ſtrömende Salzach und die unmittelbaren
prachtvollen Umgebungen machen einen unverlöſchbaren
Eindruck. „So weit die deutſche Zunge klingt“ kann
ſich an Reiz der Lage keine Stadt mit der einſt fürſt-
biſchöflichen Reſidenz meſſen.
Das Leben Nickel's auf der Alm war nicht ganz
einſam, denn jeden Sommer kamen Fremde „aufikraxelt“,
die oft bei ihm, der weniger ſchmutzig und mehr zugäng-
lich war als andere Senner, aßen und übernachteten.
Es war ihm gar nicht unlieb, wenn ſie kamen; erhielt
er dann doch meiſtens einen Biſſen Fleiſch oder eine
„Ziehgarre“, ein wahrer Göttergenuß für Nickel, der auf
ſeiner Alm höchſt ſelten eine Pfeife „Commiß“ — jenen
ſchauderhaften k. k. öſterreichiſchen Tabak — zu rauchen
hatte. Kamen „Weibsbilder“, ſo war er nicht ſehr ent-
zückt, die wollten gewöhnlich nicht am „Heuſtadel, ſon-
dern am Kreiſter“ ſchlafen, und wenn er ſeufzend ſein
Bett hergab, waren „die Weiberleut' oft noch ſo dumm“,
friſche Wäſche zu verlangen! Dann wurde er „fuchs-
teufelswild“ und ſagte: „Iſt's Euch noch nit genug?
Haben grad“ erſt ein paar ſauberne Herren drin ge-
ſchlafen! Meint's ebba, i kann alle Tage waſchen?“
Am andern Tage aber machte ihn eine Taſſe Kaffee, die
ihm geſchenkt wurde, wieder guter Laune. Häufig kamen
Maler, die tagelang bei ihm blieben; einmal ſogar eine
Malerin, das war eine „Herriſche“, — vornehme Dame, —
ganz „noblig“, mit ledernen Handſchuhen, einem gelben
„Regenparaſol und goldigen Augengläſern“. Sie war
eine Baronin und malte Bilder, welche ſie verkaufte.
Sie blieb wohl vierzehn Tage lang auf der Alm, und
dem Schafhirten that es recht leid, als ſie aufbrach. Sie
verſprach freilich, im nächſten Jahre wiederzukommen;
aber das hatten viele geſagt, die oben waren, und faſt
nie hielt einer ſein Wort. Nickel trug ihr das Maler-
geräth ein Stück Wegs hinab und beim Abſchied drückte
er ihr die Hand und ſagte: „P'fit Di Gott, Fräulein
Baronin“ — er hatte als Soldat feine Lebensart ge-
lernt! — „und kimm fein wieder auf's Jahr! Aber i
glaub's nit, und i hab' Dich doch ſo vill gern!“
Sie ging und Nickel ſchaute ihr nach, bis das Ende
ihres wehenden Schleiers hinter einem Felsvorſprunge
verſchwand. „Jetzt iſt die a wieder dahin, — nix Zu-
wideres giebt's doch nit auf der Welt, als wenn einem
wer ſo vill gut gefallt und man kann halt nit beiſammen
ſein. Hab's gewiß zum letztenmal geſeg'n!“ ö
Dann ſtieg er in ſeine Hütte hinauf und hantirte mit
den Schafen; ſie waren heute recht widerſpenſtig, oder
war er ſelber ſo übler Laune? ö
„Da gehſt her, Schwarzer, — du Sackermenter, hörſt
nit? — Ob die Fräulein Baronin gut abikommen iſt?
Am End' iſt ihr gar was paſſirt! — Scheckerl, wo laufſt
denn wieder hin? 's iſt doch heint grad', als ob der
Teifi ſelber unter das Viech gefahren war'! — J war
gern mitgangen, aber i kann ja nit ſo lang fort von die
Schaf', — Kruzineſen, Viecher vermaledeite, könnt's nit
beiſammen bleiben? — Ob die Fräulein Baronin nächſtes
Jahr wohl wieder herkimmt? Gelt, di hat's abgemalen,
Lamperl (Lämmchen), und ſo ähnlich ſchon, daß man di
glei wiedererkennt! Accurat 's Schwoaferl (Schwänz-
chen), und dein lieb's dumm's Gefrießerl (Geſichtchen).
J hätt mi a gern abmalen laſſen, aber i hab' mi nix
z' ſagen traut; na, nächſtes Jahr vielleicht! Ach, i bin
halt an rechter Dalk (Dummkopf), die Fräulein Baronin
denkt nächſtes Jahr nimmer an uns, ihr guten Thiereln!“
Der Herbſt kam mit ſeinen ſtarken Reifen und Nickel
trieb heim. Der Winter verging einförmig, wie immer;
danach erſchien das Frühjahr mit ſeinen Stürmen und
endlich der erſehnte Sommer. Nickel zog wieder zur
Alm. „Das Lamperl, das die Frl. Baronin im vori-
gen Jahr gemalen, war ein mortaliſch Viech geworden;
das Gefrießerl war noch grade ſo dumm, aber nicht mehr
ſo lieb.“ Alles ging wieder ſeinen gewöhnlichen Gang.
Fremde kamen; Männer, auch einzelne Frauen, aber die
Baronin blieb aus. Es war ſchon Ende Auguſt, Nickel
gab jede Hoffnung auf; dennoch klopfte ſein Herz bei
jedem gelben „Regenparaſol“, welcher den Berg herauf-
getragen wurde.
Nickel ging, wie alle Sommer, früh ins Bett; mußte
er doch früh wieder auf. So lag er ſchlafend und
träumte von dem gelben Schirme. War's nicht natür-
lich, daß ihm im Traume wieder vorkam, woran er den
ganzen Tag dachte? Dem „gemalenen Lamperl“ war der
Schirm auf der Naſe feſtgewachſen und es ſtolzirte damit
herum. Nickel bemühte ſich vergebens, ihn loszureißen.
Die Baronin ſtand dabei und ſagte: Nickel, wenn Du
mir den Schirm nicht giebſt, ſo gehe ich gleich fort und
komme nie mehr im Leben!
Was half's, daß er ſich anſtrengte und abarbeitete,
bis ihm der Schweiß über's Geſicht lief? Plötzlich drehte
ſich die Baronin um und klopfte an ſein Hüttenfenſter,
— er erwachte, noch ſchwitzend und zitternd. Draußen
wurde wirklich geklopft.
„Wer kommt denn noch ſo bei nachtſchlafender Zeit?“
ſchrie unwillig Nickel. „Müßt's grad' die Leut' plagen?“
„Ich bin's, Nickel, mach' nur auf!“ ertönte eine
Stimme, die er unter tauſenden wiedererkannt hätte.
„Jeſus Maria! Träum' i denn noch?“
„Läßt Du mich wirklich nicht ein?“
„Sie iſt's, ſie iſt's!“ jubelte der Senner und ſchrie
hinaus:
„Glei kimm i!“