Vorkarolingische Miniaturen
3. Südenglische Handschrift.
9 1224 [Salisb. 32]. Evangeliarium, sogen. Cutbercht-Evangeliar.
Lateinisch, Folio, VIII. Jahrhundert.
Dickes m., 238X310. 205 f. Z. T. sogenannte angelsächsische Minuskel in 2 Spalten zu 20—25 Zeilen, z. T. insulare Halbunziale; die
letzte Lage von einer anderen Hand. Rote Überschriften und kleine rote Initialen. Die Quaternionen durch Buchstaben bezeichnet. 4 Vollbilder,
8 Kanonestafeln und 5 große Initialen. Einband: Weißer Lederband über Holzdeckeln (Salzburg, 2. Viertel des XV. Jahrhunderts, 1912
restauriert). Vorder- und Hinterdeckel durch je 9 Paare von gestrichenen Diagonallinicn in Rauten geteilt. Auf dem Vorderdeckcl oben ein auf-
geklebter Pergamentstreifen mit der Aufschrift: „Canones in textus ewangeliorum“ von einer Hand des 2. Viertel des XV. Jahrhunderts; daneben die
rote Nummer 46 des von Johannes Plolveld 1433 — J435 verfaßten Katalogs der Salzburger Dombibliothek (vgl.: Anm. zu Cod. 675, Nr. 7 dieses
Verzeichnisses). Die Lederriemen der beiden Schließen samt den Metallbeschlägen abgerissen. Auf dem achtteiligen Rücken oben Papieretikette mit
dem Titel (Ende des XVI. Jahrhundert), unten Zettel mit der Nr. 3420 der Recenteshandschriften der Hofbibliothek. Das Kapital mit Spagat umstochen.
Von einem angelsächsischen und zwar südenglischen Schreiber,
geschrieben. Die Handschrift gehört zum ältesten Bestände der Salzbu
Bischofs Vergilius (gest. 784) in Salzburg ausgeführt oder durch Vergilius
stehung in Südengland annimmt. Die Handschrift kam 1806 aus der Sa
Die Handschrift, ein wichtiges Denkmal der irisch-
angelsächsischen Miniaturmalerei des VIII. Jahrhunderts,
wird zum erstenmal von Martin Gerbert in seinem
„Iter alemannicum“ (S. Blasien 1765), S. 419 erwähnt:
„... rarissimus inter Mss. codd. est scotice scriptus cum
inscriptione: f Cutbercht . . . forte codice hoc usus sit
S. Rupertus eumque scripserit S. Cutbertus archiepisco-
pus Cantuariensis, cujus epistolae inter S. Bonifacii
M. extant“.
Diese Hypothese Gerberts entbehrt jeder histo-
rischen Begründung. Hingegen vermutet Foltz a. u. a. O.,
daß Erzbischof Arn (785—821), der „in innigem Ver-
kehr mit den Leitern der geistigen Bestrebungen im
Frankenreich“ stand, das Evangeliar aus dem Westen
nach Salzburg brachte. „Daß die Handschrift einmal
in einem westfränkischen Kloster war, bezeugen — nach
Chroust, a. u. a. O. — die vielen Korrekturen im Kapitel-
verzeichnis zum Matthäusevangelium (f. 7—9'), die jene
charakteristische spitze Minuskel aufweisen, die in den
nordfränkischen Schreibschulen vor und nach 800 ge-
namens Cutbercht, in der 2. Hälfte des VIII. Jahrhunderts (um 770)
rger Bibliothek. Swarzenski a. u. a. O. vermutet, daß sie zur Zeit des
nach Salzburg gebracht wurde, während Zimmermann a. u. a. O. eine Ent-
Izburger Dombibliothek in die Hofbibliothek.
schrieben wurde. Man möchte dabei wegen Arn an
St. Amand denken, oder wenigstens beim Korrektor
an einen Mann aus Arn’s Umgebung, der in einem
westfränkischen Kloster schreiben gelernt hat. Andere
Korrekturen zeigen dagegen durchaus den Zug der
Salzburger Schulen. Diese Korrekturen machen es wahr-
scheinlich, daß die Handschrift, die noch im VIII. Jahr-
hundert, und zwar vor dessen Mitte geschrieben wurde,
schon in der 1. Hälfte des IX. Jahrhunderts in Salzburg
war.“ Dem gegenüber vermutet Swarzenski1), daß die
Handschrift entweder in Salzburg selbst von Cutbercht zur
Zeit des Bischofsabtes Vergilius (743—784, Bischof seit
767) geschrieben wurde, der — selbst schottischer Her-
kunft — aus dem Kloster Ily auf der heiligen Insel Jona
nach Salzburg kam, oder wenigstens durch Vergilius
nach Salzburg gebracht wurde. Dafür spräche die Tat-
sache, daß die Evangelistenbilder des Cutbercht-
Evangeliars in dem in Salzburg entstandenen
sog. Codex Millenarius der Stiftsbibliothek zu
Kremsmünster (Cim. 1) frei kopiert sind. Das Cut-
x) Georg Swarzenski, die Regensburger Buchmalerei des X. und XI. Jahrhunderts (Leipzig 1901), S. 17. Anm. 26; vgl. auch die Bemerkungen über
das Verhältnis zu spätantiken-Vorbildern, ebenda S. 8. Georg Swarzenski, die Salzburger Malerei von den ersten Anfängen bis zur Blütezeit des
romanischen Stils, Tafelband (Leipzig 1908), Tafel I—VI; Textband, S. 1 ff, namentlich S. 7, wo Swarzenski sich neuerdings — was Zimmermann
a. u. a. O. übersehen hat — für die Möglichkeit einer Entstehung in Salzburg ausspricht. Auf Tafel I—IV sind die Evangelistenbilder mit jenen des
Codex Millenarius zusammen gestellt, Tafel V—VI geben Abbildungen der Kanonestafeln und Initialen.
3. Südenglische Handschrift.
9 1224 [Salisb. 32]. Evangeliarium, sogen. Cutbercht-Evangeliar.
Lateinisch, Folio, VIII. Jahrhundert.
Dickes m., 238X310. 205 f. Z. T. sogenannte angelsächsische Minuskel in 2 Spalten zu 20—25 Zeilen, z. T. insulare Halbunziale; die
letzte Lage von einer anderen Hand. Rote Überschriften und kleine rote Initialen. Die Quaternionen durch Buchstaben bezeichnet. 4 Vollbilder,
8 Kanonestafeln und 5 große Initialen. Einband: Weißer Lederband über Holzdeckeln (Salzburg, 2. Viertel des XV. Jahrhunderts, 1912
restauriert). Vorder- und Hinterdeckel durch je 9 Paare von gestrichenen Diagonallinicn in Rauten geteilt. Auf dem Vorderdeckcl oben ein auf-
geklebter Pergamentstreifen mit der Aufschrift: „Canones in textus ewangeliorum“ von einer Hand des 2. Viertel des XV. Jahrhunderts; daneben die
rote Nummer 46 des von Johannes Plolveld 1433 — J435 verfaßten Katalogs der Salzburger Dombibliothek (vgl.: Anm. zu Cod. 675, Nr. 7 dieses
Verzeichnisses). Die Lederriemen der beiden Schließen samt den Metallbeschlägen abgerissen. Auf dem achtteiligen Rücken oben Papieretikette mit
dem Titel (Ende des XVI. Jahrhundert), unten Zettel mit der Nr. 3420 der Recenteshandschriften der Hofbibliothek. Das Kapital mit Spagat umstochen.
Von einem angelsächsischen und zwar südenglischen Schreiber,
geschrieben. Die Handschrift gehört zum ältesten Bestände der Salzbu
Bischofs Vergilius (gest. 784) in Salzburg ausgeführt oder durch Vergilius
stehung in Südengland annimmt. Die Handschrift kam 1806 aus der Sa
Die Handschrift, ein wichtiges Denkmal der irisch-
angelsächsischen Miniaturmalerei des VIII. Jahrhunderts,
wird zum erstenmal von Martin Gerbert in seinem
„Iter alemannicum“ (S. Blasien 1765), S. 419 erwähnt:
„... rarissimus inter Mss. codd. est scotice scriptus cum
inscriptione: f Cutbercht . . . forte codice hoc usus sit
S. Rupertus eumque scripserit S. Cutbertus archiepisco-
pus Cantuariensis, cujus epistolae inter S. Bonifacii
M. extant“.
Diese Hypothese Gerberts entbehrt jeder histo-
rischen Begründung. Hingegen vermutet Foltz a. u. a. O.,
daß Erzbischof Arn (785—821), der „in innigem Ver-
kehr mit den Leitern der geistigen Bestrebungen im
Frankenreich“ stand, das Evangeliar aus dem Westen
nach Salzburg brachte. „Daß die Handschrift einmal
in einem westfränkischen Kloster war, bezeugen — nach
Chroust, a. u. a. O. — die vielen Korrekturen im Kapitel-
verzeichnis zum Matthäusevangelium (f. 7—9'), die jene
charakteristische spitze Minuskel aufweisen, die in den
nordfränkischen Schreibschulen vor und nach 800 ge-
namens Cutbercht, in der 2. Hälfte des VIII. Jahrhunderts (um 770)
rger Bibliothek. Swarzenski a. u. a. O. vermutet, daß sie zur Zeit des
nach Salzburg gebracht wurde, während Zimmermann a. u. a. O. eine Ent-
Izburger Dombibliothek in die Hofbibliothek.
schrieben wurde. Man möchte dabei wegen Arn an
St. Amand denken, oder wenigstens beim Korrektor
an einen Mann aus Arn’s Umgebung, der in einem
westfränkischen Kloster schreiben gelernt hat. Andere
Korrekturen zeigen dagegen durchaus den Zug der
Salzburger Schulen. Diese Korrekturen machen es wahr-
scheinlich, daß die Handschrift, die noch im VIII. Jahr-
hundert, und zwar vor dessen Mitte geschrieben wurde,
schon in der 1. Hälfte des IX. Jahrhunderts in Salzburg
war.“ Dem gegenüber vermutet Swarzenski1), daß die
Handschrift entweder in Salzburg selbst von Cutbercht zur
Zeit des Bischofsabtes Vergilius (743—784, Bischof seit
767) geschrieben wurde, der — selbst schottischer Her-
kunft — aus dem Kloster Ily auf der heiligen Insel Jona
nach Salzburg kam, oder wenigstens durch Vergilius
nach Salzburg gebracht wurde. Dafür spräche die Tat-
sache, daß die Evangelistenbilder des Cutbercht-
Evangeliars in dem in Salzburg entstandenen
sog. Codex Millenarius der Stiftsbibliothek zu
Kremsmünster (Cim. 1) frei kopiert sind. Das Cut-
x) Georg Swarzenski, die Regensburger Buchmalerei des X. und XI. Jahrhunderts (Leipzig 1901), S. 17. Anm. 26; vgl. auch die Bemerkungen über
das Verhältnis zu spätantiken-Vorbildern, ebenda S. 8. Georg Swarzenski, die Salzburger Malerei von den ersten Anfängen bis zur Blütezeit des
romanischen Stils, Tafelband (Leipzig 1908), Tafel I—VI; Textband, S. 1 ff, namentlich S. 7, wo Swarzenski sich neuerdings — was Zimmermann
a. u. a. O. übersehen hat — für die Möglichkeit einer Entstehung in Salzburg ausspricht. Auf Tafel I—IV sind die Evangelistenbilder mit jenen des
Codex Millenarius zusammen gestellt, Tafel V—VI geben Abbildungen der Kanonestafeln und Initialen.