Karolingische Handschriften.
1. Westfränkische Arbeiten.
1861 [Theol. 652]. Psalterium aureum Caroli Magni. Lateinisch, 8°, VIII. Jahrhundert.
Prachtvolles m., 120X192. 161 8°. Z. T. goldene, z. T. mennigrote karolingische (westfränkische) Minuskel in einer Spalte zu 18—23 Zeilen.
Überschriften in Unziale, im Text mennigrot, auf den Zierseiten in Silber. Drei Zierblätter (ff. 2$, 6ff und 108') sowie das Titelblatt
der Psalmen (f. 24') in goldener Majuskel auf purpurrotem (f 24) bzw. dunkelblauem Grund in reich verzierten Rahmen;
ebenso der Anfang des 51. Psalmen in silberner Majuskel auf stahlblauem Grund, ferner drei reicher ausgestattete Initialen
(zu Psalm 109, Psalm 108 und Isaias, Kap. XII) sowie zahlreiche einfachere Initialen. Einband: Brauner Chagrin-Lederband über Pappdeckel
(Wien, um die Mitte des XIX. Jahrhunderts). An den Kanten blinde Linien; ebenso in einem Abstand von 22 mm. ein Rahmen aus blinden Linien
mit Blütenstempeln an den Ecken. Sechsteiliger Rücken. Das Kapital mit gelben und hellblauen Fäden umstochen. Glatter Goldschnitt.
Wahrscheinlich in der Hofschule (Palastschule, Schola Palatina) zu Aachen zwischen 783 und 795 von dem Kalligraphen Dagulf
im Auftrage Kaiser Karls des Großen ausgeführt. Wie aus dem Widmungsgedicht auf f. 4 hervorgeht, war diese Prachthandschrift als Geschenk
Karls des Großen an den Papst Hadrian I (772—795) bestimmt. Andererseits ergibt sich aus einer Eintragung eines Notars Henseler
(XVII. Jahrhundert), welche aus einem zwischen 1415—1420 von Johannes Hemeling verfaßten „Diplomatarium fabrice ecclesie Bremensis“1) ab-
geschrieben ist, daß im Dome zu Bremen ein Psalter aufbewahrt wurde, der der Tradition nach als Geschenk Karls des Großen au
den heiligen Willehad 788 an die Kirche von Bremen kam. Chroust'2) hält es für möglich, „daß Hadrian das königliche Geschenk zur
Ausstattung der Bremer Kirche verwendet und dem heiligen Willehad überlassen hätte. Eine wie es scheint alte Tradition läßt aber den Psalter
ursprünglich im Besitze der Gemahlin Karls des Großen, Hildegard sein und nach deren Tod im Jahre 788 unmittelbar von Karl dem
Großen an Willehad (gest. 9. November 789) gelangen. — Möglich, daß wegen des vorzeitigen Ablebens Fladrians die Handschrift nicht an ihren
Bestimmungsort gelangte, sondern von Karl dem Großen an Willehad oder dessen Nachfolger verschenkt worden ist.“ Demgegenüber verweist Beer
a. a. O. auf die Hypothese Schumachers (Rezension des Aufsatzes von Haupt im Bremer Sonntagsblatt vom 25. März 1866), daß der Psalter zunächst
zweifellos dem Papste Hadrian I überbracht wurde, daß später Heinrich IV als Knabe in den Besitz eines in goldenen Buchstaben geschrie-
benen Psalters kam, den er in den sechziger Jahren des XI. Jahrhunderts an Erzbischof Adalbert von Bremen (1043—1072) geschenkt hat.
Wenigstens ist die Nachricht von einer derartigen Schenkung durch Adam von Bremen überliefert. Schumacher vermutet, daß schon Heinrich III.,
der „1046 dem hauptlosen Rom, dann 1055 in ganz Italien geboten hatte“, in den Besitz des Psalters gekommen sei. Um die Mitte des XVII. Jahr-
hunderts kam die Handschrift — vielleicht als Widmung des Bremer Domkapitels an den Kaiser— in die Privatbibliothek Kaiser
Leopolds I., doch ohne den Elfenbeineinband, dessen Reliefs sich gegenwärtig im Louvre zu Paris befinden. Sie trug damals einen blauen Seideneinband
(„compactura holoserica caerulea“), der im XIX. Jahrhundert durch den gegenwärtigen Einband ersetzt wurde. Vermutlich 1666 gelangte die Hand-
schrift in die Hofbibliothek. Bereits 1669 wird sie von Lambeccius im II. Bande seiner Commentarii beschrieben.
Die Handschrift gehört — sowohl was die Schrift
als auch die ornamentale Ausstattung betrifft — zu den
hervorragendsten Denkmälern frühkarolingischer Buch-
kunst. Als erster hat Menzel* * 8) die Übereinstimmung des
Psalters mit Arbeiten der sogenannten Adagruppe er-
kannt; ihm haben dann Sauerland und Haseloff a. u. a. O.
zugestimmt. Auch Chroust a. a. O. findet die größte
Verwandtschaft der Schrift des Dagulf mit jener der
ersten Hand der Adahandschrift, in der Beer a. u. a. O.
S. 39 im Anschlüsse an Steffens (Lateinische Palaeo-
graphie [1903], S. 36) die des Godescälc, des Schreibers
des nach ihm benannten, zwischen 781—783 für Karl
den Großen ausgeführten Evangelistars der Bibliotheque
nationale zu Paris (Nouv. acqu. lat. 1203) erkannte. Für
die Zugehörigkeit des Psalters zur Adagruppe, deren
Handschriften wir aller Wahrscheinlichkeit als Schöpf-
ungen der Schola Palatina ansehen dürfen, spricht auch
die ornamentale Ausstattung. Nahezu alle Ornamente
J) Ein Exemplar in der Staatsbibliothek zu Wolfenbüttel, eine Abschrift im Bremer Stadtarchiv. Vgl. Beer a. u. a. O., S. 66 f.
3) Ant. Chroust a. u. a. O., Text zu Tafel IV.
8) Menzel, Corßen, Janitschek u. a., Die Trierer Adahandschrift (Leipzig 1889). Janitschek S. 88 lokalisiert die Handschrift nach Metz. Ed. Braun,
Beiträge zur Geschichte der Trierer Buchmalerei im frühen Mittelalter, Westdeutsche Zeitschrift, IX. Ergänzungsheft, S. 51 nach Trier, ebenso Vöge
in seiner Besprechung dieser Abhandlung im Repertorium für Kunstwissenschaft XIX (1896), S. 127. Menzel a. a. O., S. 9 hat sich als erster
dahin ausgesprochen, daß die Adahandschrift der Schola Palatina angehört. Vgl. auch Samuel Berger a. u. a. O., S. 259 f.
8
10
1. Westfränkische Arbeiten.
1861 [Theol. 652]. Psalterium aureum Caroli Magni. Lateinisch, 8°, VIII. Jahrhundert.
Prachtvolles m., 120X192. 161 8°. Z. T. goldene, z. T. mennigrote karolingische (westfränkische) Minuskel in einer Spalte zu 18—23 Zeilen.
Überschriften in Unziale, im Text mennigrot, auf den Zierseiten in Silber. Drei Zierblätter (ff. 2$, 6ff und 108') sowie das Titelblatt
der Psalmen (f. 24') in goldener Majuskel auf purpurrotem (f 24) bzw. dunkelblauem Grund in reich verzierten Rahmen;
ebenso der Anfang des 51. Psalmen in silberner Majuskel auf stahlblauem Grund, ferner drei reicher ausgestattete Initialen
(zu Psalm 109, Psalm 108 und Isaias, Kap. XII) sowie zahlreiche einfachere Initialen. Einband: Brauner Chagrin-Lederband über Pappdeckel
(Wien, um die Mitte des XIX. Jahrhunderts). An den Kanten blinde Linien; ebenso in einem Abstand von 22 mm. ein Rahmen aus blinden Linien
mit Blütenstempeln an den Ecken. Sechsteiliger Rücken. Das Kapital mit gelben und hellblauen Fäden umstochen. Glatter Goldschnitt.
Wahrscheinlich in der Hofschule (Palastschule, Schola Palatina) zu Aachen zwischen 783 und 795 von dem Kalligraphen Dagulf
im Auftrage Kaiser Karls des Großen ausgeführt. Wie aus dem Widmungsgedicht auf f. 4 hervorgeht, war diese Prachthandschrift als Geschenk
Karls des Großen an den Papst Hadrian I (772—795) bestimmt. Andererseits ergibt sich aus einer Eintragung eines Notars Henseler
(XVII. Jahrhundert), welche aus einem zwischen 1415—1420 von Johannes Hemeling verfaßten „Diplomatarium fabrice ecclesie Bremensis“1) ab-
geschrieben ist, daß im Dome zu Bremen ein Psalter aufbewahrt wurde, der der Tradition nach als Geschenk Karls des Großen au
den heiligen Willehad 788 an die Kirche von Bremen kam. Chroust'2) hält es für möglich, „daß Hadrian das königliche Geschenk zur
Ausstattung der Bremer Kirche verwendet und dem heiligen Willehad überlassen hätte. Eine wie es scheint alte Tradition läßt aber den Psalter
ursprünglich im Besitze der Gemahlin Karls des Großen, Hildegard sein und nach deren Tod im Jahre 788 unmittelbar von Karl dem
Großen an Willehad (gest. 9. November 789) gelangen. — Möglich, daß wegen des vorzeitigen Ablebens Fladrians die Handschrift nicht an ihren
Bestimmungsort gelangte, sondern von Karl dem Großen an Willehad oder dessen Nachfolger verschenkt worden ist.“ Demgegenüber verweist Beer
a. a. O. auf die Hypothese Schumachers (Rezension des Aufsatzes von Haupt im Bremer Sonntagsblatt vom 25. März 1866), daß der Psalter zunächst
zweifellos dem Papste Hadrian I überbracht wurde, daß später Heinrich IV als Knabe in den Besitz eines in goldenen Buchstaben geschrie-
benen Psalters kam, den er in den sechziger Jahren des XI. Jahrhunderts an Erzbischof Adalbert von Bremen (1043—1072) geschenkt hat.
Wenigstens ist die Nachricht von einer derartigen Schenkung durch Adam von Bremen überliefert. Schumacher vermutet, daß schon Heinrich III.,
der „1046 dem hauptlosen Rom, dann 1055 in ganz Italien geboten hatte“, in den Besitz des Psalters gekommen sei. Um die Mitte des XVII. Jahr-
hunderts kam die Handschrift — vielleicht als Widmung des Bremer Domkapitels an den Kaiser— in die Privatbibliothek Kaiser
Leopolds I., doch ohne den Elfenbeineinband, dessen Reliefs sich gegenwärtig im Louvre zu Paris befinden. Sie trug damals einen blauen Seideneinband
(„compactura holoserica caerulea“), der im XIX. Jahrhundert durch den gegenwärtigen Einband ersetzt wurde. Vermutlich 1666 gelangte die Hand-
schrift in die Hofbibliothek. Bereits 1669 wird sie von Lambeccius im II. Bande seiner Commentarii beschrieben.
Die Handschrift gehört — sowohl was die Schrift
als auch die ornamentale Ausstattung betrifft — zu den
hervorragendsten Denkmälern frühkarolingischer Buch-
kunst. Als erster hat Menzel* * 8) die Übereinstimmung des
Psalters mit Arbeiten der sogenannten Adagruppe er-
kannt; ihm haben dann Sauerland und Haseloff a. u. a. O.
zugestimmt. Auch Chroust a. a. O. findet die größte
Verwandtschaft der Schrift des Dagulf mit jener der
ersten Hand der Adahandschrift, in der Beer a. u. a. O.
S. 39 im Anschlüsse an Steffens (Lateinische Palaeo-
graphie [1903], S. 36) die des Godescälc, des Schreibers
des nach ihm benannten, zwischen 781—783 für Karl
den Großen ausgeführten Evangelistars der Bibliotheque
nationale zu Paris (Nouv. acqu. lat. 1203) erkannte. Für
die Zugehörigkeit des Psalters zur Adagruppe, deren
Handschriften wir aller Wahrscheinlichkeit als Schöpf-
ungen der Schola Palatina ansehen dürfen, spricht auch
die ornamentale Ausstattung. Nahezu alle Ornamente
J) Ein Exemplar in der Staatsbibliothek zu Wolfenbüttel, eine Abschrift im Bremer Stadtarchiv. Vgl. Beer a. u. a. O., S. 66 f.
3) Ant. Chroust a. u. a. O., Text zu Tafel IV.
8) Menzel, Corßen, Janitschek u. a., Die Trierer Adahandschrift (Leipzig 1889). Janitschek S. 88 lokalisiert die Handschrift nach Metz. Ed. Braun,
Beiträge zur Geschichte der Trierer Buchmalerei im frühen Mittelalter, Westdeutsche Zeitschrift, IX. Ergänzungsheft, S. 51 nach Trier, ebenso Vöge
in seiner Besprechung dieser Abhandlung im Repertorium für Kunstwissenschaft XIX (1896), S. 127. Menzel a. a. O., S. 9 hat sich als erster
dahin ausgesprochen, daß die Adahandschrift der Schola Palatina angehört. Vgl. auch Samuel Berger a. u. a. O., S. 259 f.
8
10