Altchristliche Handschrift.
847 [Theol. 682]. f. 1— 6': Eusebius, Canones harmoniert evangeliorum. Griechisch. 4
/; 7—Rufinus Aquilejensis, Libri duo in caput Geneseos 49 de benedicti-
onibus duodecim patriarcharum. Lateinisch, 4°, VI. Jahrhundert.
Dünnes m., 173X192; 1'5 Seh' regelmäßige Unziale, f 7—nj in 1 Spalte zu 15 Zeilen. 2 in Deckfarben gemalte Zierblätter,
I Titelblatt und 7 Kanonestafeln. Einband: Weißer Pergamentband über Pappdeckel mit Handvergoldung (Wien, 1669). In der
Mitte der beiden Deckel der goldene Doppeladler mit dem Bindenschild mit den Initialen LI (= Leopoldus I.) auf der Brust in ovalem Lorbeer-
kranz, ferner auf dem Vorderdeckel in Goldlettern, oben „E. A. B. C. V.“ (= Ex Augustissima Bibliotheca Caesarea Vindobonensi), unten „16. P. L.
B. 69“ (= Petrus Lambeccius Bibliothecarius 1669). Die zum Verschluß dienenden zwei Paare von grünen Seidenbändern abgerissen. Auf dem
überklebten Rücken die Inhaltsangabe nebst der alten Signatur des Lambeccius „Cod. Mst. Theol. lat. 866“, unten die Ambraser Nummer ,4° 86“.
Das Kapital mit weißem und hellbraunem Spagat umstochen.
In Italien, vermutlich im Raven nätischen im VI. Jahrhundert entstanden. Möglicherweise einst im Besitz des von Cassiodor (gest.
nach 562) gegründeten Klosters Vivarium. Schon im VIII. Jahrhundert im Kloster Bobbio, wo sich die Handschrift noch im XV. Jahrhundert befand.
Ende des XVI. Jahrhunderts in der Bibliothek des Erzherzogs Ferdinand von Tirol auf Schloß Ambras, woher die Handschrift nach dem
Tode des Erzherzogs Sigismund Franz (1665) durch Lambeccius in die Hofbibliothek kam. Auf dem Rücken befindet sich noch die Ambraser
Nummer ,,4° 86“, ebenso auf S. 2: „Ms. Ambr. 86“ von der Hand des Lambeccius. Im Jahre 1809 mit 327 Handschriften nach Paris entführt, wurde
die Handschrift nach dem Sturze Napoleons 1814 oder 1815 zurückgestellt. Vgl. Ferd. Mencik, Die Wegführung der Handschriften aus der Hof-
bibliothek durch die Franzosen im Jahre 1809, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses XXVIII (1909/1910),
II. Teil, Quellen, S. XIX.
Der Text ist in einer äußerst regelmäßigen Unziale
geschrieben und zwar zeigen die griechische und latei-
nische Schrift dieselben Formen. Spätere Eintragungen
von Denksprüchen (f. 1', j' und 6') sind in einer
Minuskel geschrieben, die nach dem Urteil Engelbert
Mühlbachers1) dem VIII. Jahrhundert angehört und
Elemente der westgotischen Schrift aufweist. Rudolf
Beer2 *) hat jedoch auf die völlige Übereinstimmung
dieser Schrift mit der einer aus Bobbio stammenden
Handschrift der Biblioteca nazionale zu Turin (A. II, 2*)8)
aufmerksam gemacht und damit den Nachweis erbracht,
daß sich auch dieser Kodex im VIII. Jahrhundert in
Bobbio befand. Daß die Handschrift noch im XV. Jahr-
hundert in Bobbio war, ergibt sich nach Beer daraus,
daß die Minuskelschrift des XV. Jahrhunderts, in der
die Unziale auf f. 8 transkribiert wurde, mit jener der
Transkriptionen des sicher aus Bobbio stammenden
Kodex 16 der Nationalbliothek (1919 an Italien aus-
geliefert) vollständig übereinstimmt.
Auf die kunstgeschichtliche Bedeutung der Hand-
schrift hat zuerst Friedrich Portheim in seiner Studie
über den dekorativen Stil in der altchristlichen Kunst
(Stuttgart 1886), S. 3/f. hingewiesen. Eine eingehende
Würdigung verdanken wir dem Aufsatze Franz Wick-
hoffs, Die Ornamente eines altchristlichen Kodex der
Hofbibliothek, im Jahrbuch der kunsthistorischen
Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, XIV
(1893), S. 196 k
Die künstlerische Ausstattung des griechischen
Evangeliarfragmentes (f. 1—6') zeigt denselben Stil wie
die des lateinischen Textes des Rufinus, doch rührt
sie nicht von derselben Hand her. „Die Miniaturen des
Evangeliariums — sagt Wickhoff a. a. O. S. 204 — zeigen
eine freiere Hand, einen fetteren Pinsel als das Zierblatt
des Rufinus, das mit größerer Schärfe und Gebunden-
heit gezeichnet ist und sich überdies durch gewisse
blaugraue Töne unterscheidet, die im Evangeliarium
fehlen. Gerade diese Verschiedenheit der Zeichner be-
’) Mitteilung Wickhoffs a. u. a. O., S. 202.
2) Rudolf Beer a. u. a. O., S. 78 f.
b) Cipolla, Codici Bobbiesi della Biblioteca Nazionale di Torino (Mailand 1907), Tav. II.
847 [Theol. 682]. f. 1— 6': Eusebius, Canones harmoniert evangeliorum. Griechisch. 4
/; 7—Rufinus Aquilejensis, Libri duo in caput Geneseos 49 de benedicti-
onibus duodecim patriarcharum. Lateinisch, 4°, VI. Jahrhundert.
Dünnes m., 173X192; 1'5 Seh' regelmäßige Unziale, f 7—nj in 1 Spalte zu 15 Zeilen. 2 in Deckfarben gemalte Zierblätter,
I Titelblatt und 7 Kanonestafeln. Einband: Weißer Pergamentband über Pappdeckel mit Handvergoldung (Wien, 1669). In der
Mitte der beiden Deckel der goldene Doppeladler mit dem Bindenschild mit den Initialen LI (= Leopoldus I.) auf der Brust in ovalem Lorbeer-
kranz, ferner auf dem Vorderdeckel in Goldlettern, oben „E. A. B. C. V.“ (= Ex Augustissima Bibliotheca Caesarea Vindobonensi), unten „16. P. L.
B. 69“ (= Petrus Lambeccius Bibliothecarius 1669). Die zum Verschluß dienenden zwei Paare von grünen Seidenbändern abgerissen. Auf dem
überklebten Rücken die Inhaltsangabe nebst der alten Signatur des Lambeccius „Cod. Mst. Theol. lat. 866“, unten die Ambraser Nummer ,4° 86“.
Das Kapital mit weißem und hellbraunem Spagat umstochen.
In Italien, vermutlich im Raven nätischen im VI. Jahrhundert entstanden. Möglicherweise einst im Besitz des von Cassiodor (gest.
nach 562) gegründeten Klosters Vivarium. Schon im VIII. Jahrhundert im Kloster Bobbio, wo sich die Handschrift noch im XV. Jahrhundert befand.
Ende des XVI. Jahrhunderts in der Bibliothek des Erzherzogs Ferdinand von Tirol auf Schloß Ambras, woher die Handschrift nach dem
Tode des Erzherzogs Sigismund Franz (1665) durch Lambeccius in die Hofbibliothek kam. Auf dem Rücken befindet sich noch die Ambraser
Nummer ,,4° 86“, ebenso auf S. 2: „Ms. Ambr. 86“ von der Hand des Lambeccius. Im Jahre 1809 mit 327 Handschriften nach Paris entführt, wurde
die Handschrift nach dem Sturze Napoleons 1814 oder 1815 zurückgestellt. Vgl. Ferd. Mencik, Die Wegführung der Handschriften aus der Hof-
bibliothek durch die Franzosen im Jahre 1809, Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses XXVIII (1909/1910),
II. Teil, Quellen, S. XIX.
Der Text ist in einer äußerst regelmäßigen Unziale
geschrieben und zwar zeigen die griechische und latei-
nische Schrift dieselben Formen. Spätere Eintragungen
von Denksprüchen (f. 1', j' und 6') sind in einer
Minuskel geschrieben, die nach dem Urteil Engelbert
Mühlbachers1) dem VIII. Jahrhundert angehört und
Elemente der westgotischen Schrift aufweist. Rudolf
Beer2 *) hat jedoch auf die völlige Übereinstimmung
dieser Schrift mit der einer aus Bobbio stammenden
Handschrift der Biblioteca nazionale zu Turin (A. II, 2*)8)
aufmerksam gemacht und damit den Nachweis erbracht,
daß sich auch dieser Kodex im VIII. Jahrhundert in
Bobbio befand. Daß die Handschrift noch im XV. Jahr-
hundert in Bobbio war, ergibt sich nach Beer daraus,
daß die Minuskelschrift des XV. Jahrhunderts, in der
die Unziale auf f. 8 transkribiert wurde, mit jener der
Transkriptionen des sicher aus Bobbio stammenden
Kodex 16 der Nationalbliothek (1919 an Italien aus-
geliefert) vollständig übereinstimmt.
Auf die kunstgeschichtliche Bedeutung der Hand-
schrift hat zuerst Friedrich Portheim in seiner Studie
über den dekorativen Stil in der altchristlichen Kunst
(Stuttgart 1886), S. 3/f. hingewiesen. Eine eingehende
Würdigung verdanken wir dem Aufsatze Franz Wick-
hoffs, Die Ornamente eines altchristlichen Kodex der
Hofbibliothek, im Jahrbuch der kunsthistorischen
Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, XIV
(1893), S. 196 k
Die künstlerische Ausstattung des griechischen
Evangeliarfragmentes (f. 1—6') zeigt denselben Stil wie
die des lateinischen Textes des Rufinus, doch rührt
sie nicht von derselben Hand her. „Die Miniaturen des
Evangeliariums — sagt Wickhoff a. a. O. S. 204 — zeigen
eine freiere Hand, einen fetteren Pinsel als das Zierblatt
des Rufinus, das mit größerer Schärfe und Gebunden-
heit gezeichnet ist und sich überdies durch gewisse
blaugraue Töne unterscheidet, die im Evangeliarium
fehlen. Gerade diese Verschiedenheit der Zeichner be-
’) Mitteilung Wickhoffs a. u. a. O., S. 202.
2) Rudolf Beer a. u. a. O., S. 78 f.
b) Cipolla, Codici Bobbiesi della Biblioteca Nazionale di Torino (Mailand 1907), Tav. II.