Deutsche Arbeiten des X. Jahrhunderts.
1259 [Theol. 312]. /. 1—120: Epistolae Pauli apostoli cum glossa ordinaria Bedae et Hrabani.
f. 120—111': Epistolae canonicae cum glossa.
Lateinisch, Folio, X. Jahrhundert.
m., 243X282. IID-144 f ^nach f.i22;f. 122 c). Kräftige fette karolingische Bücherminuskel, jener Sankt Gallener und Reichenauer Hand-
schriften verwandt, in einer Spalte zu 29 Zeilen, mit ungefähr gleichzeiligen Glossen in winziger Minuskel. Überschriften in roter Kapitale, Unziale
und Capitalis rustica. Quaternionenbezeichnung mit römischen Ziffern. 23 Initialen, und zwar eine in Farben bemalte Initiale, eine in
sepiabrauner Tinte und acht in Mennigrot gezeichnete Initialen, ferner 13 große rote Initialen, eine davon mit einfacher Ver-
zierung. Einband aus dicken, einst mit Leder überzogenen Buchenholzdeckeln (Deutsch, XV. Jahrhundert). Erhalten ist nur der mit kirschrotem
Papier überklebte Lederrücken. Die drei Schließen fehlen; auf beiden Deckeln waren oben Ketten oder Haken befestigt. Auf dem Rücken unten
Reste einer Etikette mit der Signatur Gentilottis: „Cod. Theol. Nr. CCCXII olim 48.“ Als Spiegel der beiden Deckel sind Pergamentblätter aus
einer in zwei Spalten geschriebenen hebräischen Talmudhandschrift eingeklebt. Das Kapital mit Spagat umstochen und mit Lederriemchen umflochten.
Südwestdeutsche Arbeit vom Anfang des X. Jahrhunderts, doch noch Sankt Gallener Arbeiten der Zeit des Abtes Qrimalt (841—872)
verwandt. Die Handschrift war schon 1576 Eigentum der Hofbibliothek, denn sie trägt auf f 14J die Signatur O 14296, von der Hand des
Hugo Blotius; auf dem Vorderdeckel die Nummer XXXXVIII von der Hand Tengnagels, auf f 1 wiederholt „Nr. 48“ von der Hand des Lambeccius.
Stilistisch stehen die Initialen jenen des Evangeliars
Cod. 1229, (Nr. 29 dieses Verzeichnisses) nahe. Beide
Handschriften zeigen nahe Beziehungen zu St. Gallener
Arbeiten der Zeit des Abtes Grimalt (841—872) bzw.
Reichenauer Arbeiten derselben Zeit. Namentlich sind
die lockeren Flechtwerkknoten in Achterform, die Form
der stilisierten lappigen Blattranken und die Tierköpfe
an den Schaftenden charakteristisch, ebenso die Aus-
füllung der Majuskelbuchstaben mit gelber, grüner und
purpurvioletter Farbe1). In denselben Farben ist auch
die große Initiale P auf f. 1 bemalt, während die übrigen
Initialen mit Ausnahme der in sepiabrauner Tinte aus-
geführten Initialen P auf f. I in Mennigrot gezeichnet
sind. Allem Anscheine nach rühren die Initialen von
mehreren Händen her. Die Initialen auf ff. 24, 4), 64
und 76' stimmen sowohl in ihrer Ausstattung als auch
in der Breite der Zeichnung überein. Durch die Sorg-
falt der Ausführung und die Feinheit der Linien unter-
scheiden sich von diesen die Initialen auf f. 8)’, gj
99 und 103, deren Ornamentik jedoch mit jener der
Initialen der ersten Hand übereinstimmt. Von den ein-
fach rubrizierten Initialen zeigt nur die auf f. ff' eine
einfache Verzierung mit Blattwerk. Man beachte end-
lich, daß die Initialen von f. 126 an in Rotbraun aus-
geführt sind und grüne Füllungen zeigen.
Swarzenski2 3) sieht in diesem Codex ein Bindeglied
zwischen zwei aus Reichenau stammenden Münchener
Handschriften, von denen die Epistolae Pauli (Clm 14345
„noch um die Mitte des IX. Jahrhunderts entstanden
sein“ können, während die zweite Handschrift mit den
Evangelien des Lucas und Johannes (Clm 11019), zu
der als erster Teil eine Handschrift mit den Evangelien
des Matthäus und Marcus in der ehern, großherzoglichen
Bibliothek zu Weimar (Ms. Fol. 1) gehört, als Arbeit
„einer jüngeren, etwa den Anfang des X. Jahrhunderts
tätigen Künstlergeneration, anzusehen ist. Merton8)
hat Swarzenskis Ansichten im einzelnen berichtigt und
hält die Handschrift für eine süddeutsche Arbeit des
X. Jahrhunderts. Die Ornamentik zeigt allerdings noch
so viel Beziehungen zu Sankt Gallener Arbeiten aus der
Zeit des Abtes Grimalt (841—872), daß die Handschrift
wohl noch dem Anfang des X. Jahrhunderts angehört.4 * *)
’) Anton Chroust, Monumenta palacographica I. Abteilung, I. Serie, 3. Band (München 1906), Lief. XX., Taf. 1—2.
a) Georg Swarzenski, Reichenauer Malerei und Ornamentik im Übergang von der karolingischen zur ottonischen Zeit, Repertorium für Kunst-
wissenschaft XXVI (Leipzig 1903), S. 485.
3) Adolf Merton, Die Buchmalerei in Sankt Gallen vom 9.—11. Jahrhundert (Leipzig 1912), S. 97, Anm. 74, sowie S. 88f.
4) Franz Landsberger, Der Sankt Galier Folchartpsalter (Sankt Gallen 1912). Vgl. auch die Initialen einer Handschrift der Homiliae beati
Hieronymi de diversis lectionibus evangelistarum in der Universitätsbibliothek zu Basel (B. V. 16), die Konrad Escher, Die Miniaturen in den Basler
Bibliotheken, Museen und Archiven (Basel 1917), S. 27, Nr. 12, Taf. V, ins I. Drittel des IX. Jahrhunderts setzt.
23*
67
1259 [Theol. 312]. /. 1—120: Epistolae Pauli apostoli cum glossa ordinaria Bedae et Hrabani.
f. 120—111': Epistolae canonicae cum glossa.
Lateinisch, Folio, X. Jahrhundert.
m., 243X282. IID-144 f ^nach f.i22;f. 122 c). Kräftige fette karolingische Bücherminuskel, jener Sankt Gallener und Reichenauer Hand-
schriften verwandt, in einer Spalte zu 29 Zeilen, mit ungefähr gleichzeiligen Glossen in winziger Minuskel. Überschriften in roter Kapitale, Unziale
und Capitalis rustica. Quaternionenbezeichnung mit römischen Ziffern. 23 Initialen, und zwar eine in Farben bemalte Initiale, eine in
sepiabrauner Tinte und acht in Mennigrot gezeichnete Initialen, ferner 13 große rote Initialen, eine davon mit einfacher Ver-
zierung. Einband aus dicken, einst mit Leder überzogenen Buchenholzdeckeln (Deutsch, XV. Jahrhundert). Erhalten ist nur der mit kirschrotem
Papier überklebte Lederrücken. Die drei Schließen fehlen; auf beiden Deckeln waren oben Ketten oder Haken befestigt. Auf dem Rücken unten
Reste einer Etikette mit der Signatur Gentilottis: „Cod. Theol. Nr. CCCXII olim 48.“ Als Spiegel der beiden Deckel sind Pergamentblätter aus
einer in zwei Spalten geschriebenen hebräischen Talmudhandschrift eingeklebt. Das Kapital mit Spagat umstochen und mit Lederriemchen umflochten.
Südwestdeutsche Arbeit vom Anfang des X. Jahrhunderts, doch noch Sankt Gallener Arbeiten der Zeit des Abtes Qrimalt (841—872)
verwandt. Die Handschrift war schon 1576 Eigentum der Hofbibliothek, denn sie trägt auf f 14J die Signatur O 14296, von der Hand des
Hugo Blotius; auf dem Vorderdeckel die Nummer XXXXVIII von der Hand Tengnagels, auf f 1 wiederholt „Nr. 48“ von der Hand des Lambeccius.
Stilistisch stehen die Initialen jenen des Evangeliars
Cod. 1229, (Nr. 29 dieses Verzeichnisses) nahe. Beide
Handschriften zeigen nahe Beziehungen zu St. Gallener
Arbeiten der Zeit des Abtes Grimalt (841—872) bzw.
Reichenauer Arbeiten derselben Zeit. Namentlich sind
die lockeren Flechtwerkknoten in Achterform, die Form
der stilisierten lappigen Blattranken und die Tierköpfe
an den Schaftenden charakteristisch, ebenso die Aus-
füllung der Majuskelbuchstaben mit gelber, grüner und
purpurvioletter Farbe1). In denselben Farben ist auch
die große Initiale P auf f. 1 bemalt, während die übrigen
Initialen mit Ausnahme der in sepiabrauner Tinte aus-
geführten Initialen P auf f. I in Mennigrot gezeichnet
sind. Allem Anscheine nach rühren die Initialen von
mehreren Händen her. Die Initialen auf ff. 24, 4), 64
und 76' stimmen sowohl in ihrer Ausstattung als auch
in der Breite der Zeichnung überein. Durch die Sorg-
falt der Ausführung und die Feinheit der Linien unter-
scheiden sich von diesen die Initialen auf f. 8)’, gj
99 und 103, deren Ornamentik jedoch mit jener der
Initialen der ersten Hand übereinstimmt. Von den ein-
fach rubrizierten Initialen zeigt nur die auf f. ff' eine
einfache Verzierung mit Blattwerk. Man beachte end-
lich, daß die Initialen von f. 126 an in Rotbraun aus-
geführt sind und grüne Füllungen zeigen.
Swarzenski2 3) sieht in diesem Codex ein Bindeglied
zwischen zwei aus Reichenau stammenden Münchener
Handschriften, von denen die Epistolae Pauli (Clm 14345
„noch um die Mitte des IX. Jahrhunderts entstanden
sein“ können, während die zweite Handschrift mit den
Evangelien des Lucas und Johannes (Clm 11019), zu
der als erster Teil eine Handschrift mit den Evangelien
des Matthäus und Marcus in der ehern, großherzoglichen
Bibliothek zu Weimar (Ms. Fol. 1) gehört, als Arbeit
„einer jüngeren, etwa den Anfang des X. Jahrhunderts
tätigen Künstlergeneration, anzusehen ist. Merton8)
hat Swarzenskis Ansichten im einzelnen berichtigt und
hält die Handschrift für eine süddeutsche Arbeit des
X. Jahrhunderts. Die Ornamentik zeigt allerdings noch
so viel Beziehungen zu Sankt Gallener Arbeiten aus der
Zeit des Abtes Grimalt (841—872), daß die Handschrift
wohl noch dem Anfang des X. Jahrhunderts angehört.4 * *)
’) Anton Chroust, Monumenta palacographica I. Abteilung, I. Serie, 3. Band (München 1906), Lief. XX., Taf. 1—2.
a) Georg Swarzenski, Reichenauer Malerei und Ornamentik im Übergang von der karolingischen zur ottonischen Zeit, Repertorium für Kunst-
wissenschaft XXVI (Leipzig 1903), S. 485.
3) Adolf Merton, Die Buchmalerei in Sankt Gallen vom 9.—11. Jahrhundert (Leipzig 1912), S. 97, Anm. 74, sowie S. 88f.
4) Franz Landsberger, Der Sankt Galier Folchartpsalter (Sankt Gallen 1912). Vgl. auch die Initialen einer Handschrift der Homiliae beati
Hieronymi de diversis lectionibus evangelistarum in der Universitätsbibliothek zu Basel (B. V. 16), die Konrad Escher, Die Miniaturen in den Basler
Bibliotheken, Museen und Archiven (Basel 1917), S. 27, Nr. 12, Taf. V, ins I. Drittel des IX. Jahrhunderts setzt.
23*
67