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Römische Antikengärten des XVI. Jahrhunderts.
In unseren Tagen lernt der Künstler, der Forscher, der Altertumsfreund Original-
werke der antiken Kunst vornehmlich in den Museen kennen. Als vor 160 Jahren der
Begründer der klassischen Archäologie, J. J. Winckelmann nach Rom kam, fand er nur
ein einziges öffentliches Museum vor, das 1742 eröffnete kapitolinische, die übrigen
Bausteine zu seiner „Geschichte der Kunst des Altertums“ mußte er sich in den Sälen,
Hallen und Höfen von Privatpalästen, in Gärten und Villen und Vignen aufsuchen.
Und wie war es in noch früheren Jahrhunderten, in jener Periode, die wir als „Wieder-
belebung des klassischen Altertums“, als Renaissance zu bezeichnen pflegen ?
Wir dürfen uns bei Beantwortung dieser Frage auf Rom beschränken, auf die Stadt,
welche nicht nur im fünfzehnten und sechzehnten, sondern auch in den beiden folgen-
den Jahrhunderten vor allen anderen die Stätte antiker Kunst gewesen ist1. Wohl hat es
schon im frühen Quattrocento in Mittel- und Oberitalien Anfänge und Ansätze zu Anti-
kensammlungen gegeben2, aber daß Rom für den Künstler und den Gelehrten, der zur
Antike ein Verhältnis gewinnen wollte, stets als erstrebenswertestes Ziel galt, bezeugen
die Studien und Nachbildungen der Bildhauer und Maler jener Periode fast noch
deutlicher als die schriftliche Überlieferung. Wo aber fand der Verehrer klassischer Kunst,
der etwa im Jubeljahr von 1450 oder den folgenden Jahrzehnten die ewige Stadt be-
suchte, Originalwerke antiker Skulptur ?
In erster Linie waren es die wenigen noch ganz oder fast vollständig erhaltenen
antiken Baudenkmäler mit plastischem Schmucke, die Triumphbögen und Ehren-
säulen, dann die wenigen “statue pubbliche”, der Marc Aurel beim Lateran, die Rosse-
bändiger und die mit ihnen gruppierten Statuen auf dem Quirinal, ferner die damals
recht zahlreichen Stücke, welche in den mittelalterlichen Kirchen als Schmuck oder als
Baumaterial Verwendung gefunden hatten. Seit der Zeit Sixtus IV. (1471—1484) hatten
die Konservatoren der Stadt begonnen, auf dem Kapitol einige Bildwerke als Andenken an
Roms ehemalige Größe aufzustellen. Beim Vatikan war der Garten am Belvedere Innozenz
des VIII. (1485—1492) mit wenigen, aber auserlesenen Statuen geschmückt worden.
Manche für das Altertum begeisterten Privatleute, meist Angehörige alter römischer Ge-
schlechter, folgten diesem Beispiele: aber für dekorative Verwendung von Antiken fehlten
in dem damaligen Rom die architektonischen Vorbedingungen fast durchweg. Das römische
Stadthaus hatte noch den mittelalterlichen bürg- oder turmartigen Charakter bewahrt,
es mangelten ihm die großräumigen Höfe, welche beispielsweise die Florentiner Palazzi
besaßen, nicht minder monumentale Treppen, weite Säle und Galerien3. Vom Aus-
1 In großen Zügen schildert diese Entwickelung F. v. Duhn, Über die Anfänge der Antiken-
sammlungen in Italien (in der Zeitschrift Nord und Süd, XV, 1880, 293—308).
2 Außer dem berühmten Antikengarten der Medici in Florenz seien der Statuenhof Mantegnas
in Mantua und das Gärtchen des Poggio in Terranuova bei Florenz genannt — alles freilich Anlagen von
bescheidener Ausdehnung. Vgl. M. L. Gothein. Geschichte der Gartenkunst I p. 236.
3 Über den römischen Haustypus am Ausgange des 15. und im Beginne des 16. Jahrhunderts
vgl. L. v. Pastor, Rom am Ende der Renaissance, besonders S. 33 f. Auch auf die kleinen aber scharfen
Reproduktionen der Heemskerckschen Veduten, die in diesem Buche gegeben werden, sei hingewiesen.
 
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