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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 13.1902

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Lux, Joseph August: Innen-Kunst von Prof. Joseph Hoffman, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.6713#0133

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INNENDEKORATION

XIII. MHRGHI16, Dcirmlfcidt 1902, mei-HeST.

3nnen«Kunff uon Prof. Sofeph Boffmann Wien.

Die Forderungen, welche die heutige Zeit an
die Zweck-Kunst stellt, sind in allen Kultur-
Ländern dieselben. Aus den Ueberein-
stimmungen ergiebt sich der Zeitstil, dessen wesent-
liche Merkmale heute sind: Zurückgehen auf die
konstruktiven Elemente, in denen das eherne Gesetz
der Zweckmässigkeit wirksam ist, sinnfällige Aus-
nützung der Materialwerte, welche hier die zusammen-
fassende Kraft des Eisens, dort die Weichheit der
Fichte, die zähe Wucht der Eiche etc. sichtbar
macht und aus ihren natürlichen Eigenschaften neue
dekorative Werte zieht. Die unmittelbare An-
knüpfung an die Natur, an die funktionellen Be-
dürfnisse und Gewohnheiten des Menschen schliesst
grundsätzlich die Wiederholung gebrauchter histo-
rischer Formen aus und eröffnet ungeahnte Ge-
staltungsmöglichkeiten, die eine lebendige organische
Beziehung zu unserem Wesen unterhalten. In
diesem engen Anschluss an die natürlichen Forde-
rungen liegt also das Gemeinsame der heutigen
angewandten Kunst, aber zugleich auch das Differen-
zierende. Die Lebens-Erfordernisse, soweit sie in
den Gebrauchsdingen des Alltags, in den Gegen-
ständen der Häuslichkeit zum Ausdruck kommen,
sind allgemeiner Natur, aber überall sprechen sie
eine andere Sprache, einen anderen Dialekt. So

spüren wir bald in der allgemeinen Kultur die
persönliche, in den typischen Formen die Indi-
vidualität, im Zeitstil den Geist der Heimat, den
Genius loci. In England, in Deutschland und bei
uns wird nach denselben allgemeinen Grundsätzen
gearbeitet, aber überall mit anderen Ergebnissen.
Daran ist die Ortstümlichkeit schuld, die Heimat-
Kultur, die als Obertöne im modernen Schaffen leise
mitschwingt und die lokale Färbung erzeugt. Was
in England heimatlich ist, ist es darum nicht bei uns,
trotz äusserer typischer Aehnlichkeit. Es zeigt sich
auf diese Weise, dass die moderne Stilbildung, da
wo sie von innerer Wahrhaftigkeit getragen ist,
weiter nichts ist als fortentwickelte Tradition. Wir
empfinden das mit vermehrter Dankbarkeit, wenn
wir ein Interieur von Joseph Hoffmann betreten,
denn wir sind in Oesterreich lange Zeit unter dem
Eindruck fremder Formen gestanden, altdeutscher,
gotischer und zuletzt englischer Formen, die für
uns nichts bedeuteten als Mode, Entlehnung, Heimat-
flucht. Damit ging natürlich das sichtbare, lebendige
Verhältnis unseres Städters zu seiner häuslichen
Umgebung verloren, er wurde Fremdling im eigenen
Heim. Höchstens ein Bild von Schwind oder
Danhauser erinnerte an die längst entflohenen Haus-
Götter der zur Legende gewordenen Wiener Kultur,

1»02. V. 1.
 
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