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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 13.1902

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Velde, Henry van de: Werkstätten für Handwerks-Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.6713#0167

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INNEN-DEKORATION.

grosse Hoffnungen, und Düsseldorf wird uns eine
grosse Ueberraschung eines neuen Talents und eines
Zuwachses unserer Schule bereiten.

Es ist ein harmloses Spiel zu verneinen, was
existiert und jede Kraft und jede Thätigkeit um
eine glänzende Entwicklung zu erreichen, ab-
läugnen zu wollen. Diese Behauptungen sind
gerade so viel wert, als wie das, was sie jenen,
die sie zu Papier bringen, an Geld einbringen.
Man hat konstatieren können, dass es solange
Schule gab, als wie die Prinzipien, auf denen wir
dieselbe gründen, noch nicht klargelegt worden
waren. Aber das ist jetzt eine gethane Arbeit,
und anstatt zu leugnen, dass sie gute Resultate
erzielen kann, sollte man lieber über ihre Prinzipien
reden. Niemand denkt daran, sie offen zu be-
kämpfen, und die Taktik muss entlarvt werden,
welche sagt: die Prinzipien sind vortrefflich, aber
diejenigen, welche sie für ihr Eigentum erklären,
täuschen das Publikum; sie beachten sie nicht!

Die Vorteile einer solchen Kritik scheinen
doppelte, einesteils will sie uns in Misskredit
bringen und zweitens beraubt sie uns unseres
Gutes. Aber jeden Augenblick entstehen Werke,
die klar zeigen, was diese Prinzipien an Mark und
Kraft zur Erfindung neuer Formen enthalten.
Und genügt dieses Phänomen der Neuheit denn
nicht, um zu beweisen, dass unsere Schule und ihre
Prinzipien allein fähig sind, noch einen Stil zu er-
zeugen ! Ich glaube nicht, dass es jemandem in
den Sinn kommt zu denken, dass das Entstehen
eines Stils, der Aehnlichkeit
haben könnte mit dem Empire-
Stil und der nur aus dem Ueber-
rest vergangener Dinge gebildet
ist, noch möglich sei, und
andererseits glaube ich nicht,
dass jemand leugnen kann, dass
seit dem Ende dieses Empire-
Stils etwas geschaffen wurde,
was neu war, in dem Sinne,
wie wir das Wort verstehen.
Die dem Zufall einer phantas-
tischen Inspiration überlassene
Schöpfung hat Bankerott ge-
macht, (und sie hat die natura-
listische Ornamentik mit sich in
das Nichts gerissen). Bald wird
niemand mehr daran denken, den
Formen nützlicher Dinge (wie
Möbeln, Vasen etc.) den Schein
naturalistischer Gestaltungen,
wie Menschen, Tiere, Blumen etc.
geben zu wollen. Sobald wir

an die Schöpfung eines Gegenstandes denken,
erscheint er uns in seiner wesentlichen Form;
und klar betrachten wir die uns zur Verfügung
stehenden Mittel: die Materie und die Werkzeuge.
Aus der innigen Berührung dieser beiden entsteht
der Gegenstand, und die hinzutretenden intellek-
tuellen Spekulationen werden nur reine und abstrakte
Schönheit hinzutragen. Wir bestehen den letzten
Kampf gegen die Willkür, aber der Kampf ist
hart, und die Bataillone, die uns gegenüber-
gestellt werden, sind gut diszipliniert und gruppieren
sich zu Massen: das »Tier«, die »Pflanze« in
grünen, blauen und roten Album-Einbänden ver-
panzert, sind über uns hergefallen. Das letzte
Regiment nennt sich: »Das Weib« ein Vorlage-
Werk für alle Zweige des Kunst-Gewerbes: Ent-
würfe für Dekorations-Malereien, Plakate, Dessins,
Illustrationen, Vignetten, Papier-Ausstattungen,
Tapeten, Keramiken, Metall-, Leder-, Holz-, Glas-
und Textil-Arbeiten, Buch-Ausstattungen etc.

Das macht einen schaudern! Und diesen
»Amazonen« haben wir nur Prinzipien gegenüber-
zustellen ! — Bis wann wird der Gedanke noch fort-
dauern, dass es für die Schöpfung kunstgewerblicher
Gegenstände schon ganz bereitliegende Sachen gibt,
die man willkürlich oder nach einer mehr oder
weniger verständigen Wahl sammeln, klassifizieren
und hernach benutzen kann? — Ein ähnlicher
Glaube hat die Architektur verdorben; und das
Prinzip der reinen Konstruktion ist in der Welle
der auf diese Weise klassifizierten Ornamente unter-
gegangen und in das Bereich der
unfruchtbarsten und trägsten
geistigen Wesen gesunken. Nun
muss man aber mit diesen
rechnen, denn ohne die Hülfe
dieser schon zum Gebrauch
fertigen Dinge würden die Un-
fruchtbaren wirklich unfruchtbar
bleiben, und die Trägen wären
gezwungen, sich Mühe zu
geben. — In dieser »vorgekauten
Arbeit« liegt eine Feigheit,
welche sich bei denen, die
weder unfruchtbar noch träge
sind, nicht anders erklären lässt,
als durch eine vollständig falsche
Auffassung der wahren Natur
des Ornaments. Diese schliesst
jeden Gedanken einer »Ueber-
tragung« aus, denn das Orna-
ment hat eigenes Leben und
ist unendlich mannigfacher Art.

E. KLEINHEMPEL. Eck-Schränkchen. Entwurf.

PROF. H. VAN DE VELDE — WEIMAR.
 
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